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Wie die Autozulieferer in Sachsen auf die Innovationsspur kommen sollen

Die Bundesregierung fördert eine neue Transformationsinitiative für die Automobilregion Südwestsachsen mit 8,2 Millionen Euro. Diese hat sich viel vorgenommen.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht Manja Rockstroh bei der Montage von Volkswagen-Autos
Manja Rockstroh montiert bei der SAS Autosystemtechnik in Zwickau ein Cockpit für Volkswagen. Ein neues Netzwerk will Sachsens Autozulieferer beim Wandel der Branche unterstützen. © Wolfgang Schmidt (Archiv)

Von Nora Miethke

In zahlreichen Studien wurden die Chancen und Risiken des Wandels im Automobilbau hin zu Elektromobilität und autonomen Fahren für sächsische Zulieferer untersucht. Die einen sahen die Sachsen gut aufgestellt, andere wie das Berliner IMU-Institut wiesen im Jahr 2020 auf die Risiken des Strukturwandels für die hiesigen Zulieferer hin. Sollten die Unternehmen nicht zügig handeln und die Transformation als Chance nutzen, könnten sie den Anforderungen der nachhaltigen Wirtschaft nicht gerecht werden und zusehends aus dem Markt gedrängt werden.

Sachsen, insbesondere der Südwesten des Freistaats, würde erheblich an Wertschöpfung verlieren, hieß es. Über 800 Unternehmen arbeiten in Südwestsachsen entlang der automobilen Wertschöpfungskette und beschäftigen mehr als 50.000 Menschen. Bei den rund 130 Automotive-Zulieferern arbeiten über 28.300 Mitarbeitende. Entsprechend massiv ist die Region von der Transformation betroffen. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat den hohen Entwicklungsdruck in der Region erkannt und stellte 8,2 Millionen Euro Förderung für Transformationsvorhaben zur Verfügung

Fünf regionale Akteure nutzten diese Gelegenheit und schlossen sich zur „Initiative Transformation der Automobilregion Südwestsachsen“ (ITAS) zusammen, um gemeinsam den Wandel der Zulieferbranche aktiv zu gestalten. Dazu zählen das Netzwerk der Automobilzulieferer Sachsen (AMZ), die Agentur für Arbeit Zwickau, die IHK Chemnitz, die IG Metall Chemnitz/Zwickau sowie die Chemnitzer Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH (CWE) als Konsortialführerin. Die Partner haben in Bezug auf die Transformation „eine große regionale Reichweite und hohe Fundierung bei den Themen der Zulieferer“, betont Projektleiter Boris Kaiser von der CWE. Träger der Initiative ist der VDI/VDE IT, der sämtliche staatlich geförderten Transformationsprojekte unter seinem Dach hat.

Gesellschaftliche Akzeptanz für Transformation schaffen

„Die letzte in der Größenordnung vergleichbare Transformation in der Region war die Nachwendezeit. Sie hat Spuren hinterlassen, Veränderungen dieser Dimension werden mitunter skeptisch gesehen“, sagt Alrun Fischer, betriebliche Beraterin bei der Gewerkschaft IG Metall. Deshalb sei es wichtig, die Folgen für die Beschäftigten sowie die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Blick zu nehmen. „Wir halten es für wichtig, dass dazu in den Betrieben miteinander gesprochen wird und die Region zusammenarbeitet“, so Fischer weiter. „Wir wollen die Belegschaft mitnehmen und gesellschaftliche Akzeptanz für die Transformation schaffen, den technologischen Wandel der Zulieferer vorantreiben, Innovationskraft aufbauen, Fachkräfte weiterbilden, Geschäftsmodelle zukunftsfähig machen und Betriebe für neue Sparten und Produkte sensibilisieren“, zählt Kaiser auf, was sich die Initiative alles zum Ziel gesetzt hat.

Andreas Wächtler vom Zuliefernetzwerk AMZ nennt erste praktische Schritte: „Damit Südwestsachsens Zulieferer langfristig attraktive Fertigungspartner bleiben, ist unter anderem ein Innovationsvorsprung bei den Produktionsprozessen nötig. Hier geht es vor allem um die Integration von automatisierten Fertigungssystemen, Robotik und IoT-Lösungen.“ Auch die Softwarekompetenz spielt in Zukunft eine große Rolle. Um die notwendigen Kompetenzen zügig aufzubauen und mit dem globalen Wettbewerb Schritt zu halten, würden sich Partnerschaften mit Technologieunternehmen oder Start-ups anbieten. Hier sieht das AMZ seine zentrale Rolle innerhalb der Initiative: „Wir können durch unser umfassendes Netzwerk bei der Anbahnung neuer Kooperationen und der Umsetzung von Innovations- und Pilotprojekten unterstützen,“ so Wächtler.

