Suche
Suche

Extremes Niedrigwasser und Probleme mit der Carolabrücke: Hat die Elbe als Wasserstraße ausgedient?

Die Elbe ist seit Februar weniger als einen Meter tief. Gütertransport lohne wegen des Niedrigwassers nicht mehr, sagen Umweltschützer. Wirtschaft und Politik halten dagegen und sehen noch ganz andere Probleme.

Lesedauer: 4 Minuten

Michael Rothe

Dresden. Die Elbe hat ihre Hungersteine wieder verschluckt. Dank des Regens in den vergangenen Tagen sind die Unheilverkünder auch im Dresdner Stadtgebiet nicht mehr zu sehen. Die mit Jahreszahlen und Wasserstandslinien markierten Blöcke erinnern an dürre Zeiten, in denen auf dem Fluss nichts mehr ging – mit dramatischen Folgen für Landwirtschaft, Schifffahrt und die Bevölkerung.

Die Jahrhunderte alten Zeitzeugen im Flussbett haben zuletzt Zuwachs bekommen. Auch Naturschützer dokumentierten so neue Tiefstände, die aus ihrer Sicht seit Jahren zunehmen.

Bei Niedrigwasser tauchen die Hungersteine aus den Elbfluten auf – wie hier am Ufer in Dresden-Tolkewitz.
Bei Niedrigwasser tauchen die Hungersteine aus den Elbfluten auf – wie hier am Ufer in Dresden-Tolkewitz.
Quelle: Foto: Steffen Brandes

„Die Elbe ist als Güterverkehrsweg faktisch nicht mehr nutzbar“, verlautet von der Umweltorganisation BUND. Seit Ende Februar herrsche dauerhaftes Niedrigwasser, heißt es. „Zwischen der deutsch-tschechischen Grenze und Magdeburg wurden an 122 Tagen die für Gütertransporte notwendigen 1,40 Meter unterschritten, an über 60 Tagen wurde weniger als ein Meter gemessen“, sagt Sachsens BUND-Landesvorsitzender Felix Ekardt.

Elbe war mal Europas verkehrsreichster Fluss

Aus Sicht des Jura-Professors hat die Elbe, um 1900 noch verkehrsreichster Fluss Europas, als Wasserstraße ausgedient. Die angestrebte Fahrrinnentiefe werde an drei bis fünf Monaten im Jahr nicht erreicht – mehr als doppelt so oft wie vor 2014, argumentiert er. In der Folge seien auch die Frachtraten auf einem Tiefststand.

430 Millionen Euro teure Baumaßnahmen zwischen 2013 und 2022 hätten die Schiffbarkeit eher verschlechtert. Sie beschleunigten die Wasserableitung, verschärften die Dürre, gefährdeten Auenwälder. Der Umweltaktivist fordert ein Umdenken in der Elbe-Politik.

Zwischen der deutsch-tschechischen Grenze und Magdeburg wurden an 122 Tagen die für Gütertransporte notwendigen 1,40 Meter unterschritten, an über 60 Tagen wurde weniger als ein Meter gemessen. – Felix Ekardt, Sachsens Landesvorsitzender des BUND

Heiko Loroff, Chef der Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH (SBO), nennt die Wortmeldung „seltsam“. Der Fluss wäre ohne die eingestürzte Carolabrücke vom vergangenen September bis zum Mai durchgehend schiffbar gewesen, sagt er. Bislang sei kein einziger Euro in die Verbesserung der Fahrrinnentiefe geflossen. Das Geld diene nur dem Unterhalt.

Nur noch jede 25. Tonne landet auf dem Wasser

Zum SBO-Verbund gehören die sächsischen Häfen Dresden, Riesa, Torgau sowie Mühlberg in Südbrandenburg, Decín (Tetschen) und Lovosice (Lobositz) in Tschechien. Der Güterumschlag der Gruppe ist 2024 mit rund 2,7 Millionen Tonnen im Vergleich zum vorhergehenden zwar fast stabil geblieben. Der größte Teil der Transporte – unter anderem Holz, Schrott, Getreide – wird allerdings per Lkw und Bahn abgewickelt. Nur noch jede 25. Tonne landet auf dem Wasser, vor allem schweres Gerät wie Turbinen, Motoren und Generatoren.

