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Schlechtere Jobaussichten? KI verändert den Arbeitsmarkt in Sachsen

Die Zahl der Stellenanzeigen für Berufseinsteiger sinkt, auch in Sachsen. IT-Firmen, Beratungshäuser und Kanzleien setzen mehr KI-Tools ein. Doch kostet das wirklich schon Arbeitsplätze in Sachsen?

Lesedauer: 4 Minuten

Nora Miethke und Johann-Christoph Landgraf

Dresden/Leipzig. Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt so rasant wie keine andere neue Technologie vorher. Unternehmen versprechen sich davon einen Gewinn an Schnelligkeit – und das könnte zulasten typischer Einstiegsjobs gehen.

Tatsächlich brauchen Hochschulabsolventen und -absolventinnen derzeit bei der Suche nach dem ersten Job viel Geduld. Zwar sind 80 Prozent der Abgänger und Abgängerinnen der TU Dresden innerhalb von zwei Jahren erwerbstätig. Aber sie müssen mehr Bewerbungen schreiben als früher, hieß es bei der Vorstellung der vierten Absolventenstudie der TU Dresden im August. Allerdings fand die Befragung für die Studie im Jahr 2023 statt. Seitdem hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verdüstert.

Analyse: KI-Tools übernehmen häufiger Aufgaben von Berufseinsteigern

In den USA gibt es laut einer Studie des Job-Portals Indeed derzeit ein Drittel weniger Jobangebote für Junior-Stellen in der Tech-Branche als vor fünf Jahren. In Deutschland zählte die Karriereplattform Stepstone bei einer Analyse von über vier Millionen Stellenanzeigen in den ersten drei Monaten dieses Jahres 45 Prozent weniger Einstiegspositionen als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.

Auffällig ist, dass die Anzahl der Einstiegsjobs für junge Anwälte, Softwareentwickler oder Unternehmensberater stark zurückgeht. Ein Teil davon lässt sich durch die wirtschaftliche Lage erklären. Die Unternehmen sind vorsichtiger bei Neueinstellungen. Nach einer Analyse des „Handelsblattes“ liegt es aber auch daran, dass KI-Tools immer häufiger Aufgaben übernehmen, die bislang Berufseinsteiger erledigt haben. „Früher arbeiteten zwei Junioren mit einem Senior. Heute ersetzt die KI die Junioren“, zitiert das Blatt den Vizepräsidenten des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen, Harald Fortmann. So können KI-Tools riesige Datenbanken in kürzester Zeit nach relevanten Informationen durchforsten und verarbeiten, um strategische Entscheidungen in Unternehmen vorzubereiten oder um rechtliche Probleme zu analysieren. Auch ist die KI schneller beim Suchen fehlerhafte Vertragsklauseln als Menschen, alles Routineaufgaben, bei denen Berufseinsteiger oft erste Erfahrungen sammeln sollen.

Stabile Beschäftigung, aber weniger neue Stellen in Sachsen

Ist dieser Trend auch in Sachsen zu beobachten? Der Jobmonitor der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass auch in Sachsen seit dem Jahr 2022 die Online-Stellenanzeigen für Unternehmensberater und Softwareentwickler stark rückläufig sind. Bei Anwälten sind die Stellengesuche ohnehin geringer, aber stabiler im Jahresvergleich.

Ein kleiner Faktencheck bei der Landesarbeitsagentur in Chemnitz ergibt, dass es in den drei Branchen zwar eine relativ stabile Beschäftigungssituation gibt, aber laut der Stellenstatistik die Zugänge gemeldeter Arbeitsstellen rückläufig sind. Kräftig ist der Rückgang im Bereich Verwaltung von Unternehmen und Unternehmensberatung. Dort sank der Zugang gemeldeter Stellen von 9256 im Jahr 2023 auf 7988 im Jahr 2024. Auch im Bereich Rechts- und Steuerberatung sowie Wirtschaftsprüfung ist der Zugang gemeldeter Stellen rückläufig von 1012 auf 813.

Personalvermittler: KI nicht der Grund für Stellenrückgang

Die Personalberatung Hapeko Deutschland GmbH sieht laut eigenen Angaben für die Region Ost – zu der insbesondere Dresden und Leipzig gehören – im Jahr 2025 weniger Anfragen und Mandate für die Besetzung von Berufseinstiegspositionen in dienstleistungsorientierten Rollen als noch 2023 und 2024. „Dies gilt für sämtliche Erfahrungsstufen mit einem Gehaltsniveau bis 60.000 Euro, nicht nur für Junior-Stellen“, sagt Nikolaus Addicks, Regionalleiter Ost bei Hapeko.

Der Grund: Fast alle Unternehmen agieren aktuell zurückhaltend. Neueinstellungen würden verschoben oder ganz gestrichen werden und Investitionen zögerlich entschieden, skizziert Addicks die Lage. Gerade der letzte Punkt wirkt sich auf die Nachfrage in dienstleistungsnahen Branchen wie Beratung, Legal Services oder im IT-Segment aus. Folglich verzeichnen auch die Dienstleister selbst – darunter Unternehmensberatungen, Anwaltskanzleien und IT-Unternehmen – einen geringeren Personalbedarf. Besonders betroffen sind wissensintensive Tätigkeiten und Kopfarbeiter-Jobs, die typischerweise für Wachstum in diesen Branchen stehen.

„Entgegen mancher Vermutungen sehen wir jedoch keine eindeutigen Hinweise darauf, dass Künstliche Intelligenz hier bereits Junior-Positionen ersetzt“, so Addicks. Vielmehr sei es so, dass Arbeitgeber in wirtschaftlich unsicheren Phasen erfahrene Fach- und Führungskräfte bevorzugen würden, die sie kurzfristig produktiv einsetzen könnten.

Beratungshaus Forvis Mazars stellt ein

Offenbar gegen den Trend hat Forvis Mazars, eine der größten Beratungsgesellschaften in Deutschland, auch in diesem Jahr Berufseinsteiger in Sachsen und Mitteldeutschland eingestellt – sowohl in der Wirtschaftsprüfung als auch in den Beratungsbereichen. „Die Zahl der Neueinstellungen bewegt sich auf einem stabilen Niveau, wobei es je nach Geschäftsbereich und Projektlage natürliche Schwankungen geben kann“, betont Jan Kochta, Partner und Mitglied des Management Boards. Er leitet von Dresden aus die globale Rechtsberatung für Forvis Mazars. Die Niederlassungen in Dresden und Leipzig zählen jeweils rund 100 Mitarbeitende.

Allerdings würde Künstliche Intelligenz die Branche spürbar und mit einer unfassbaren Geschwindigkeit verändern. „Wir automatisieren viele Routinetätigkeiten, wodurch sich unsere Mitarbeitenden stärker auf Analyse, Beratung und die Interpretation komplexer Sachverhalte konzentrieren können“, so Kochta. Zunehmend werde KI auch als Sparringspartner genutzt, die kritische Bewertung und finale Einordnung bleibe aber nach wie vor den Menschen vorbehalten, betont der Rechtsanwalt.

Forvis Mazars investiert nach eigenen Angaben gezielt in KI und digitale Lösungen, aber auch in die Weiterbildung der Mitarbeitenden. Das Beratungsgeschäft werde gerade im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausgebaut. „Das bedeutet: Wir schaffen keine Arbeitsplätze ab, sondern entwickeln Rollen weiter“, stellt Kochta klar.

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