Man sieht Boris Kaiser, Projektleiter der Initiative ITAS
Boris Kaiser, Projektleiter der Initiative ITAS, will die Autozulieferer in Südwestsachsen vernetzen, damit sie gemeinsam die Transformation schaffen.
© PR/ITAS

Ein zukunftsrelevantes Alleinstellungsmerkmal kann Südwestsachsen auch durch den Aufbau von Kompetenzen im automatisierten Fahren entwickeln. Hier arbeite man bereits an einem Mobilitätskonzept für die Region Zwickau und Chemnitz, um das automatisierte Fahren auf der Straße besser erproben zu können, heißt es. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Ausbau der Forschung und Entwicklung bei Batterietechnologien. Sogar der Bereich Schiene bietet Zulieferern neue Möglichkeiten. Dazu hat ITAS erste Verbindungen zum Smart Rail Connectivity Campus der Technischen Universität (TU) Chemnitz geknüpft. Diskutiert wird natürlich auch das Thema Wasserstoffantrieb. Potenziale sieht Andreas Wächtler hier aktuell vor allem im Bereich Schwerlasttransport und Logistik; nicht primär im PKW-Bereich.

Nachholbedarf bei Qualifizierungsmaßnahmen

Technologische Innovationen sind zentral für die Zukunft der Zulieferer. Die Basis dafür seien allerdings qualifizierte Fachkräfte, erklärt Jörg Fischer, operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Zwickau. „Weiterbildung und Qualifizierung sind im aktuellen Strukturwandel Schlüsselthemen, doch in diese Thematik wurde von Unternehmen aus unserer Sicht zu wenig investiert. Im Jahr 2023 wurden in Südwestsachsen 1.005 Beschäftigungsqualifizierungen im Rahmen des Qualifizierungs-Chancengesetzes umgesetzt. Rechnet man dies um, sind das nur circa 0,2 Prozent der knapp 545.000 Beschäftigten in der Region“, so Fischer weiter.

Zudem seien zwar Berufsbilder wie etwa der Fahrzeuginterieur-Mechaniker, der Kunststoff- und Kautschuktechnologe oder der Elektroniker für Maschinen und Antriebstechnik modernisiert worden – etwa hinsichtlich E-Antrieb, Kreislaufwirtschaft oder der Digitalisierung der Fahrzeuge und der Fahrzeugproduktion. „Gänzlich neue Berufsbilder sind in der dualen Ausbildung bisher aber nicht in der Automobilwirtschaft entstanden. Ich persönlich sehe hier allerdings gerade bei der Batterieherstellung sowie im Bereich Recycling- und Kreislaufwirtschaft hohen Bedarf“, ergänzt der Arbeitsmarktexperte.

Man sieht eine Karte über die Autozulieferer in Südwestsachsen
AMZ-Branchenkarte über die Autozulieferer in Südwestsachsen.
© PR/ITAS

Für nachhaltige Veränderungen müssen sich nach Ansicht Korns zudem die politischen Rahmenbedingungen verbessern, insbesondere im Hinblick auf Finanzmittel, Bürokratie und den Zugang zu Energie. „Wir planen die Einrichtung von sechs Policy Labs. Diese sollen als Plattform dienen, auf der sich Unternehmen und politische Vertreter zu Themen wie Zukunftschancen, optimale Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten direkt austauschen können“, kündigt er an. Letztendlich stehe man im globalen Wettbewerb. „China entwickelt den Verbrenner durch emissionsarme alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff, Biokraftstoffe, E-Fuels oder Ammoniak weiter – parallel zur E-Mobilität. Vielleicht rückt dieser Ansatz auch hierzulande wieder mehr in den Fokus“, sagt Korn. BMW bekenne sich beispielsweise zu allen Antriebsformen und setze nicht alles auf eine Karte.

Weitere Informationen: https://itas-projekt.de/

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