Von Ulrich Milde
Leipzig. Das Wappentier der Firma ist das Nashorn. Das ist kein Zufall, sondern wurde natürlich bewusst ausgesucht. „Das Tier steht für Stabilität, es kann aber auch schnell sein, wenn es nötig ist“, begründet Susanne Wolf. Nashörner werden bis zu 2300 Kilogramm schwer, „sind aber trotzdem wendig und flexibel“. Alles Eigenschaften, die auf die Sondermaschinenbau Engelsdorf GmbH (SME) zutreffen, meint jedenfalls die 43-Jährige, die gemeinsam mit ihrem Mann Jan (44) das Duo aus Gesellschafter und Geschäftsführung des Leipziger Traditionsunternehmens bildet.
Die meisten Nashörner sind Einzelgänger und kurzsichtig. Beides trifft jedoch nicht auf Susanne Wolf und ihren Mann zu. Sie führen erfolgreich seit mittlerweile zehn Jahren mit strategischem Weitblick ein Team aus 50 Mitarbeitenden und Auszubildenden. Diese produzieren, wie es der Name schon verspricht, kaum von der Stange, sondern in erster Linie Unikate, zugeschnitten auf den jeweiligen Kunden. Es handelt sich hierbei zum Beispiel um individuelle Montagelinien, Roboterzellen und Fördertechnik für verschiedenste Industriekunden. Diese werden durch SME bei der Planung, der Konstruktion und der Softwareentwicklung der Anlagen sowie bei deren Realisierung und Inbetriebnahme unterstützt. Das sorgt für eine hohe Fertigungstiefe, was in der Branche eher rar ist. „Auch das Nashorn kommt in der Natur selten vor“, zieht Susanne Wolf eine weitere Parallele.
Dabei werden unterschiedliche Industriezweige bedient. Die Aufträge kommen aus den Bereichen Automotive, Baustoff- und Prozess- sowie der Konsumgüterindustrie. Ein Steckenpferd ist die Integration von Robotertechnik in Zusammenarbeit mit Kawasaki Robotics. Die Japaner haben, als Erste in ihrem Land, 1969 mit der Fertigung von Industrierobotern für das Schweißen, die Montage, das Lackieren und das Palettieren begonnen.
Lange Geschichte mit viel Bewegung
Die Produktpalette von SME ist vielfältig. Für namenhafte Kunden in der Automobilindustrie sind das etwa Montagelinien für Sitzrahmen, Handschuhkästen und Komplettsitze. Bei den Maschinen und Anlagen für die Baustoff- – und Lebensmittelindustrie geht es unter anderem um komplette Fördertechnik, Drehtische, Roboteranwendungen mit Greifern und auch Shuttlesysteme. Zudem werden Baugruppen für andere Maschinenbauer fabriziert. „Bei der Herstellung unserer Maschinen und Anlagen setzen wir auf unsere Fachexperten, die bereichsübergreifend qualitativ hohe Standards setzen. Diese Verlässlichkeit ist für unsere Kunden von höchster Priorität“, beschreibt Susanne Wolf die Philosophie.
Der Sondermaschinenbau blickt auf eine lange Geschichte zurück, gespickt mit Umfirmierungen und Neustrukturierungen. „Von diesen Erfahrungen profitieren wir heute noch“, meint die Geschäftsführerin. Der Vorgängerbetrieb wurde im späten 19. Jahrhundert gegründet und erarbeitete sich dabei internationales Ansehen. Die Ständerbohrmaschinen und Universalfräsmaschinen wurden rund um den Globus verkauft. Ende der 60er-Jahre wurde das Unternehmen in ein Kombinat eingegliedert, firmierte als Sondermaschinen- und Vorrichtungsbau Engelsdorf und produzierte Maschinen für die elektrokeramische Industrie, darunter Pressen und Anlagentechnik. Nach der Wende bangte der Betrieb um sein Überleben. Doch die Verantwortlichen schalteten auf Offensive um. Mit der Herstellung von Pressen zwischen 3 und 45 Tonnen gelang es, neue Märkte in der Schweiz, England sowie Italien zu gewinnen. 1993 wurde der Maschinenbauer privatisiert und von einem Konkurrenten übernommen – von da an ging es Richtung Sondermaschinenbau.
Während des Studiums in der Firma gejobbt
Nach der Insolvenz des bayrischen Vorgängerunternehmens 2003 wurden die Leipziger als SME Sondermaschinenbau Engelsdorf GmbH neu gegründet – von Susanne Wolfs Vater, Rainer Delch, der sich in der Firma vom Lehrling zum Werkleiter und Geschäftsführer hochgearbeitet hatte, und zwei seiner Kollegen. „Ich bin so halb in der Firma aufgewachsen“, erinnert sich die Tochter, die in den Ferien aushalf und später, während ihres Jurastudiums, nebenbei im Betrieb arbeitete.
Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob die familieninterne Nachfolgelösung scheitern würde. Denn Susanne Wolf und ihr Mann Jan zogen nach einem lukrativen Jobangebot für ihn in das Allgäu. Doch nach zwei Jahren in der Fremde entschieden sie sich zur Rückkehr und zum Einstieg in das väterliche Unternehmen. „Wir mussten uns richtig reinkämpfen, denn wir sind beide keine Maschinenbauingenieure“, berichtet Jan Wolf. Die Eheleute übernahmen die Anteile und die Geschäftsführung. „Da ergänzen wir uns gut“, meint Susanne Wolf. Der Vater war eine Zeit lang noch beratend tätig „und ist froh und stolz, dass wir das jetzt machen“, sagt die Geschäftsführerin. „Er hat mir unglaublich viel beigebracht“, ergänzt Jan Wolf.
Die beiden führen den Betrieb erfolgreich durch Höhen, aber auch durch schwierige Zeiten wie derzeit. Nicht nur, dass der Wettbewerb hart ist, so dass „wir um jeden Auftrag kämpfen müssen“, berichtet die Chefin. Vielmehr sei generell ein stockender Auftragseingang festzustellen. Die Industrie halte sich angesichts der unsicheren gesamtwirtschaftlichen Lage mit Bestellungen zurück, stecke weniger Geld als üblich in Erweiterungen oder den Ersatz der Maschinen. „Daran haben wir zu knabbern“, räumt der Geschäftsführer ein. Aber die beiden sind alles andere als pessimistisch. Sie gehen davon aus, dass die Sondervermögen für Infrastruktur und Bundeswehr die Konjunktur anschieben werden – mit positiven Effekten für SME.
Der Maschinenbauer ist dabei nicht untätig. Getreu dem Motto, immer etwas Besonderes zu machen, sich ständig neu zu erfinden, wird derzeit an einem Prototyp für die Baustoffbranche gearbeitet. Es geht darum, im Sinne der Kreislaufwirtschaft Produktionsausschuss wieder zu trennen, welchen der Kunde später wiederverwerten kann. Zusätzlich ist SME in Forschungsprojekten zum Thema Carbonbeton gemeinsam mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) aktiv, um die Betonwerke der Zukunft mit effizienterer Technik auszustatten.
Umweltschutz ist also angesagt. Wie bei den Nashörnern. Sie sind ebenfalls wichtig für das Ökosystem, in dem sie leben. Sie prägen die Landschaft maßgeblich, weil sie Wasserlöcher und Savannenflächen offen halten und Feuerschneisen schaffen, also sichere Orte für andere Arten.