Leipzig/Dresden. Der Luftverkehr in Deutschland kommt Jahre nach dem Corona-Einbruch nicht in Schwung – das bekommen auch Fluggäste in Sachsen zu spüren. An den Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden streichen Airlines Verbindungen, und viele Passagiere sehnen sich nach neuen Strecken. Was sind die Gründe, und wie geht es nun weiter? Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), gibt Antworten.
Herr Lang, haben Sie persönlich Erfahrungen mit den sächsischen Flughäfen gemacht?
Ja, denn ich bin bereits ab Sachsen geflogen: Von Dresden ging es beispielsweise nach Düsseldorf.
Aus eigener Erfahrung: Wie attraktiv sind die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden?
Da fällt meine Antwort kurz aus: Ich habe dort nie warten müssen, etwa an der Sicherheitskontrolle. Aber ernsthaft: Alle dezentralen Flughäfen haben ein Anbindungsproblem. Leipzig und Dresden bilden da keine Ausnahme. Die Konnektivität leidet, wenn Airlines Maschinen aus Deutschland abziehen.
Sie sprechen es an: Ryanair streicht auch ab Dresden und Leipzig Verbindungen, ebenso wie die Lufthansa Group. Warum ziehen Airlines Flugzeuge aus Deutschland ab?
Es ist eine völlig nachvollziehbare wirtschaftliche Entscheidung. Nehmen wir einen Flug ab Dresden oder Leipzig nach Mallorca: Die Airlines müssen für eine Strecke 4700 Euro an Abgaben und Steuern bezahlen, nur, dass sie überhaupt fliegen können. Lassen Sie uns nach Tschechien blicken: Startet die Maschine in Prag, sind es nur 500 Euro Kostenbelastung. Da muss man kein Mathematik-Genie sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen: Die Airlines setzen ihre Maschinen lieber auf profitableren Strecken ein. Das gilt erst recht in Zeiten, in denen es weltweit zu wenig Flugzeuge gibt.

Quelle: Michael Strohmeyer
Woraus setzen sich diese 4700 Euro Belastung zusammen?
Etwa die Hälfte macht die Luftverkehrsteuer aus. Hinzu kommen die Kosten für Sicherheitskontrollen, die jetzt auf maximal 15 Euro pro Person angehoben wurden. In Dresden liegen sie bei diesem Höchstbetrag, Leipzig ist noch etwas darunter. Der dritte große Posten sind die Kosten der Flugsicherung – sowohl die regulären als auch Altlasten aus der Corona-Zeit. Damals wurde nicht geflogen, aber die Flugsicherung musste in Betrieb bleiben. Die dadurch entstandenen 1,2 Milliarden Euro Verluste müssen nun über sieben Jahre von den Passagieren abgetragen werden. Andere Länder machen das anders.
Der Staat ist zu gierig geworden beim Abkassieren der Passagiere. – Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft
Welche Folgen hat diese Kostenbelastung im europäischen Vergleich?
Die Luftverkehrsteuer gibt es nur in neun von 27 EU-Mitgliedstaaten, und sie ist bei uns am höchsten. Das verzerrt den Wettbewerb massiv. Würden wir die Steuer streichen, lägen wir etwa im europäischen Durchschnitt. Dann würden Airlines auch wieder mehr ab Deutschland fliegen.
Der Dresdner Flughafen hat einen Standortnachteil
In Sachsen befindet sich der Flughafen Dresden relativ nahe am Airport in Prag. Was bedeutet das für den Flughafen der sächsischen Landeshauptstadt?
Das ist ein wichtiger Punkt: Tschechien hat keine Luftverkehrsteuer, ein Flug ab Prag kostet eine Airline wie gesagt nur 500 Euro an staatlichen Abgaben. Die Entscheidung für Fluggesellschaften ist daher einfach: Sie starten lieber ab Prag. Für Airlines wie Ryanair oder EasyJet ist es derzeit nicht attraktiv, von deutschen Flughäfen zu fliegen – erst recht nicht, wenn es jenseits der Grenze deutlich günstiger ist. Das schadet allen Airports – sie müssen schließlich ihre Infrastruktur unterhalten, auch, wenn sie weniger genutzt wird.
Zur Person
Joachim Lang (57) ist seit Juli 2024 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Von 2017 bis 2022 war er Hauptgeschäftsführer des größten europäischen Industrieverbandes, des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Vor seinem Wechsel zum BDL war er als Geschäftsführer einer Strategieberatung tätig.
Und was heißt das für Fluggäste?
Sie kehren den sächsischen Flughäfen im schlimmsten Fall den Rücken zu und starten im Ausland. Denn das Fliegen ist hier für die Fluggäste teurer: Die Airlines reichen die hohen Kosten an die Passagiere weiter, die sie letztendlich bezahlen – anders geht es auch gar nicht. Wenn Sie allein reisen, leisten Sie es sich vielleicht noch, mehr für einen Flug ab Leipzig oder Dresden zu zahlen. Aber als Familie mit zwei Kindern überlegen Sie schon, ob Sie nicht lieber ausweichen.
Es klingt, als seien die Flughäfen dieser Situation ausgeliefert. Können die Betreiber da überhaupt etwas tun?
Die Möglichkeiten der Flughäfen sind beschränkt, das gilt auch für Sachsen. Es ist im Wesentlichen eine politische Entscheidung, für Erleichterung zu sorgen. Zugespitzt gesagt: Der Staat ist zu gierig geworden beim Abkassieren der Passagiere.
Hohe Kosten belasten die Branche
Was fordern Sie von der neuen Bundesregierung?
Das Wichtigste ist, dass Deutschland von diesen 4700 Euro Belastung herunterkommt, damit Airlines wie EasyJet und Ryanair zurückkehren und deutsche Fluggesellschaften ihr Angebot wieder ausbauen können. Was wir in Leipzig und Dresden sehen, passiert genauso in Stuttgart, Dortmund und Hamburg. Überall werden Verbindungen gestrichen oder reduziert.

Quelle: Archiv/dpa/Sebastian Kahnert
Sehen Sie Bereitschaft in der Politik, Ihre Vorschläge aufzugreifen?
Die Botschaft ist jedenfalls angekommen: Die Politik kann mit einem Schlag den Luftverkehr in Deutschland wiederbeleben. In Europa wird so viel geflogen wie nie zuvor – nur Deutschland nimmt an diesem Boom nicht teil.
Jetzt könnte man es auch so sehen: Für das Klima ist es doch gut, wenn weniger geflogen wird.
Ich kenne diese Argumentation. Allerdings wird mitnichten weniger geflogen, der Verkehr wird nur verlagert. Die Maschinen werden schlichtweg in anderen Ländern eingesetzt – das ist kein Beitrag zum Klimaschutz! Echten Klimaschutz erreichen wir mit Milliardeninvestitionen in moderne Flugzeuge und den Einsatz von nachhaltigen Kraftstoffen. Am Beispiel Ryanair konnten wir nachverfolgen: Die Flugzeuge, die jetzt aus Leipzig, Dresden oder Dortmund abgezogen werden, kommen zum Sommerflugplan 2025 in Schweden zum Einsatz. Der Grund: Schweden wird die Luftverkehrsteuer wieder abschaffen, damit werden die Ticketpreise dort ab Sommer wieder sinken. Deutschland wird derweil abgehängt.
Der Verband
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) bündelt und vertritt die Interessen seiner Mitglieder. Darunter sind deutsche Fluggesellschaften, Flughäfen, die Flugsicherung und Bodenverkehrsdienstleister.
Flughäfen in Sachsen setzen auf touristische Ziele
Bisher haben Sie allein von den Kosten gesprochen. Trägt nicht auch die schlechte Wirtschaftslage in Deutschland zu den Problemen bei? Schließlich war die Konsumlaune lange Zeit im Keller und erholt sich nur schleppend.
Das können wir nicht erkennen. Es gibt Länder mit schlechter ökonomischer Entwicklung, in denen der Luftverkehr trotzdem boomt. Wir haben in Deutschland ein Angebotsproblem, kein Nachfrageproblem. Die Ausgabebereitschaft für Urlaub ist trotz Krise hoch. Aber die Airlines nehmen Deutschland wegen der hohen Kosten gar nicht mehr in ihre Streckenpläne auf.
Die Flughäfen in Sachsen wollen die touristischen Verkehre weiter ausbauen. Was halten Sie von der Strategie?
Angesichts der Entwicklungen ist das nur folgerichtig. Nicht nur Leipzig und Dresden, alle versuchen, mehr auf Tourismus zu setzen – mehr Mallorca, mehr Antalya, mehr Hurghada. Das löst aber unser Problem als Wirtschaftsstandort nicht. Die Unternehmer aus Sachsen und Sachsen-Anhalt wollen zu ihren Kunden, und die sitzen in einer exportorientierten Wirtschaft nicht in Hurghada, sondern in Frankreich, England oder Spanien. Und sie kommen einfach nicht mehr dorthin. Das ist ein Problem für unseren Wirtschaftsstandort.