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Gegen den Strom: Wie Start-ups aus Sachsen der Krise trotzen

Die Krisenstimmung in Sachsens Wirtschaft hält an. Doch Wagemutige hält das nicht ab, neue Unternehmen zu gründen. Sechs Starts-ups erzählen, wieso sie das Risiko eingehen.

Lesedauer: 6 Minuten

Andreas DunteLuisa ZenkerFlorian ReinkeNora Miethke und Tabea Zimmermann

Dresden/Leipzig. Krisenzeiten sind Gründungszeiten. Das sagen zumindest Vertreter der Start-up-Szene, denn genau dann entstehen besonders widerstandsfähige und wettbewerbsstarke Unternehmen.

Wir haben sechs Gründer und Gründerinnen aus Sachsen getroffen und sie gefragt, was sie motiviert, Neues zu beginnen – in Zeiten, in denen von Personalabbau und Verlusten die Rede ist. Dafür suchen wir noch weitere sächsische Start-ups, die sich seit 2020 gegründet haben. Die Besten aus Sachsen küren wir für den Unternehmerpreis. Die Bewerbung ist einfach und unkompliziert online möglich. Bewerbungsschluss ist der 13. Februar 2026.

Gegen Personalnot: Roboter Thery unterstützt Patienten beim Gehen

Der Roboter Thery des Leipziger Start-ups Tediro kommt zur richtigen Zeit. Denn in Krankenhäusern, Reha-Kliniken und Altenheimen macht sich der Personalmangel immer mehr bemerkbar.
Der Roboter Thery des Leipziger Start-ups Tediro kommt zur richtigen Zeit. Denn in Krankenhäusern, Reha-Kliniken und Altenheimen macht sich der Personalmangel immer mehr bemerkbar.
Quelle: Fotograf: Matthias Schmidt, Erfurt

Thery ist 1,50 Meter groß, 60 Kilogramm schwer und kann sich auf Rollen fortbewegen. Der von dem thüringisch-sächsischen Unternehmen „Tediro Healthcare Robotics“ entwickelte Roboter hilft Patienten bei ihrem Gang zurück ins normale Leben. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Denn Thery fördert und überwacht das therapeutische Gangtraining auf Unterarmstützen.

Das sieht so aus, dass sich Patienten im Krankenhaus per Chip bei dem Roboter anmelden. Thery fährt vor dem Patienten her, analysiert beim Gehen die Skelettdaten und gibt wichtige Korrekturtipps. „Die vom Roboter gesammelten Daten fließen dann in die Patientenakte ein“, erklärt Christian Sternitzke, der gemeinsam mit Anke Mayfarth das Unternehmen mit Sitz in Leipzig und Ilmenau 2020 gegründet hat.

Die Idee für den Roboter entstand an den Waldkliniken Eisenberg. Physiotherapeutin Mayfarth habe sich immer einen technischen Helfer gewünscht, der ihr Routinetätigkeiten in der Akutklinik und Rehabilitation abnimmt. So bleibt mehr Zeit für Physiotherapie oder Osteopathie. Der Wunsch ist nun Realität.

Seit diesem Frühjahr ist der Roboter in mitteldeutschen Kliniken im Einsatz. Die Nachfrage nach dem innovativen Assistenten ist groß, denn physiotherapeutisches Personal ist rar.

Trotz Insolvenz: Roboter für Großküchen aus Dresden

Markus Vorrath von Handson Robotics.
Markus Vorrath von Handson Robotics.
Quelle: HandsonRobotics

In der Großküche im Uniklinikum Dresden fällt viel dreckiges Geschirr an, denn Tausende Ärztinnen, Pfleger und Patienten müssen täglich versorgt werden. Personal an der Spülstrecke wird deshalb immer gesucht. „Es ist laut, warm, stressig. Der Krankenstand ist hoch“, weiß Markus Vorrath.

