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Porsche-Chef Oliver Blume geht: Hoffen und Bangen im Leipziger Werk

Im Leipziger Porsche-Werk schaut man gebannt auf die Vorgänge an der Spitze des Unternehmens. Nach dem Rückzug von Konzernchef Oliver Blume fragt sich die Belegschaft vor allem, ob sich sein Nachfolger für eine bessere Auslastung in Leipzig durch neue Modelle einsetzt.

Lesedauer: 5 Minuten

Andreas Dunte

Leipzig. Geklammert hat er an seiner Doppelrolle nie. Jetzt ist klar, dass Oliver Blume Ende des Jahres als Porsche-Chef zurücktritt, um sich voll auf seine Position als Vorstandschef bei Volkswagen zu konzentrieren. Zugleich hat der Porsche-Aufsichtsrat den früheren McLaren-Chef Michael Leiters zu Blumes Nachfolger bei dem Stuttgarter Autobauer bestimmt.

In Leipzig schaut man mit Hoffen und Bangen auf die personelle Entscheidung und die Zukunft des Standortes. Blume gilt als ein Manager, der sich bestens auskennt im Werk, bei sächsischen Zulieferern und Partnern. Im Gespräch mit dieser Zeitung hatte er geschwärmt: „Ich persönlich bin ein großer Fan von Leipzig.“

„Leipziger Mannschaft ist hochkompetent“

Der 57-jährige gebürtige Braunschweiger begleitete in seiner Zeit als Porsche-Produktionsvorstand den Bau der neuen Fabrik für das sportliche SUV Macan in Leipzig. „Ich schätze die Leipziger Mannschaft als hochkompetent ein – ein tolles Werk.“

Laut Siegfried Bülow, langjähriger Werkschef in Leipzig, hat der Standort Oliver Blume viel zu verdanken. Er bezeichnet ihn sogar als Glücksfall für das Werk. Bevor Blume zu Porsche kam, war er lange Jahre für Audi, Seat und VW tätig. Ob beim Aufbau des Karosseriewerks oder in der Fertigung – Blume habe viel vom Knowhow der Wolfsburger mit nach Sachsen gebracht.

Bülow erinnert sich noch sehr genau an diese Phase. Seine gute Laune sei ansteckend gewesen. „Er ist menschlich einfach klasse.“

Kritik aus Wolfsburg am „Halbtags-Chef“

Die Kritik an Oliver Blumes Doppelrolle nahm zuletzt zu. So monierte die VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo bei einer Betriebsversammlung vor wenigen Wochen: „Der Vorstandsvorsitzende kann in Wolfsburg kein Halbtags-Chef sein und die restliche Zeit bei Porsche verbringen.“ Dieser Zustand müsse enden.

2013: Der damalige Chef des Leipziger Porsche-Werks Siegfried Bülow an der Seite von Oliver Blume (l.), damals Produktionsvorstand des Stuttgarters Sportwagenbauers.
2013: Der damalige Chef des Leipziger Porsche-Werks Siegfried Bülow an der Seite von Oliver Blume (r.), damals Produktionsvorstand des Stuttgarters Sportwagenbauers, im Leipziger Werk.
Quelle: Christian Nitsche

„Aus meiner Sicht hat das Oliver Blume schon gut gemeistert“, sagt hingegen Steffen Reißig, IG Metall-Chef von Leipzig. Klar sei aber, dass auch für Oliver Blume „der Tag nur 24 Stunden hat und die Belastungen bei Porsche wie VW nicht weniger geworden sind“. Reißig meint damit unter anderem die Unsicherheit durch die US-Zölle, die Herausforderungen in China sowie den schwierigen Hochlauf der E-Mobilität.

SUV im Macan-Format kommt 2030 auf den Markt

Die Personalie fällt in eine Zeit, in der man in Leipzig sehnsüchtig auf den Zuschlag für ein neues Modell wartet. Nach dem Generationswechsel läuft der aktuelle Macan nur noch in der E-Variante vom Band. Leipzig baut zwar das Vorgänger-Modell mit Benzinantrieb weiter, aber das Ende der Fertigung ist bereits besiegelt.

Im Interview mit dem Magazin „Auto Motor Sport“ hat Oliver Blume jetzt bestätigt, dass das Unternehmen einen neuen SUV im Macan-Format mit Verbrennungsmotor und Plug-in-Hybrid-Antrieb entwickelt. Dabei handele es sich um eine eigenständige Modellreihe. Das Fahrzeug soll bis spätestens 2030 auf den Markt kommen.

Ex-Werkschef Bülow geht davon aus, dass das Werk den Zuschlag zum Bau des neuen SUV erhält. Der Standort sei dafür bestens geeignet.

Ich habe Michael Leiters als technisch sehr bewandert, nahbar und zugleich konsequent kennengelernt. – Siegfried Bülow, Ex-Porsche-Cchef in Leipzig

In Stein gemeißelt sei das noch nicht, gibt Betriebsratschef Knut Lofski zu bedenken. Und fügt an, dass man im Werk sehnsüchtig auf die Entscheidung wartet, den M1 – so die interne Bezeichnung für das SUV in Macan-Größe – bauen zu dürfen. Er erinnert an die Bilanzvorstellung im März dieses Jahres, wo Oliver Blume den Leipzigern Hoffnung gemacht hatte.

Wirtschaftlichkeit des Werkes ist entscheidend

Blume hatte damals auf Nachfrage dieser Zeitung gesagt, er rechne damit, dass das Leipziger Werk seinen Hut in den Ring wirft und sich als Produktionsstandort für das neue Modell ins Spiel bringt. „Leipzig hat hier gute Chancen“, sagte er. Zugleich gab er zu bedenken: Letztlich entscheide aber die Wirtschaftlichkeit, welcher Standort den Zuschlag bekommt.

Bei Produktivität, Effizienz und Kosten galt das Leipziger Werk in der Vergangenheit als Primus im Konzern. Knut Lofski bestätigt das. Allerdings würden sich mit sinkender Auslastung die Kennziffern nicht gerade verbessern.

„Wir unternehmen alles, um das neue Modell an den sächsischen Standort zu holen“, versichert Steffen Reißig von der IG Metall, der auch Mitglied im Aufsichtsrat von Porsche ist. Er gehe davon aus, dass dazu in den nächsten Wochen, also noch vor Amtsantritt von Michael Leiters, eine Entscheidung fällt. „Diese Entscheidung muss schnell her, wir brauchen sie zügig.“

Zwar ziehen die Absatzzahlen vom E-Macan spürbar an. Mit einem Zuwachs von 18 Prozent verzeichnete der Leipziger Sportwagen in den ersten drei Quartalen dieses Jahres das stärkste Wachstum unter den sechs Modellreihen des Herstellers.

Vom Dreischicht- in den Zweischicht-Betrieb

Allerdings endet Mitte kommenden Jahres in Leipzig die Fertigung des Macan mit Benzinmotor. Deshalb nimmt man bereits Anpassungen in der Produktion vor. Im Bereich Karosseriebau für den Macan ist man in den Einschichtbetrieb übergegangen. Für die Gewerke Montage, Lackiererei und Achsmontage gilt ab November ein Zweischicht-Betrieb. Bislang wird im Dreischicht-System produziert.

Designierter Nachfolger: Michael Leiters soll bei Porsche auf Oliver Blume nachfolgen.
Designierter Nachfolger: Michael Leiters soll bei Porsche auf Oliver Blume nachfolgen.
Quelle: McLaren

Den neuen Chef Michael Leiters erwarten große Herausforderungen. Dabei dürfte ihm zugutekommen, dass er Porsche kennt, denn der 54-Jährige promovierte Maschinenbauer war zwischen 2000 und 2013 bei dem Unternehmen tätig, stand dem damaligen Chef Wendelin Wiedeking als dessen Assistent zur Seite.

Auch Siegfried Bülow kennt ihn aus dieser Zeit. Dass der ehemalige McLaren-Chef jetzt an die Porsche-Spitze wechselt, sieht Bülow äußerst positiv. Leiters war in der Aufbauphase des Werks Projektleiter für den Cayenne, das erste Fahrzeug, das am sächsischen Standort gefertigt wurde. „Ich habe Michael Leiters als technisch sehr bewandert, nahbar und zugleich konsequent kennengelernt“, sagt Bülow. Der in Essen geborene Ingenieur habe die Gabe, Kräfte zu bündeln und Menschen für ein Produkt zu begeistern. Das brauche es jetzt. Denn aktuell sei die Stimmung im Werk gedrückt.

Die Hälfte der Leihkräfte musste schon gehen

Verständlich. Denn von der Auslastung des Werks hängt die Beschäftigung ab. In Stuttgart haben Porsche und der Betriebsrat Mitte Oktober erste Gespräche über eine Verschärfung des Sparkurses geführt. Bereits Anfang des Jahres waren Sofortmaßnahmen beschlossen worden, um Personalkosten für das laufende Jahr zu senken. Dazu zählt der sozialverträgliche Abbau von 1900 Jobs in der Region Stuttgart.

Für Leipzig wird separat verhandelt. Die Auswirkungen des Sparkurses sind aber schon zu sehen. So hat sich Porsche bereits von mehr als der Hälfte der rund 1000 Zeitarbeitnehmer getrennt. Auch die verbliebenen Leihkräfte haben aller Voraussicht nach keine Zukunft in dem Unternehmen.

Vom Werk sind zahlreiche Zulieferer in der Region abhängig. Zudem hat Porsche mit dem Werkzeugbau in Schwarzenberg im Erzgebirge eine 100-prozentige Tochter mit rund 400 Beschäftigten in Sachsen. Seit mehr als 125 Jahren werden in Schwarzenberg Großwerkzeuge gebaut.

2015 haben die Stuttgarter den Werkzeugbau übernommen und technologisch weiterentwickelt. Die in Schwarzenberg gebauten tonnenschweren Umform- und Schneidwerkzeuge kommen unter anderem im Presswerk (Smart Press Shop) in Leipzigs Nachbarstadt Halle zum Einsatz. Hier werden komplexe Bauteile aus millimeterdünnem Aluminiumblech für Porsche-Karosserien, aber auch für andere Hersteller produziert. Das Presswerk ist ein Joint Venture des Sportwagen-Herstellers und dem Umform-Spezialisten Schuler mit aktuell 160 Beschäftigten.

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