Heiko Loroff ist seit 2012 Geschäftsführer der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH, die unter anderem Häfen in Riesa, Torgau und Dresden betreibt.
Heiko Loroff ist seit 2012 Geschäftsführer der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH, die unter anderem Häfen in Riesa, Torgau und Dresden betreibt.
Quelle: Sebastian Schultz

Ein stabiler Abfluss sei nur durch konsequentes Aufstauen der Elbe in Tschechien möglich, sagt Loroff. So hielten die Nachbarn derzeit den Elbpegel niedrig, um die Brückentrümmer in Dresden schnell und gefahrlos zu beseitigen. Auch der BUND habe dem Gesamtkonzept Elbe, einem Kompromiss zwischen Wirtschaft und Umwelt, zugestimmt, mache nun aber immer neue Forderungen auf. Der Staatsvertrag mit Tschechien zur Nutzung als internationale Wasserstraße und deren einzigem Meereszugang gelte – nicht nur für die Berufsschifffahrt, sondern auch für den Tourismus.

Weiße Flotte fährt wieder öfter

Die Weiße Flotte mit Sitz in Dresden kann etwas aufatmen. Nachdem lange nur Innenstadt-Touren von der eingestürzten Carolabrücke zum Blauem Wunder möglich waren, sind die Raddampfer seit Dienstag auch wieder zwischen Pirna und Bad Schandau sowie zwischen Meißen und Seußlitz unterwegs. Dazu gebe es einige Charterfahrten, sagt Sprecher Christoph Springer. Das Unternehmen hoffe, dass „ab Ende August normaler Betrieb möglich ist“.

Vorher werde der Pegel nicht steigen, prognostiziert Hafenchef Loroff. Die derzeit 69 Zentimeter reichten für die Dampfschifffahrt, rechneten sich aber nicht für den Gütertransport. Am dramatischsten sei der Elbabschnitt an der Saalemündung bei Barby in Sachsen-Anhalt.

Das Wasser- und Schifffahrtsamt Elbe spricht von „verzerrenden Angaben“ der Umweltschützer. Auch Rhein, Donau und Oder litten in diesem Jahr wegen geringer Niederschläge unter Niedrigwasser, sagt Fachbereichsleiter Helko Fröhner. Der BUND weise mit seiner Auswertung zur Fahrrinne „lediglich auf die noch vorhandenen Defizite bei der Umsetzung des Gesamtkonzept Elbe hin“.

Eingestürzte Carolabrücke stört mehr als die Ebbe

Auch im Hamburger Hafen, Ausgangs- und Endpunkt der Transporte, herrscht Unverständnis ob der BUND-Forderung. Die Akteure würden sich auf die übliche Ebbe im Sommer einstellen, sagt dessen Ostbeauftragter Roman Fürtig. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltungsamt des Bundes beziffert den niedrigsten je in Dresden gemessenen Wasserstand mit 21 Zentimetern im August 1947.

Die Binnenschiffer hätten viel mehr unter dem Einfluss der eingestürzten Carolabrücke zu leiden, sagt Fürtig und verweist auf den Beirat zum Gesamtkonzept Elbe, in dem auch der BUND sitze und sich einbringen könne. Er sieht im Fluss „einen wichtigen Wirtschaftsfaktor“ und will ihn als Ressource und Beitrag zur Verkehrswende auf keinen Fall abschreiben.

Sachsens Staatsregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag zu dem Schifffahrtsweg. „Wir setzen uns auch im Rahmen des Gesamtkonzepts Elbe zur Binnenschifffahrt dafür ein, die Schiffahrbarkeit von Sachsens einziger Bundeswasserstraße als Bestandteil des transeuropäischen Verkehrs-Kernnetzes zu erhalten“, sagt Barbara Meyer, Staatssekretärin in Infrastrukturministerium. Der Wille decke sich mit den Nachhaltigkeits- und Klimaschutzzielen der Bundesregierung, den Transport auf der Wasserstraße zu stärken und Güterverkehr dorthin zu verlagern.

SZ

Das könnte Sie auch interessieren: