Von Theresa Hellwig
Dresden. Ihr Pullover ist knallorange, ein gelber Smiley darauf grinst alle Kundinnen und Kunden fröhlich an. Die Schuhe, die Yvonne Kühn dazu trägt, sind neongrün – und bestückt mit gelben Schnürbändern. Das „selbstgemacht“ erwähnt sie nicht laut und geradeheraus, sondern leise und erst auf Nachfrage. Eher so getreu dem Motto „ist doch nichts“. Dabei schreit im Grunde genommen das ganze Geschäft laut heraus: „Hier ist jemand kreativ!“
In ihrer farbenfrohen Aufmachung steht Yvonne Kühn an diesem Tag im „B&B Secondhand„-Laden auf der Alaunstraße in Dresden. Es ist das einzige von insgesamt sechs Geschäften, das die Dresdnerin noch hat. „Das B&B bleibt aber“, versichert sie.

Erst ein paar Wochen ist es her, dass die Dresdnerin die „Weibsbilder“, direkt neben dem „B&B“, geschlossen hat. Dort verkaufte sie Boutique-Ware. „Das Geschäft hieß mal Fummel und Leinen“, berichtet die Dresdnerin. „Ich hatte mich dort auf Bekleidung aus Leinen spezialisiert.“ Gegenüber vom heutigen Secondhand-Laden betrieb Yvonne Kühn lange einen Kostümverleih und -verkauf. Auch eine eigene Änderungsschneiderei gehörte zum Geschäft.
Im Hinterhof ihres Secondhand-Ladens verkaufte sie lange Trödel und Antiquitäten; viele davon arbeitete sie selbst auf. Auch ein Kinder-Secondhand-Geschäft betrieb sie im Hinterhof. Und auf der Louisenstraße bot sie Blumen und Möbel an. Nach und nach hat sie in den vergangenen Jahren all diese Geschäfte dichtgemacht.
Gesundheitliche Gründe und Konkurrenz mit dem Internet
Warum? „Das hatte mehrere Gründe“, sagt die Dresdnerin. So sei eine Kollegin in Rente gegangen. Auch gesundheitliche Gründe spielten für sie eine Rolle. „Die Geschäfte am Laufen zu halten war viel Arbeit“, sagt sie. „Das war auch körperlich schwer.“ Als sie mehrere Bandscheibenvorfälle erlitt, fiel sie fast ein Jahr lang aus, sagt sie. Gerade die Arbeit im Blumenladen sei körperlich anstrengend gewesen. „Ich musste früh zum Großmarkt, später den schweren Grünabfall wegbringen“, erinnert sie sich. Die Uhrzeiten, das Gewicht – das habe sie nicht mehr leisten können.
Sie wolle heute auch nicht mehr so viel Verantwortung für Personal tragen, sagt sie. Sie wolle mehr Zeit für die Familie und auch ihren Enkel haben. Und: Es sei immer schwerer geworden, mit den Angeboten im Internet mitzuhalten. „Vor allem im Kostümgeschäft sind viele Menschen gekommen, haben sich mit tollen Hüten und Accessoires fotografiert“, erzählt sie. Dann sahen sie und ihre Mitarbeiterinnen die Kundinnen und Kunden auf dem Handydisplay scrollen. „Wir kriegen das ja mit, wenn jemand im Geschäft die Preise vergleicht“, sagt sie. Am Ende hätten sich viele für den Kauf im Netz entschieden.

Der Schritt sei kein leichter gewesen, aber sie sei im Reinen damit. Dabei steckte viel Herzblut in den Geschäften; in jedem einzelnen. Denn sie waren alle aus Hobbys entstanden. „Ich hatte schon immer ein Faible für Altes“, sagt sie. Sie habe erst Möbel aufgearbeitet, um sich bei sich zu Hause aufzustellen. „Bei mir zu Hause steht nichts Neues; alles ist alt. Aber da war irgendwann kein Platz mehr“, sagt sie – und lacht. Also eröffnete sie ihren Antik-Handel und die Werkstatt.
Auch Fasching, Kostümpartys – Verkleiden eben – das sei viele Jahre ein großes Hobby für sie gewesen. „Seit ich den Verleih nicht mehr habe, ist das nicht mehr so“, sagt sie.
Das Kult-Secondhand-Geschäft bleibt
Dass sie nun ausgerechnet das „B&B Second Hand“ behalten habe, fühle sich richtig an. Nicht nur, weil Secondhand-Mode laufe. „Back to the roots“, sagt sie auch. Den Laden habe sie 1997 als ihren ersten eröffnet. In dem Kult-Geschäft gibt es nun auch nicht mehr nur Secondhand-Mode. Sondern auch: Kostüme – und viel Handgemachtes. Auf engem Raum drängen sich die bunten Einzelstücke.
Da hängen zum Beispiel mit Farben bemalte Lederjacken; auf eine hat Yvonne Kühn Augen gemalt. Eine andere gibt es mit einem aufgemalten Vogelgesicht mit bunten Federn. „Die bemale ich mit Acryl“, sagt Yvonne Kühn und deutet auf die Jacken. Eine Jeansjacke wiederum hat sie mit roten und weißen Pompoms bestickt.
Im Schaufenster stehen Schuhe; ebenso trashig und bunt – und handverziert. Weiße Stiefeletten haben nun blaue Augen und einen Entenschnabel aufgemalt bekommen, rote Highheels sind mit Pompoms verziert.

Es sind nicht die einzigen Zeugen der kreativen Ader der Neustadt-Händlerin, die an diesem Tag gleich mehrfach während des Gesprächs von Passanten gegrüßt wird. Auch die Köpfe aus Pappmaschee im Schaufenster und im Geschäft hat sie selbst hergestellt, zudem hat sie ihren Verkaufstresen und die Umkleiden mit Blumen-Tapeten beklebt. „Irgendwas musste ich mir ja suchen“, sagt sie. „Ich brauche die Kreativität.“
Es sei schön gewesen mit ihren vielen Geschäften, all die Jahre. Aber sie habe ihren Seelenfrieden gefunden; auch das Möbel-Aufarbeiten, das sie einst so liebte, fehle ihr nicht. „Ich habe ja andere Hobbys gefunden“, sagt sie – und meint zum Beispiel die Jacken, die Schuhe. Dabei scheint das Motto zu gelten: Hauptsache bunt. „Grau kann jeder“, sagt Yvonne Kühne – und ihr gelber Smiley auf dem Pullover grinst dabei mit ihr um die Wette.


