Suche
Suche

VW Zwickau muss sparen: Welche Auswirkungen das auf die Zulieferer hat

Volkswagen hat für seine Werke in Deutschland ein hartes Sparprogramm beschlossen. In Sachsen sind die Einschnitte besonders groß. Zulieferer und Dienstleister sind in Sorge – und berichten, mit welchen Auswirkungen sie rechnen.

Lesedauer: 6 Minuten

Andreas Dunte

Leipzig. Dietke Clauß und seine Kollegen von Carnet kennen das Volkswagen-Werk in Zwickau seit 25 Jahren. So lange entwickeln sie schon Individualsoftware für die Steuerung der Produktion, also unter anderem dafür, wann welche Teile ans Band zu liefern sind.

Die Firma ist eng mit dem Hersteller verbunden. 60 bis 80 Prozent des Geschäfts macht Carnet mit dem Zwickauer Werk und mit anderen Standorten des Wolfsburger Konzerns.

„Das ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Firmenchef Clauß. „Wir hoffen natürlich sehr, dass VW nicht noch weitere Kürzungen vornimmt und dass die Autoproduktion in Deutschland wieder in Schwung kommt. Je mehr gebaut wird, je mehr muss gesteuert werden.“

Carnet-Chef sucht nach neuen Aufträgen

Sollte es anders kommen, habe man ein Problem. „Wir können nicht wie die Großen einfach so die Produktion ins Ausland verlagern, sind mit dem Standort verhaftet.“ Natürlich suche er nach neuen Aufträgen, auch in anderen Branchen. Aber in Krisenzeiten stünden die Türen nicht überall offen, wie erhofft.

Carnet-Chef Dietke Clauß an seinem Schreibtisch in Chemnitz.
Carnet-Chef Dietke Clauß an seinem Schreibtisch in Chemnitz.
Quelle: privat

Als Chance sieht Dietke Clauß die Kreislauf-Idee von VW. Der Konzern will in Zwickau einen Recycling-Bereich aufbauen, um die Materialien von Altautos zu verwerten. „Ich kann mir auch vorstellen, dass man zukünftig – wie bei Computern auch – ausgediente Fahrzeuge refresht, also wieder aufbereitet, um sie zurück in den Verkehr zu bringen. Bei der Entwicklung der Software wären wir gern dabei.“

Das Werk in Zwickau ist das modernste und flexibelste im Konzern. Für seinen Erhalt muss mehr getrommelt werden. – Dietke Clauß, Carnet-Chef

Niedersachsen habe sich als VW-Anteilseigner stark gemacht für den Erhalt der Standorte im Bundesland. Ein ähnliches Engagement wünscht sich der Carnet-Chef auch von Sachsens Regierung. „Das Werk in Zwickau ist das modernste und flexibelste im Konzern. Für seinen Erhalt muss mehr getrommelt werden.“

Firma Henngineered will Abhängigkeiten minimieren

Die Frage, wie es langfristig bei Volkswagen in Sachsen weitergeht, bewegt auch Matthias Wissel. Er ist Standortleiter von Henngineered in Heinsdorfergrund (Vogtlandkreis). Zum Glück, sagt er, gehören neben VW weitere Autoproduzenten und verschiedene Zulieferer zum Kundenstamm. „Diese Diversifizierung ist Teil unserer Strategie, um Risiken durch zu große Abhängigkeiten zu minimieren“, sagt er.

Am Standort Heinsdorfergrund fertigt das zur österreichischen Henn Connector Group gehörende Unternehmen Baugruppen für das Thermomanagement von Fahrzeugen sowie Ladeluftsysteme. „Darüber hinaus gehören auch Komponenten für Baugruppen des Antriebsstrangs zu unserem Portfolio“, so Wissel.

Die Firma mit rund 120 Beschäftigten hat sich auf das Tiefziehen spezialisiert – ein hochpräzises Metallumformverfahren zur Fertigung großer Stückzahlen. Rund drei Millionen Euro flossen vor Kurzem erst in eine neue Presse, die unter anderem Kupplungen für den Kühlkreislauf von Fahrzeugen herstellt.

Von Sparmaßnahmen bei VW nicht unmittelbar betroffen

Dank der „breit gefächerten Kundenstruktur“ sei man nicht unmittelbar von den Sparmaßnahmen bei Volkswagen Sachsen betroffen. Wissel rechnet aber dennoch mit „Anpassungen der Abrufzahlen“, also mit weniger Absatz im Zulieferernetzwerk wegen der angekündigten Einschnitte bei VW in Zwickau. Zu einem Personalabbau werde das vorerst nicht führen. „Wir verfolgen die Entwicklungen kontinuierlich – während sich viele Unternehmen in der Region neu orientieren, setzen wir vorerst auf Stabilität und gezielte Weiterentwicklung.“

Die neue 300-Tonnen Presse in der Firma Henngineered in Heinsdorfergrund (Vogtlandkreis). Schichtleiter Maik Baier mit Firmenchef Matthias Wissel (r.).
Die neue 300-Tonnen Presse in der Firma Henngineered in Heinsdorfergrund (Vogtlandkreis). Schichtleiter Maik Baier mit Firmenchef Matthias Wissel (r.).
Quelle: privat

Das Unternehmen will weiter in neue Technik investieren und setzt auf eigene Produktentwicklungen sowie alternative und erweiterte Fertigungsprozesse. Ziel sei es, den Kunden ganzheitliche Lösungen anbieten zu können.

Parallel sucht die Firma nach neuen Kunden außerhalb der Automobilbranche, insbesondere im Bereich Industrie- und Energieanwendungen. Da sei man bereits auf einem guten Weg.

Die Entwicklungen in der Branche sehe man aber skeptisch, wenn die Politik nicht endlich verlässliche Rahmenbedingungen schafft. Damit meint Wissel „kostengünstige Energie, maßvolle Bürokratie und gezielte Förderungen“. Ferner kritisiert er überzogene Regulierungen wie strenge Lieferkettengesetze oder Datenschutzvorgaben, „die nur schwer und kostenintensiv umsetzbar sind und den Standort gefährden“.

Spediteure leiden unter Auftragsrückgang

Die Spedition Lybo Trans fährt zahlreiche Fahrzeug-Teile in Deutschland von Großlager zu Großlager, von Zulieferer zu Zulieferer oder direkt ans Band zu den Autofirmen. Ein Drittel ihres Umsatzes macht die in Meerane (Landkreis Zwickau) ansässige Firma mit Volkswagen.

„Dass der Wolfsburger Konzern die Produktion in seinem Zwickauer Werk stark reduzieren will, werden wir deutlich zu spüren bekommen“, sagt Mirko Siegfried, Chef von Lybo Trans. Die Branche leide bereits jetzt unter Auftragsrückgängen. „Das geht einher mit einem starken Druck auf die Preise, da der Kuchen für uns Logistiker immer kleiner wird“, so der 43-jährige gebürtige Karl-Marx-Städter.

Ein herber Schlag war bereits die Verlagerung des Gelenkwellen-Zulieferers GKN Driveline von Sachsen nach Ungarn. „Für uns war GKN einer der größten Kunden“, sagt Mirko Siegfried. Dass GKN den Wegzug nach Ungarn als wirtschaftlich rentabelste Option bezeichnete, zeigt nach seiner Meinung, wie es um den Standort Deutschland bestellt ist. „Politik und Gewerkschaften sollte das eigentlich zu denken geben. Jetzt werden die Produkte von GKN zehntausende Kilometer quer durch Europa gefahren – und dennoch ist das für das Unternehmen billiger, als in Zwickau zu produzieren. Da stimmt doch was nicht.“

Der Chef der Spedition Lybo Trans (Meerane/Landkreis Zwickau) Mirko Siegfried vor einem seiner Lkw.
Der Chef der Spedition Lybo Trans (Meerane/Landkreis Zwickau) Mirko Siegfried vor einem seiner Lkw.
Quelle: Lybo Trans

Mirko Siegfried hat die Firma vor drei Jahren übernommen. Sein Vorgänger hat aus einem Kurierdienst ein Speditionsunternehmen mit 38 Lkw und 52 Beschäftigten gemacht. „An mir liegt es jetzt, das Schiff einigermaßen durch die Krise zu steuern.“

Um überleben zu können, bemüht sich der Geschäftsführer um Aufträge auch außerhalb Deutschlands. „Das Problem ist, dass wir uns in Konkurrenz mit Fuhrunternehmen aus Osteuropa befinden. In Polen etwa, sei nicht nur die Maut billiger, sondern auch der Diesel an der Tankstelle und die Löhne der Fahrer.“

Er will nicht falsch verstanden werden, so der Speditionschef. „Angesichts der stetig steigenden Preise in Deutschland müssen auch die Löhne mit wachsen. Ganz klar. Das Problem ist aber, dass die Belastungen für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber nur eine Richtung kennen: nach oben. Hier muss die Politik ansetzen und nicht weitermachen wie bisher.“

Sparkurs von VW geht an Zulieferer nicht spurlos vorbei

Obwohl ihre Hauptauftraggeber aus der Automobilindustrie kommen, ist die Firma Wesko breit aufgestellt, hat Kunden aus der Elektrotechnik, dem Maschinenbau, der optischen Industrie sowie der Medizintechnik. Das hilft dem Unternehmen aus Stollberg (Erzgebirgskreis) in der derzeitigen Wirtschaftskrise.

In den letzten Jahren habe man sich zu einem Komplettanbieter entwickelt, so Wesko-Geschäftsführer Andreas Ebert. Dank der drei Geschäftsfelder – Werkzeug- und Formenbau, Spitzguss und Prüftechnik – könne man den Kunden Lösungen vom Prototyp bis hin zum serienreifen Teil anbieten.

„Dennoch macht uns und der Zulieferbranche insgesamt die Modellreduzierung bei Volkswagen in Zwickau und der Sparkurs der großen Hersteller zu schaffen“, sagt Andreas Ebert.

Gerade im Bereich Prüftechnik habe man vom Hochlauf der Elektromobilität profitiert. Zudem werden Batterieproduzenten sowie Prüfstandshersteller, die E-Antriebe testen, mit Präzisions-Adaptern und Sondersteckverbindern beliefert.

Andreas Ebert ist Firmenchef der Stollberger Zulieferfirma Wesko.
Andreas Ebert ist Firmenchef der Stollberger Zulieferfirma Wesko.
Quelle: wesko

Die schwache Nachfrage nach E-Mobilen führt bei Wesko im Bereich Prüftechnik zu knapp einem Drittel weniger Aufträgen – zum Teil haben große Hersteller ganze Projekte gestoppt oder auf Eis gelegt.

Um das zu kompensieren, hat Wesko die Akquise ausgeweitet, ist auch international unterwegs. Mit Erfolg, wie Andreas Ebert sagt. Und das, obwohl auch andere Industriezweige zu kämpfen haben.

„Macht den Standort wieder wettbewerbsfähig.“

Die Bedingungen in Deutschland hätten sich gravierend verschlechtert. Habe der Strompreis vor Jahren zwischen vier und sechs Cent betragen, seien heute 18 bis 20 Cent pro Kilowattstunde (kWh) fällig. „Hinzu kommen hohe Lohnkosten und eine viel zu große Bürokratie.“ Als Beispiel nennt er die Zertifizierung von Prüfprozessen – der Aufwand sei um ein Vielfaches gestiegen. In den europäischen Nachbarländern seien die Bedingungen wesentlich besser. Allerdings: Den Standort oder Teile dorthin zu verlagern, sei keine Option.

Obwohl der Umsatz im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent zurückgegangen ist, will Wesko seine Beschäftigten halten. „Gute Fachleute sind unser höchstes Gut“, so der Firmenchef. In den vergangenen Jahren wurden einige Stellen nicht nachbesetzt. Aber insgesamt sei man noch mit einem „blauen Auge“ durch die Krise gekommen und will künftig wieder wachsen.

An die neue Regierung hat er klare Forderungen: „Macht den Standort Deutschland endlich wieder wettbewerbsfähig.“ Neben niedrigeren Energiepreisen sollte behutsam mit dem Mindestlohn umgegangen werden. „Wir leben auf keiner Insel. Wir messen uns mit unseren Preisen im internationalen Wettbewerb.“

Das könnte Sie auch interessieren: