Von Georg Moeritz
Dresden. Die drei Präsidenten der sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHK) nennen selten Namen von Parteien, wenn sie sich zur Wirtschaftspolitik äußern. Im Wahlkampf äußern sie zwar Wünsche, treten aber nicht als Parteigänger auf. Gegen „Rechtspopulismus“ haben sie sich allerdings positioniert. Auch in der jüngsten Pressemitteilung vom Donnerstag wird keine Partei mit Namen genannt, als die drei Kammern über „Blockadehaltung“ in Berlin klagen. Zuvor hatten sie mehrmals die Politik der Berliner Ampelkoalition angeprangert. Doch diesmal geht es gegen die CDU.
Die drei sächsischen Kammern appellieren gemeinsam „an Bund und Freistaat“, das Wachstumschancengesetz schnellstens zu verabschieden. Dass der Freistaat dabei erwähnt wird, liegt daran, dass der Bundesrat als Länderkammer bisher das Wachstumspaket für Unternehmen in Berlin blockiert. Am 22. März soll der Bundesrat erneut über das Gesetz abstimmen. Dabei ist Sachsen beteiligt, mit der CDU als Regierungspartei, die in Berlin in der Opposition steht.
In ihrer Pressemitteilung schreiben die drei IHKn, die „Blockadehaltung angesichts finanzieller Auswirkungen“ sei schwer verständlich. Für dieses Jahr würden gesamtstaatliche Einnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden von fast einer Billion Euro vorhergesagt. Eine Entlastung der Wirtschaft von rund sechs Milliarden Euro müsse möglich sein.
IHK-Forderung: Wachstumschancengesetz nicht abspecken
Die Bundesregierung hatte ursprünglich Entlastungen der Wirtschaft in Höhe von sieben Milliarden Euro vorbereitet. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch in Berlin, das Paket sei „von acht auf drei Milliarden Euro heruntergehandelt“ worden. Die Kammern fordern, das Wachstumschancengesetz „mit den ursprünglich vorgesehen Entlastungen“ zu verabschieden.
Politisch scheine eine breite Entlastung bei Unternehmenssteuern derzeit nicht machbar, konstatieren die sächsischen Kammern. Doch zumindest die Abschreibungsbedingungen müssen so verbessert werden, dass dringend notwendige Investitionen angeregt würden. Die Kammern nennen Beispiele: Verbesserung der Verrechnungsmöglichkeiten für Verluste bei der Besteuerung, höhere Zulagen für Forschung und Entwicklung in Unternehmen, höhere Prämien für Klimaschutz und Energieeffizienz.
Kritik an Gesetzesblockade wegen anderer Forderungen
Die Industrie- und Handelsvertreter beklagen, dass in Berlin die Verhandlungen über diese erhofften Entlastungen mit anderen Posten des Bundeshaushalts verknüpft würden. Die CDU fordert, dass die Bundesregierung den Landwirtschaftsbetrieben weiterhin die bisher übliche Entlastung bei Steuern auf Diesel gewährt. Gegen die Agrardieselerhöhung waren bundesweit Landwirte auf die Straßen gefahren und hatten Autobahnzufahrten blockiert. Sachsens Landesbauernpräsident Torsten Krawczyk setzte auf Unterstützung durch den CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und stellte dem Grünen-Agrarminister Wolfram Günther ein Ultimatum wegen verspäteter Zahlungen von Subventionen in Sachsen.
Erst vor wenigen Wochen hatten die sächsischen IHK-Präsidenten über die Ampelregierung geklagt. Der Chemnitzer Kammerpräsident und Gießereichef Max Jankowsky stellte in Dresden Umfrageergebnisse aus Sachsens Unternehmen vor und sagte, bei der Bundesregierung scheine die schlechte Diagnose nicht angenommen zu werden. Als Heringsdorfer Kreis schrieben alle 14 ostdeutschen IHK-Präsidenten gemeinsam an Kanzler Olaf Scholz (SPD) und beschwerten sich, auf Forderungen zum Bürokratieabbau gebe es „nie“ konkrete Umsetzungen und Initiativen vom Bund. Statt des Kanzlers antworteten die ostdeutschen DGB-Chefs auf den offenen Brief und warfen den Unternehmern vor, im Osten zu niedrige Löhne zu zahlen.
Sächsischer Handwerkstag beklagt politische Scharmützel
Am Donnerstagnachmittag drängte auch der Sächsische Handwerkstag darauf, das Wachstumschancengesetz rasch auf den Weg zu bringen – und damit Investitionsanreize und Entlastungen. „Politische Scharmützel zwischen Bundesregierung, Bundestag und Länderkammer“ nützen bei einem Konjunkturtief niemandem, hieß es in der Pressemitteilung. Strukturelle Reformen würden dringend benötigt, um auch die kleinen und mittleren Unternehmen aus Handwerk und Mittelstand zu entlasten.
Auch der Handwerkstag nannte in seinem Papier keine Partei. Außerdem wurde die Erklärung ausdrücklich vom Hauptgeschäftsführer Andreas Brzezinski veröffentlicht statt vom ehrenamtlichen Präsidenten Jörg Dittrich, der häufig mit Politikern im Gespräch ist und auch schon Bundeswirtschaftsminister Habeck in seinem Dachdeckerbetrieb empfing.
Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe beklagte am Donnerstag ebenfalls, die erneute Verzögerung des Gesetzes komme zur Unzeit. Ohne schnelle Investitionsanreize werde der Wohnungsbau „irgendwann ganz einbrechen“, schrieb der Verband. „Manchen scheint der Ernst der Lage immer noch nicht ganz klar.“ Der Verband hielt sich anders als die sächsischen Kammern auch nicht ganz mit Hinweisen auf die Parteien zurück: Der gescheiterte Kompromiss „zwischen Ampel und Union“ sei eine immense verpasste Chance.