Der promovierte Elektrotechniker und drei Mitgründer haben darin 2024 eine Geschäftsidee entdeckt: ein Bestecksortierroboter für Großküchen. „Wir nehmen damit keine Arbeitsplätze weg. Die Großküchen freuen sich über jede helfende Hand“, sagt Vorrath. „Die Leute werden immer älter. Die jungen Menschen kommen nicht nach. Der Bedarf nach Gemeinschaftsverpflegung wird wachsen.“

Wenn man einmal im Bereich Gründen unterwegs war, merkt man, wie viel mehr Spaß es macht, als in einer Festanstellung zu arbeiten. – Markus Vorrath, Mitgründer von Handson Robotics

Beim Dresdner Start-up Handson Robotics arbeiten sie zu sechst. Vorrath ist gleichzeitig noch Forschungsgruppenleiter an der Professur für Mikrosystemtechnik der TU Dresden. Ein Großteil des Teams hat bereits Gründungserfahrung, denn 2019 starteten sie das Unternehmen PowerOn. Die Idee: Roboter mit fühlenden Häuten, künstlichen Muskeln und künstlichen Neuronen. Doch 2023 mussten sie Insolvenz anmelden. Die Idee sei zu kapitalintensiv gewesen. Vorraths Team will aber nicht aufgeben: „Wenn man einmal im Bereich Gründen unterwegs war, merkt man, wie viel mehr Spaß es macht, als in einer Festanstellung zu arbeiten“, nennt der 39-Jährige als Grund.

Das neue Start-up hat nun die erste Finanzierungsrunde geschafft. „2023 war es schwieriger. Da gab es eine Krise auf den Kapitalmärkten.“ Die Finanzierungsbedingungen seien jetzt schon viel besser, erklärt er den Grund für das Risiko. Mitte 2026 wollen sie bereits 15 Besteckroboter im Einsatz haben.

Für mehr Digitalisierung in Unternehmen: Die Web-App aus Leipzig für Betriebsräte

Johannes Bellmann ist Co-Gründer vom Leipziger Start-up BRbase – und hat seine Web‑App bereits an 70 Unternehmen verkauft. 2026 will das Unternehmen weiter wachsen.
Johannes Bellmann ist Co-Gründer vom Leipziger Start-up BRbase – und hat seine Web‑App bereits an 70 Unternehmen verkauft. 2026 will das Unternehmen weiter wachsen.
Quelle: Kempner

Bürokratie kann lästig sein – das weiß Johannes Bellmann aus seiner Zeit als Betriebsrat. „Protokolle zu schreiben, war ätzend – das wollten wir ändern“, sagt der 37‑jährige Gründer. 2023 gründete er mit Thilo Haase und Miriam Amin schließlich BRbase, eine Web‑App für digitales Gremien‑Management.

Die Web‑App führt Schritt für Schritt durch Einladungen, Anwesenheiten und Tagesordnung, erstellt per Klick rechtssichere Protokolle, bietet zentrale Ablagen vergangener Sitzungen, Aufgaben‑ und Terminplanung — alles Datenschutz‑konform. „Für Betriebsräte ist es eine große Erleichterung“, sagt Bellmann.

Das zehnköpfige Team hat die Lösung inzwischen an rund 60 bis 70 Unternehmen aus Automobil‑ und Pharmaindustrie, Stadtwerke und Kliniken verkauft. „Aktuell verhandeln wir über ein siebenstelliges Investment, und nächstes Jahr wollen wir mehr als zehn neue Stellen in Leipzig schaffen“, berichtet Bellmann. Gefördert wurde BRbase unter anderem durch Programme der Sächsischen Aufbaubank. Potenziellen Gründern rät er, nicht den Kopf in den Sand zu stecken: „Krisenzeiten bedeutet auch, dass sich neue Chancen ergeben. Die muss man ergreifen.“

Im Kampf gegen Mode-Müllberge: Nachhaltige Wolle aus Chemnitz

Ina Goetz von Undoyarn möchte der Fast Fashion etwas entgegensetzen.
Ina Goetz von Undoyarn möchte der Fast Fashion etwas entgegensetzen.
Quelle: Undoyarn

Neue Modetrends kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt. Viele Kleidungsstücke landen nach einer Saison im Müll. Die Chemnitzerin Ina Goetz will da nicht länger hinschauen. 2024 gründete sie das Unternehmen Undoyarn in Chemnitz.

Die Idee: das Garn von alten Pullovern nutzen, um daraus neue Wollknäuel herzustellen. Ihr Unternehmen wurde überregional schnell bekannt. „Ich bekomme Pakete aus ganz Deutschland.“ Goetz trennt die zugeschickten Woll-Sachen auf und behandelt sie mit Wasser und Hitze, um daraus neues Garn zu produzieren. Anderthalb Stunden benötigt sie für einen Pullover. Ein 100-Gramm-Knäuel kostet dann etwa 12 Euro – je nachdem, ob es Kaschmir oder Polyacryl ist.

Goetz arbeitet die Hälfte der Woche als Berufsschullehrerin im Bereich Pflege. Die Liebe zur Handarbeit hat sie aus der Familie und bisher nur als Hobby betrieben. Doch mit 56 Jahren will sie der Modeindustrie etwas entgegensetzen. Die Chemnitzerin bietet außerdem Workshops rund ums Flicken, Stricken, Nähen in ihrem Textilatelier Undoyarn an. Für das nächste Jahr hofft sie, noch bekannter zu werden.

Aus Liebe zur Heimat: Traditionelle Handwerkskunst im modernen Design

Felix Kirsten (l.) und Lorien Petersen, zwei Cousins aus Dürrröhrsdorf-Dittersbach, wollen mit ihren Lichterbögen den traditionellen Schwibbogen-Herstellern Konkurrenz machen.
Felix Kirsten (l.) und Lorien Petersen, zwei Cousins aus Dürrröhrsdorf-Dittersbach, wollen mit ihren Lichterbögen den traditionellen Schwibbogen-Herstellern Konkurrenz machen.
Quelle: Karl-Ludwig Oberthür

Felix Kirsten und Lorien Petersen wollen mit Salibo den Markt der Lichterbögen aufmischen. Dabei sind die zwei Cousins noch keine 20 Jahre alt. Aus dem Drang, ein eigenes Produkt zu schaffen, das ihre handwerklichen Wurzeln mit moderner Technik verbindet, gründeten sie 2024 ihr Start-up. Mit ihrem ersten Lehrlingsgehalt finanzierten sie eine CNC-Fräse für knapp 8000 Euro. Diese legte mutmaßlich den Grundstein des jungen Unternehmens. Die Geschäftsidee formte sich jedoch erst später in den Köpfen der jungen Männer.

Ihr Wissen aus Orgelbau und Industrietechnik fließt in die Entwicklung und Produktion der zeitlosen Lichterbögen ein. Ihre Produkte unterscheiden sich von traditionellen Schwibbögen durch ihre Form und Motive. Indirekt beleuchtete Stadt- und Landschaftssilhouetten auf mehreren Ebenen prägen symbolische Heimatbilder, auch unabhängig von weihnachtlicher Tradition.

Ausschließlich ihre Familien unterstützen sie mit mietfreien Werkstatträumen, fachlichem Rat und finanziellen Leihgaben. Sonst haben die zwei „einfach erstmal drauflos gewerkelt“, wie sie selbst erzählen. Salibo steht für die kreative Kombination regionaler Werte mit moderner Technik – aber vor allem für Mut, mit wenig loszulegen und Großes zu wagen.

Von der Krebspatientin zur besten Gründerin in Sachsen 2025

Online-Portal Krebs-Campus in Leipzig. Babett Baraniec und Sebastian Miedtank am Rechner.
Online-Portal Krebs-Campus in Leipzig. Babett Baraniec und Sebastian Miedtank am Rechner.
Quelle: Kempner

Dr. Babett Baraniec lebt seit 12 Jahren mit Krebs. Die promovierte Biologin und Medizinpädagogin aus Leipzig hat den „Krebs Campus“ aufgebaut, eine digitale Begleitplattform, die Krebspatienten und ihre Angehörigen mit verständlichen Expertenkursen, praktischen Selbstmanagement-Tools und Checklisten für Arztgespräche durch jede Therapiephase der Krebserkrankung führt. Sie schließt damit nach eigenen Worten eine Versorgungslücke und entlastet das Gesundheitssystem.

Dafür wurde Babett Baraniec diese Woche mit dem Sächsischen Gründerinnenpreis in der Kategorie „Neugründung“ ausgezeichnet. Die Sozialunternehmerin startete 2023 mit ihrem Lebensgefährten die Firma „Gesundheitsedukation Babett Baraniec & Sebastian Miedtank GbR“. „Ich habe bis letztes Jahr noch doppelt gearbeitet, weil ich mich lange nicht getraut habe, mich selbstständig zu machen. Meine Arbeit gab mir als chronisch Kranke Sicherheit“, sagte sie bei der Preisverleihung.

Ihr Lebensgefährte habe sie lange überreden müssen, endlich mutig zu sein. „Es war die beste Entscheidung, weil ich jetzt freier bin“, so Baraniec. Ihr Beispiel soll Mut machen und zeigen, „wir sind nicht nur chronisch Kranke, sondern normale Menschen, die auch gründen können“.

SZ

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