Von Georg Moeritz
Dresden. Belegschaftsversammlung und Protest bei Solarwatt an der Dresdner Grenzstraße: Vor dem Werksgelände hielten am Freitag zwei Demonstranten ein Transparent hoch, mit dem sie gegen die Verlagerung der Produktion nach China protestierten. Im Betrieb erfuhren unterdessen die Beschäftigten der Solarmodulfabrik, dass sie sich auf freie Stellen in anderen Abteilungen von Solarwatt bewerben können oder neun Monate lang in einer Transfergesellschaft weiter beschäftigt werden.
Ende Juli endet die Produktion von Solarmodulen in dem Dresdner Unternehmen. Das hatte Geschäftsführer Detlef Neuhaus bereits Ende April bekannt gegeben. Die Manager Sven Schwarz und Peter Bachmann räumten am Freitag auf Nachfrage ein, dass auch die eigene Herstellung von Akkus für den Solarstrom ausläuft, und zwar zum Jahresende.
Bachmann sagte, in der kommenden Woche komme jedoch noch eine neue Generation von Stromspeichern auf den Markt, die in Dresden produziert werde. Er bat darum, das bevorstehende Ende der Produktion nicht als das Ende von Solarwatt darzustellen. Das Unternehmen mit insgesamt 750 Beschäftigten habe weiterhin große Chancen am Markt. Der größte Teil der Belegschaft sei im Vertrieb oder anderen Abteilungen tätig.
Jobmesse und Transfergesellschaft für die Beschäftigten
Das Ende der Produktion in Dresden trifft nach früheren Angaben rund 190 Beschäftigte. Davon arbeiten etwa 40 in der Produktion von Akkus. Die war 2018 nach dem Kauf einer Firma aus dem Rheinland nach Dresden verlegt worden. Im Juni sollen Gespräche mit den Beschäftigten über einen möglichen Einsatz in anderen Geschäftszweigen wie Installation, Vertrieb oder Service stattfinden.
Schwarz sagte, auch andere Unternehmen hätten Interesse an Mitarbeitern gezeigt. Daher finde im Juli eine Jobmesse bei Solarwatt statt, bei der freie Stellen aus der Umgebung angeboten würden. An der Grenzstraße finden sich Tafeln, auf denen beispielsweise der Mikrochiphersteller X-Fab Elektrotechniker und Industriemechaniker sucht. Der Chemikalien-Logistiker Kinetics wirbt wenige Schritte weiter um Monteure und Verfahrensingenieure.

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Bis zu 171 Solarwatt-Beschäftigte können zum August in eine Transfergesellschaft wechseln. Dort bekommen sie neun Monate lang Transferkurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur. Solarwatt stockt es etwas auf, sodass 80 Prozent des bisherigen Gehalts gezahlt werden. Sven Schwarz sagte, dies sei eine faire Lösung, die gemeinsam mit dem Betriebsrat gefunden worden sei. Die Transfergesellschaft wird vom Unternehmen PTG organisiert, das schon einmal von Solarwatt bei einem großen Stellenabbau engagiert wurde: Nach der Insolvenz im Jahr 2012 war das Unternehmen um 200 auf 145 Stellen geschrumpft, später wieder stark gewachsen. Voriges Jahr mussten 85 Beschäftigte das Unternehmen verlassen.
Solarwatt importierte schon Module aus China
Bachmann erinnerte daran, dass nach der Insolvenz vor mehr als zehn Jahren eine Produktionslinie stillgelegt und später wieder hochgefahren wurde. Auch diesmal blieben die Maschinen in Dresden erhalten, Wartungspersonal werde sich darum kümmern. Geschäftsführer Neuhaus hatte im April gesagt: „Wenn sich die Marktbedingungen bessern, können wir so die deutsche Produktion schnell wieder hochfahren.“
Schon in den vergangenen Jahren hat Solarwatt den größeren Teil seiner Solarmodule in China herstellen lassen, zuletzt 80 Prozent. Das Unternehmen betonte jedoch, den Auftragsfertigern in Asien werde alles aus Deutschland vorgegeben, sodass Solarwatt sein „Qualitätsversprechen“ einhalten könne.
Solarwatt begründete das Ende der Modulproduktion in Deutschland mit dem „aggressiven Verdrängungswettbewerb“. Zuvor hatte auch Meyer Burger sein Solarmodulwerk in Freiberg geschlossen, in dem zuletzt 500 Menschen arbeiteten. Die Unternehmen hatten bei der Bundesregierung um Förderprogramme für Solarmodule aus europäischer Produktion geworben, um gegen billigere aus China bestehen zu können. Die sächsischen Regierungsparteien hatten die Forderung unterstützt, die FDP lehnte ab.
Produktion der Akkus in Deutschland nicht wirtschaftlich
Nun begründet Solarwatt das Aus der Akku-Produktion in Dresden mit denselben Argumenten. Am Standort Deutschland sei diese Herstellung nicht wirtschaftlich. Ob noch eine staatliche Förderung komme, konnten die Manager nicht sagen. Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) hatte Ende April nach der Ankündigung des Produktionsstopps gesagt, die Energiewende solle mit Technologie made in Europe ausgestattet werden und „nicht mit Technik aus China, die zu Dumpingpreisen bei uns verscherbelt wird“. Es müsse jetzt einen konzertierten Kraftakt geben, das europaweit herausragende Niveau von Forschung und Entwicklung, Fachkräften und Industrie-Know-how „hier bei uns im Freistaat zu halten“.
Die beiden Demonstranten am Freitag vor dem Solarwatt-Werk zweifelten an diesem Kraftakt. Eberhard Schinck und Markus Lenk hielten ein Transparent mit dem Aufdruck: „Schwarz-Rot-Grün sind gut fürs Klima? Dein Arbeitsplatz ist bald in China!“. Schinck sagte, es sei seine erste Demo. Einer seiner Mieter arbeite bei Solarwatt. Lenk sagte, er habe vor Jahren als Leiharbeiter dort Solarmodule montiert, konnte aber nicht übernommen werden und verdiene nun bei einer Reinigungsfirma mehr.
Solarwatt kauft bundesweit Handwerksbetriebe
Dresdens IG-Metall-Chef Stefan Ehly sagte auf Nachfrage, die Gewerkschaft sei bei Solarwatt nicht vertreten. Das Unternehmen zahlt nach eigenen Angaben keinen Tariflohn, hat sein Entgeltsystem aber in Anlehnung an Tarifverträge aus der Region aufgebaut. In den vergangenen Monaten hat Solarwatt bundesweit Handwerksbetriebe gekauft, die sich um die Installation seiner Anlagen kümmern. Das Unternehmen wirbt vor allem mit Komplettpaketen aus Solaranlage, Speicher und Betriebssoftware.
Solarwatt gehört hauptsächlich Stefan Quandt aus der BMW-Eigentümerfamilie, der in Dresden auch an der Softwarefirma Kiwigrid und dem Solarfolienentwickler Heliatek beteiligt ist. Laut jüngstem Geschäftsbericht für das Jahr 2022 stieg der Umsatz der Solarwatt GmbH vom 132 auf 291 Millionen Euro, aber auch der Jahresfehlbetrag von 69 auf 79 Millionen. 37 Prozent des Umsatzes wurden im Ausland erwirtschaftet, Solarwatt hat eine Reihe Tochterfirmen. Das Unternehmen wurde 1993 in Dresden gegründet. 2022 wurde ein Zentrallager in Radeberg in Betrieb genommen und mit der Ausbildung in der Verwaltung begonnen.