Von Annett Kschieschan
Dresden. Frauen und Technik? Aber selbstverständlich. Zum Beispiel in der Gießerei, im Maschinenbau und in der Werkstoffprüfung. Franka Kränkel, Julia Thoss, Larissa Fleischer und Pia Knoll haben es in genau diesen Bereichen zu den Besten ihres Fachs gebracht. Genauer gesagt zu den besten Auszubildenden beziehungsweise den besten dualen Studierenden in Sachsen. Sie sind vier von insgesamt 15 jungen Leuten, die vor Kurzem von Ministerpräsident Michael Kretschmer und Arbeitgeberpräsident Dr. Jörg Brückner im Transformatorenwerk der Siemens Energy Global GmbH & Co. KG in Dresden für ihre herausragenden Leistungen ausgezeichnet wurden. Der Ort war nicht zufällig gewählt. Siemens Energy bildet selbst aus – und das ebenfalls preisverdächtig. Das Unternehmen wurde als „bester Ausbildungsbetrieb“ in der Kategorie „Über 1.000 Beschäftigte“ ausgezeichnet. Was läuft hier anders als anderswo?
Wer heute ausbildet, steht vor anderen Problemen als noch vor einem Jahrzehnt. Der Fachkräftemangel ist zuerst ein Nachwuchsmangel. Unter dem leidet auch die sächsische Metall- und Elektroindustrie. Fast überall gibt es deutlich mehr freie Lehrstellen als Bewerber. Und längst nicht jeder junge Mensch, der eine Ausbildung beginnt, bringt sie auch zu Ende.
Starke Branche wirbt um Nachwuchs
All das weiß man bei Siemens Energy nur zu gut. Und hat trotzdem nie daran gezweifelt, dass es sinnvoll ist, in die nächste Generation zu investieren, ihr eine Perspektive zu geben – und sich dabei gleichzeitig für ihre eigene Perspektive zu interessieren.
Denn der Blickwinkel der Jungen ist wichtig, wenn es um die Zukunftsfähigkeit in Zeiten von KI und Virtual Reality geht. Der Nachwuchs sei nicht weniger als die „Basis der Erfolgsgeschichte“ der sächsischen Metall- und Elektroindustrie, betont man dementsprechend auch bei Sachsen-Metall, dem Dachverband der Metall- und Elektroindustrie im Freistaat.
Und diese Geschichte kann sich auch in wirtschaftliche schwierigen Zeiten durchaus sehen lassen. Zur Branche gehören nach Verbandsinformationen rund 182.000 Beschäftigte in knapp 1.700 Betrieben. Exportiert wird das hier Produzierte in knapp 200 Länder.
Wer sehen wollte, womit die hiesigen Hersteller auch international überzeugen, konnte das bei einem Betriebsrundgang anlässlich der Preisverleihung bei Siemens Energy im Dresdner Norden tun. Das Unternehmen bildet nahezu die gesamte Wertschöpfungskette im Bereich Energie ab. Gasturbinen, Dampfturbinen, Generatoren, Transformatoren und Verdichter gehören zum Portfolio von Siemens Energy. Weltweit zählt das Unternehmen rund 100.000 Mitarbeiter, ist in über 90 Ländern aktiv.
Und in Dresden? Arbeitet man mit an der Energieversorgung von morgen. Natürlich mit dem Nachwuchs im Boot. „Ausbildung ist eine Investition in die Zukunft. Mit gestrigen Lernmethoden lassen sich junge Menschen heute nicht mehr begeistern. Wir haben vor zwei Jahren ein völlig neues Ausbildungskonzept eingeführt: weniger verschult, dafür mit mehr Eigenverantwortung und Flexibilität, Duz-Kultur und völlig neuen Lernmethoden. Da kann eine Projektarbeit auch mal nachmittags im Café um die Ecke stattfinden“, so Christoph Kunz, Leiter Ausbildung bei Siemens Energy.
Die Abbrecherquote ist gesunken
Das Konzept kommt an. Zum Ausbildungsstart im September haben in Deutschland rund 500 junge Menschen eine Ausbildung oder ein duales Studium bei Siemens Energy begonnen. Das Unternehmen zählt damit nun insgesamt rund 2.500 Auszubildende und dual Studierende in 33 Ausbildungs- und Studiengängen. Dazu gehören Industriemechaniker, Mechatroniker und Elektroniker, die bundesweit in sechs Ausbildungs-Zentren lernen. Neben Berlin, Erlangen Hamburg, Mülheim an der Ruhr und Paderborn gehört auch Görlitz zu den Ausbildungsstandorten des Unternehmens. Hier will man mehr tun, als Wissen und Handwerk ganz klassisch zu vermitteln. Das neue Ausbildungskonzept wurde zusammen mit Generationen- und Hirnforschern gezielt für junge Menschen der Generationen Z und Alpha entwickelt. Denn die ganz Jungen haben oft andere Prioritäten als die Generationen davor. Sie wollen, dass ihre Arbeit sinnstiftend ist, aber auch Platz zum Leben lässt. Nach einer Umfrage der Internationalen Hochschule (IU) gehören Flexibilität und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele der Befragten zu den wertvollsten Aspekten im Job. Wichtiger als das Gehalt ist den Befragten die Möglichkeit, sich selbst organisieren zu dürfen, etwa durch Homeoffice-Regelungen und Mitbestimmung bei den Arbeitszeiten. „Junge Leute haben ein hohes Bewusstsein für ihre eigenen Bedürfnisse. Dies ist keineswegs ein Ausdruck von mangelnder Leistungsbereitschaft, sondern ein Versuch, nachhaltig mit ihren physischen und mentalen Kräften zu haushalten“, so Anastasia Hermann, Professorin für Personalmanagement und Prorektorin Qualität der Lehre an der IU.
Die moderne Arbeitswelt sei „komplex und von vielen, kaum zu vorhersagbaren Veränderungen geprägt. Berufe verändern sich, neue Kompetenzen müssen erlernt werden und das bleibt den Studierenden nicht verborgen und erklärt den hohen Stellenwert der Flexibilität“, so die Wissenschaftlerin weiter. Unternehmen, die das erkennen und bei der Werbung um Nachwuchs auch tatsächlich umsetzen, haben demnach die besten Chancen, ihre Lehrstellen zu besetzen.
Siemens Energy hat gute Erfahrungen mit der Neuausrichtung gemacht. Das neue Konzept komme bei den Auszubildenden sehr gut an. Ein Zeichen dafür: Die Abbrecherquote ist seit der Einführung gesunken, die Zufriedenheit unter den jungen Leuten gestiegen.
Die Auszeichnung als bester Ausbildungsbetrieb kommt nun noch obendrauf. Stolz waren bei der Preisverleihung Ende August im Siemens Energy-Werk Dresden am Ende jedenfalls alle: Azubis, Studierende, Ausbilder und Geschäftsführung.


