Bautzen/Görlitz. 850 Milchkühe können ganz schön viel Mist machen. So viele Tiere gibt es derzeit bei der Lichtenberger Agrar GmbH & Co. KG. Deren Gülle sowie etwas Maissilage landet als Biomasse in der Biogasanlage des Betriebes.
Das hat gleich mehrere positive Effekte, wie Geschäftsführer Olaf Wähner vor Ort erklärt. „Wir produzieren Strom, der eingespeist und vergütet wird. Die entstehende Wärme nutzen wir selbst und geben sie auch kostengünstig an Mehrfamilienhäuser, die Turnhalle und das Feuerwehrgerätehaus ab. Und drittens sammeln wir die Rindergülle, die nach dem Prozess in der Biogasanlage nicht mehr so stinkt, weil der Schwefel umgewandelt wurde, und bringen sie als Dünger auf die Felder.“
Bis zu 120 Kubikmeter Gülle täglich
Da Gülle und Maissilage ohnehin anfielen, also eigene Erzeugnisse des Agrarbetriebes seien, sind das für Landwirte günstige Ausgangsprodukte, sagt Olaf Wähner. Die Anlage in Lichtenberg läuft seit 2007, hat eine Leistung von 500 Kilowatt und könne pro Tag bis zu 120 Kubikmeter Gülle verarbeiten. „Der elektrische Wirkungsgrad beim Prozess beträgt 42 Prozent. Der Rest ist Abwärme“, erklärt Olaf Wähner.
In Ohorn betreibt der Agrarbetrieb seit 2011 eine Biogasanlage mit 400 KW, betrieben vor allem mit der Jungrinderanlage. Der Strom fließe ins Netz und die Wärme ins betreute Wohnen und andere ortsnahe Gebäude.
Bundesnetzagentur schreibt Biomasse aus
Doch für beide Anlagen muss sich der Lichtenberger Betrieb nun überlegen, wie es weitergeht. Denn nach 20 Jahren fällt für die Biogasanlagen die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) weg. Mehr als 250 solcher Anlagen gibt es in Sachsen. Bei rund einem Drittel läuft die EEG-Förderung bis 2030 aus.
Wir könnten die Anlage natürlich auch stilllegen, aber das möchten wir nicht. Die Anlage muss sich aber betriebswirtschaftlich darstellen. – Olaf Wähner, Geschäftsführer der Lichtenberger Agrar GmbH & Co. KG
In Lichtenberg wäre das also 2027 der Fall. „Das heißt, dass dann die Festvergütung durch den Netzbetreiber endet. Alternativ könnten wir weiter Strom einspeisen, bekämen dafür aber nur noch den Marktpreis, der schwankt und deutlich unter der Festvergütung liegt“, sagt Olaf Wähner. Dieser Preis könne auch negativ sein, so der Geschäftsführer. „Wir könnten die Anlage natürlich auch stilllegen, aber das möchten wir nicht. Die Anlage muss sich aber betriebswirtschaftlich darstellen.“
Eine mögliche Alternative sind die regelmäßigen Ausschreibungen der Bundesnetzagentur für solche Biomasseanlagen, die Gülle und Co in Biogas umwandeln, allerdings mit begrenztem Stromvolumen. Neue und bestehende Biogasanlagen können so weiterhin Preise über Marktniveau für ihren Strom erhalten, allerdings nicht in unbegrenzter Anzahl. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium wurden die meisten Biogasanlagen in Sachsen in den Jahren 2007 und 2011 in Betrieb genommen.
Da also für viele die laufende EEG-Förderung endet, sei mit einer hohen Beteiligung an den Ausschreibungen für Biomasse zu rechnen. Das Biomasse-Paket ziele darauf ab, „die Planungs- und Investitionssicherheit für bestehende Biogasanlagen im EEG zu verbessern“, vor allem für Anlagen mit Wärmenetzanschluss. Und es soll verstärkte Anreize für Investitionen in zukunftsfähige Anlagen geben, etwa solche, die Strom flexibel liefern können.
Biogasanlagen sollen bei Dunkelflauten liefern
Die Lichtenberger Agrar habe sich an so einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur beteiligt und den Zuschlag bekommen. Ab 2028 könnte die Biogasanlage also unter diesen Bedingungen weiterlaufen.
Im Fokus stehe die „Flexibilisierung“. „Im Rahmen der Ausschreibung würden wir eine doppelte Überbauung umsetzen. Das heißt, unsere Anlage hätte dann eine reduzierte Leistung von 250 KW, könnte aber auch bei Bedarf auf die jetzigen 500 KW hochfahren“, sagt Olaf Wähner. Er bekäme dann weiterhin eine feste Vergütung vom Netzbetreiber, die geringer sei als die jetzige, aber höher als der Marktpreis.
Mögliche Folgen für Wärmeversorgung in Lichtenberg
Das politische Ziel sei es, Strom aus Biogasanlagen zu nutzen, „wenn der Bedarf da ist. Solar- und Windkraft sowie noch zu bauende Gaskraftwerke und importierte Atomkraft werden bevorzugt. Die Biogasanlagen stehen da hinten an und sollen Strom produzieren, wenn Sonne und Wind nicht liefern.“ Diese Dunkelflauten gibt es auch in Sachsen, wenn an mehreren Tagen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.
Ob die Lichtenberger Agrar ab 2028 tatsächlich so mit ihrer Biogasanlage weitermacht, prüfe sie noch. „Wegen ihrer Vorteile würden wir die Biogasanlage gern halten“, sagt Olaf Wähner. Ein Knackpunkt sei aber die Technik. „Jetzt läuft der Motor konstant auf 100 Prozent. In Zukunft wären es aber bei großem Strombedarf vielleicht mal nur 85 Prozent oder noch weniger. Die Anlage könnte auch mal außer Betrieb sein.“
Diesen Plan würde der Betrieb dann mit dem zuständigen Dienstleister festlegen. „Welche technischen Folgen das für den Motor hat, wissen wir nicht. Dazu kommen viele gesetzliche Auflagen, die man erfüllen muss.“
Neben Strom habe die Lichtenberger Agrar auch Wärme bislang kontinuierlich und nicht mit Unterbrechungen produziert. „Wenn der Motor stillsteht, entsteht auch keine Wärme. Ich kann noch nicht sagen, was das für die Abnehmer unserer günstigen Abwärme bedeutet und ob wir die jetzigen Preise gewährleisten können.“
Agrofarm Herwigsdorf will Biogasanlagen halten
Die Firma Agrofarm aus dem Rosenbacher Ortsteil Herwigsdorf im Landkreis Görlitz steht vor ähnlichen Herausforderungen. Sie betreibt mehrere Biogasanlagen, produziert damit Ökostrom und nutzt die Abwärme für die Heizung der Ställe und Betriebsgebäude. Für eine Anlage endet die EEG-Förderung bereits Ende Dezember.
Wie die Kollegen in Lichtenberg habe man erfolgreich an einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur teilgenommen. Für den eingespeisten Strom gibt es also auch künftig Geld, allerdings deutlich weniger als bisher, sagt Agrofarm-Vorstand Matthias Döcke.
Der Wille des Gesetzgebers ist klar. Er will, dass der Strom kommt, wenn Dunkelflaute ist oder zu Tageszeiten, wenn viel Strom benötigt wird. – Matthias Döcke, Vorstand der Agrofarm Herwigsdorf eG
„Und wir müssen die Anlage für die nächsten zehn Jahre flexibilisieren. Der Wille des Gesetzgebers ist klar. Er will, dass der Strom kommt, wenn Dunkelflaute ist oder zu Tageszeiten, wenn viel Strom benötigt wird.“

Quelle: Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Die Herwigsdorfer haben die betreffende Anlage einmal überbaut. Das heißt, statt einer konstanten Leistung von 550 KW könne sie nun bis zu 1100 KW erreichen. „Das erfordert aber hohe Investitionen, in ähnlichem Ausmaß wie die Installation der Anlage vor 20 Jahren“, sagt Matthias Döcke.
Er halte es für übertrieben, aber die Agrofarm wolle die Anlagen behalten, wegen der Wärme für die eigenen Gebäude. „Und die Gülle riecht seit 20 Jahren nicht mehr so stark. Daran haben sich die Leute in der Umgebung gewöhnt.“ Auch für ihre Biogasanlage in Eiserode habe sich die Agrofram erfolgreich an einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur beteiligt. Dort läuft die bisherige Förderung 2027 aus.
SZ


