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Wie ein Fischwirt mehr Biokarpfen auf die Teller bringen will

Gunther Ermisch hat seine Teiche in der Lausitz auf ökologische Zucht umgestellt. Mit neuen Produkten und Beharrlichkeit will er auch jenen den Karpfen schmackhaft machen, die ihm skeptisch begegnen.

Lesedauer: 3 Minuten

Ein Mann steht am See und hält einen Karpfen in der Hand.
Gunther Ermisch weiß: „Ohne Bewirtschaftung wachsen die Teiche zu.“ Foto: kairospress

Von Irmela Hennig

Langburkersdorf. Zuerst kam „Mama“. Aber schon das zweite Wort, das Gunther Ermisch als Kleinkind gesprochen hat, sei „Fisch“ gewesen. Mit fünf Jahren ist der gebürtige Dresdner dann mit dem Vater angeln gegangen. Den Berufswunsch Fischwirt, den habe er also quasi mit der Muttermilch aufgesogen. So erzählt es der heute 56-Jährige. Längst ist er Meister seines Fachs. Hat vor Jahren den 1994 gegründeten elterlichen Betrieb in Langburkersdorf übernommen, einem Ortsteil von Neustadt/Sachsen. 14 Mitarbeiter zählt das Familienunternehmen, in dem die Eltern noch immer und der Bruder als Quereinsteiger seit letztem Dezember mitmachen. Schwerpunkt sind Forellen- und Lachszucht. Zudem Satzfische für Hobbyzüchter. Doch die Freizeitkundschaft werde weniger. Und der beim Kunden beliebten heimischen Forelle, die kühles Wasser braucht, mache der Klimawandel zu schaffen. Darum produziere man sie nur noch im Winter, sonst werden Forellenprodukte von Partnern verkauft.
Vor wenigen Jahren hat Gunther Ermisch in der Oberlausitz die Teichwirtschaft Klitten, rund 30 Kilometer nordöstlich von Bautzen, übernommen. Damit rückte für den Betrieb ein Feld in den Blick, das in Ostsachsen Mitte der 2000er-Jahre gestartet wurde – die Zucht von Biokarpfen.

2008 hatten drei Produzenten, darunter eben jene Klittener Teichwirtschaft, zunächst 250 Hektar auf „ökologische Karpfenerzeugung“ umgestellt, wie es im Behördenjargon hieß. Für Teichwirte bedeutet das, sie müssen alle Schritte genau dokumentieren, dürfen zudem nur Biogetreide zufüttern. Viel Aufwand, aber der durchschlagende Erfolg kam nicht. Zwei Betriebe gaben die Biozucht auf. Zwischenzeitlich war mit der Teichwirtschaft Ringpfeil in Wartha bei Bautzen nur noch einer in dem Bereich aktiv. Doch Gunther Ermisch wagte den Schritt. Seit letztem Jahr sind seine Lausitzer Karpfenteiche offiziell „Bio“. Die eines weiteren Teichwirts, ein Kooperationspartner von Ermisch, ebenfalls. 2026 komme noch einer dazu. „In Summe haben wir drei dann auf 500 bis 600 Hektar Biokarpfen“, so Ermisch. Damit tue man etwas für das EU-Ziel, bis 2030 etwa 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch zu betreiben. Dieses Jahr werden er und sein Kooperationspartner etwa 70 Tonnen Biokarpfen ernten.

Viel Überzeugungsarbeit
Doch leicht hat es dieser Fisch, auch aus Biozucht, hierzulande nicht. Vorurteile halten sich hartnäckig. Karpfen schmecke modrig. Sei voller Gräten. Beide Kritikpunkte haben Züchter längst aus dem Weg geräumt. Gegen den schlammigen Geschmack werden die Tiere gehältert. Das heißt, sie kommen vom Teich zunächst in spezielle Becken, in denen das „Muffige“ quasi ausgespült wird. Und die vielen feinen Gräten, die der Karpfen unbestritten hat, werden mittels eines besonderen Schnittes so zerkleinert, dass man sie beim Essen nicht mehr bemerke. Ein spezielles Gerät zerteilt die Gräten im Abstand von drei Millimetern. Im Ergebnis gibt es Filet. Doch auch dafür müsse er viel Überzeugungsarbeit leisten, so Ermisch. Das tut er zum Beispiel auf der „Grünen Woche“. Das ist die Messe der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Dort hat er schon „Pulled Karp“ angeboten, ähnlich dem „Pulled Pork“ – also fein gezupft.
Der Zuspruch sei riesig gewesen. Und auf einem Marktstand in Dresden-Blasewitz, auf dem der Langburkersdorfer zwischen Ende Oktober und Ende März hinterm Tresen steht, gebe er Karpfen-Skeptikern ein Päckchen grätengeschnittenes Filet zum Probieren mit. Das Resultat: „70 Prozent sind danach überzeugt.“ Aber es ist ein Vorwärtskommen in kleinen Schritten. Dabei sei alles da, um das Produkt zu unterstützen: Geld, viele Projekte, auch der Zuspruch der Politik für die Teichwirtschaft. Es fehle allerdings eine Sammlung dessen, was bei der Karpfenvermarktung funktioniere und was nicht.
Karpfen sei eben ein Traditionsfisch. „80 Prozent verkaufen wir zu Weihnachten und Silvester“, so Gunther Ermisch. Das große Zögern jenseits dieser Feiertage – für ihn ist es dennoch ein Rätsel. Allzumal beim Biokarpfen.
Sogar die Umweltschutzorganisation Greenpeace findet den gut. „Karpfen ist das nachhaltigste Produkt in der Aquakultur“, sagt Ermisch. Die Teichwirtschaft an sich erfülle mindestens zehn Funktionen – von der Herstellung eines Lebensmittels abgesehen. Der Unternehmer und zweifache Vater nennt stellvertretend vier. Sie sei gut für das Kleinklima, in Teichen werde Grundwasser gespeichert, sie seien ein Tourismusfaktor und es gebe dort sehr viele gefährdete Pflanzen und Tiere – von Libellen bis zu Amphibien. „Ohne Bewirtschaftung wachsen die Teiche zu“, so der Fachmann. Beim Biokarpfen will Gunther Ermisch kommendes Jahr durchstarten. Will, ohne es genau zu verraten, zwei neue Produkte auf den Weg bringen – eines in Richtung Frikadelle.

Neuer Schwung für den Biokarpfen
Beim Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft sieht Sebastian Heynen, Leiter des Referats Gebietsentwicklung und Naturschutz, durch Ermisch einen „neuen Schwung“ für den Biokarpfen. Er selbst hat einige Jahre lang ein Projekt zum Produkt betreut und kann zumindest vermuten, was neben den erwähnten Vorurteilen ein schnelles Wachstum des (Bio-)Karpfenmarktes bremst. Da extensive Fischproduktion teuer sei, wirke sich das auf den Preis aus. Beim Karpfen könne man zudem nur etwa ein Drittel des Fisches tatsächlich essen. Bei der Forelle seien es zwei Drittel. Viele hiesige Teichwirte hätten keine eigene Verarbeitung, seien auf Partner angewiesen – bei Biokarpfen müssen die auch biozertifiziert sein. Wegen der kurzen Haltbarkeit sei die Logistik eine Herausforderung. Und oft fehle den Betrieben der direkte Zugang zum Kunden, so zu Hotels und Restaurants.
Diese Probleme hat Gunther Ermisch nicht. Mit speziellen Kühlfahrzeugen beliefern seine Mitarbeiter rund 100 Hotels und Gaststätten in und um Dresden, in der Sächsischen Schweiz und seit zwei Jahren in der Lausitz. In seinem Betrieb verarbeitet und veredelt er selbst. Betreibt einen Hofladen. Gunther Ermisch wirkt optimistisch. Nimmt sich und seine Branche aber auch in die Pflicht, indem er sagt: „Die Vermarktung, die Strahlkraft beim Karpfen – das müssen wir selbst machen.“

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