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Ist die Energiewende bis 2030 in Ostdeutschland zu schaffen?

Mehr Tempo oder Rolle rückwärts bei der Energiewende? Darüber wurde beim Ostdeutschen Energieforum in Leipzig gestritten. Doch wo steht Ostdeutschland beim Ausbau und wie entwickeln sich die Preise?

Lesedauer: 4 Minuten

Luisa Zenker

Leipzig. Die führenden Köpfe der Energiebranche trafen sich an diesem Dienstag und Mittwoch beim 14. Ostdeutschen Energieforum in Leipzig.

Der kürzlich veröffentlichte Energie-Monitoringbericht von Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) sorgte dabei für reichlich Zündstoff. Hier die wichtigsten Einschätzungen.

Inhalt

Wie weit ist Ostdeutschland beim Ausbau der Erneuerbaren Energien?

Der Osten sei Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien, meint die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Elisabeth Kaiser (SPD), beim Energieforum. In den ostdeutschen Bundesländern sowie in Berlin und Hamburg stammten im vergangenen Jahr 73 Prozent des verbrauchten Stroms aus Wind-, Solar- und Biomasseanlagen, heißt es vom Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz.

Die Ausbauzahlen jedoch zeigen ein vielschichtiges Bild. Während Sachsen-Anhalt und Brandenburg an der Spitze stehen, bilden Thüringen und Sachsen die Schlusslichter beim Windradausbau.

14. Ostdeutsches Energieforum im Campus Jahnallee in Leipzig. Auf der Bühne stehen v.l. Andrea Thilo, Michael Kretschmer, Michael Sack, Ines Jesse und Stephan Lowis.
14. Ostdeutsches Energieforum im Campus Jahnallee in Leipzig. Auf der Bühne stehen v.l. Andrea Thilo, Michael Kretschmer, Michael Sack, Ines Jesse und Stephan Lowis.
Quelle: Andre Kempner

Das kritisiert auch René Spandler, Werkleiter des Stahlbauunternehmens Ervin in Glaubitz. „Wir brauchen eine knallharte Wirtschaftspolitik, und die ist jetzt eben grün.“

Er kritisiert die jüngst von CDU, SPD und BSW beschlossene Verlangsamung des Windkraftausbaus in Sachsen. Er will grünen Stahl produzieren und ist auf grünen Strom angewiesen.

Werden die Energiekosten weiter steigen?

„Wir sind auf dem Niveau vor der Energiekrise″, erklärt Peter Reitz, Vorsitzender der Energiebörse EEX mit Sitz in Leipzig. Der Energiemarkt erwarte, dass die Preise für Strom und Erdgas in diesem Jahr leicht steigen und dann sinken werden.

Der Nettostrompreis soll demnach von 85 Euro pro Megawattstunde auf 71 Euro bis 2030 sinken. Ihm zufolge liegt Deutschland beim Nettostrompreis im europäischen Mittelfeld.

Wir brauchen eine knallharte Wirtschaftspolitik, und die ist jetzt eben grün. – René Spandler, Werkleiter des Stahlbauunternehmens Ervin in Glaubitz

Ein Blick auf den Bruttostrompreis verdeutlicht aber, dass Deutschland die höchsten Energiepreise in Europa aufgrund von Steuern und Umlagen hat.

Einen Lichtblick gibt es: Die Bundesregierung will 2026 die Übertragungsnetzentgelte in Höhe von 6,5 Milliarden Euro bezuschussen. Die Netzentgelte machen derzeit einen Anteil am Strompreis von rund 25 Prozent aus.

Wie sicher ist unser Stromnetz?

Im April kam es in Spanien zu einem großflächigen Blackout. Die Netzüberlastung war eine Ursache. „Unsere Netze sind per se zuverlässig“, erklärt Lutz Eckenroth, Chef vom mitteldeutschen Energiebetreiber Mitnetz. „Aber der Anschlussboom im Netz durch Photovoltaik-Anlagen und Windräder belastet das System.“

Auch der Klimawandel mache sich durch Stürme bemerkbar. Die zunehmende Trockenheit im Boden führe zu einer schlechteren Leitfähigkeit der Erdkabel. Hinzukomme die „massive Sabotage“ von Anlagen. Der Brandanschlag auf zwei Strommasten in Berlin zeigte zuletzt, wie verletzlich kritische Infrastruktur ist. Mitnetz investiert deshalb verstärkt in die Sicherheit.

Schaffen wir die Energiewende bis 2030?

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, 80 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien bis 2030 zu erzeugen. . Sachsen-Energie-Chef Frank Brinkmann sieht es als realistisch an, dass dies in Ostdeutschland zu erreichen ist, da man schon heute bei 73 Prozent stehe. Er fragt jedoch, ob das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 gesetzt bleiben sollte. „Wir müssen schauen, dass wir als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig bleiben.“

Die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH bleibt eher skeptisch, was die Ziele angeht. Die größten Hindernisse beim Windradausbau seien lange Genehmigungsverfahren, Widerstand der Anwohner und ein zu langsamer Netzausbau. Der Erdgasbetreiber VNG sieht gerade beim Wasserstoff-Hochlauf Herausforderungen: „Hohe Produktionskosten und regulatorische Unsicherheiten bremsen den Wasserstoff-Hochlauf aktuell unnötig aus.“

Sollten private Solaranlagen nicht mehr gefördert werden?

Die Wirtschaftsministerin will ein Ende der Förderung für private Solaranlagen. Das stimmt Sachsen-Energie-Chef Brinkmann positiv. „Solar ist übersättigt. Jeden Mittag haben wir negative Strompreise, und die entsorgen wir teuer ins Ausland.“

Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland, widerspricht ihm: „Private PV-Anlagen sollten weiter gefördert werden, weil damit für jeden einzelnen die Energiewende erlebbar wird.“

Auch Michael Kellner, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, warnt davor, die kleinen Solaranlagen zum Problem zu erklären. „Die kleinen Anlagen führen dazu, dass sich die Leute dann noch ein E-Auto anschaffen.“

Sollte die Energiewende beschleunigt werden?

Ein Großteil der über 500 Teilnehmer beim Ostdeutschen Energieforum will mehr Beschleunigung. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ist anderer Meinung. Das Ergebnis der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass die Energiepreise nicht wettbewerbsfähig sind: „Zu schnell, zu viel, schlecht gemacht.“

Er stehe voll und ganz hinter dem vorgelegten Energie-Monitoringbericht, der 20 Gaskraftwerke bauen will und die Ziele herunterschraubt. Kretschmer hinterfragt zudem die Klimaneutralität bis 2045.

Wird der Osten bei der Energiewende benachteiligt?

Ja, zumindest wenn es nach dem sächsischen Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) geht. Hintergrund ist die Debatte über den sogenannten „Südbonus“, wonach der Großteil der geplanten neuen Gaskraftwerke in Süddeutschland ausgeschrieben werden soll.

„Ostdeutschland darf nicht erneut bei so wichtigen Grundsatzentscheidungen benachteiligt werden!“, so Wirtschaftsminister Panter. Auch Thomas Brandenburg, Geschäftsführer der Leag Clean Power GmbH bezeichnet die Situation als „unfair“. Die Leag plant unter anderem Gaskraftwerke in der Lausitz. Um damit zu starten, warte man bereits seit drei Jahren auf ein neues Kraftwerksgesetz.

Katharina Reiche plant dies bis Ende des Jahres. „Mal sehen, welches Ende des Jahres damit gemeint ist“, meint Brandenburg. Gleichzeitig kommt Kritik von den Umweltverbänden. „Egal, an welchen Standorten neue Gaskraftwerke diskutiert werden: Subventionen für sie darf es nur geben, wenn ihr tatsächlicher Bedarf nachgewiesen ist und sie ab 2035 verbindlich klimafreundlich mit grünem Wasserstoff betrieben werden“, so Julius Neu, Referent für Energiepolitik vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

SZ

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