Dana Weber
Altenburg. Der Altenburger Waggonbau prüft Güterwagen von europäischen Logistikunternehmen auf ihre Sicherheit. Die Vorgaben sind streng. Sie sollen Unfälle wie das Entgleisen eines Güterzuges 2023 im Schweizer Gotthard-Tunnel verhindern.
Damals verursachte eine gebrochene Radscheibe das Entgleisen mehrerer Güterwagen. Die Folgen waren immense Zerstörungen im Tunnel. Entsprechend groß ist die Verantwortung der Mitarbeiter beim Waggonbau in Altenburg.
Knapp neun Hektar Waggonbau Altenburg
An zwei Standorten auf knapp neun Hektar werden Revisionen durchgeführt und Waggons repariert. Rund 80 Leute arbeiten hier. Im Ortsteil Knau werden Kesselwagen mit Resten von Druckgasen wie Propen gereinigt und instandgesetzt – inklusive Sicherheitskontrollen durch externe Fachleute.
An der Rasephaser Straße bringen Mitarbeiter Waggons aller Art auf Vordermann und arbeiten Radsätze wieder auf. Hier durchlaufen in der Halle aktuell rund 20 Tonnen schwere Güterwagen die Revision. Einige der Kolosse schweben ohne ihre Radsätze über den Gleisen – gehalten von je vier Hubböcken.
Sicherheit hat bei uns oberste Priorität. Was wir hier machen, hat mit extrem viel Verantwortung zu tun. – Andre Heine, Betriebsleiter Waggonbau Altenburg
Die Mitarbeiter bewegen sich ruhig und besonnen in der Halle. Hektik ist zwischen der tonnenschweren Technik fehl am Platz. Im hinteren Bereich sind vier Mann mit dem Einachsen eines Drehgestells beschäftigt. Vorsichtig senkt ein Mitarbeiter das Gestell per Kran über den bereitstehenden Radsätzen ab.
An jedem Rad achtet ein Kollege darauf, dass alles passt. „Sicherheit hat bei uns oberste Priorität. Was wir hier machen, hat mit extrem viel Verantwortung zu tun. Die Waggons fahren schließlich im öffentlichen Verkehr“, sagt Betriebsleiter Andre Heine.

Quelle: Mario Jahn
Der 60-Jährige arbeitet seit 44 Jahren beim Waggonbau. 1981 begann er hier die Lehre zum Schweißer. Seit sechseinhalb Jahren leitet er den Betrieb. Aktuell läuft in Altenburg die Durchsicht von 402 Güterwagen der Schweizer Firma Wascosa.
Das Unternehmen gehört europaweit zu den vier größten Vermietungsgesellschaften für Güterwaggons. Die vom Waggonbau durchgecheckten Schüttgutwagen von Wascosa sind für den Transport von Kalisalz im Einsatz. Wegen des aggressiven Düngesalzes müssen diese Wagen alle zwei Jahre zur Revision.

Quelle: Mario Jahn
Elektro-Rangierfahrzeuge statt Lok
Denn die Waggons kommen auch von außen mit dem Kalisalz in Kontakt. „20 Zentimeter hoch finden wir das Salz im Drehgestell“, erzählt Produktionsleiter Ronny Skodell. Vier Tage dauert die Durchsicht eines Wagens in Altenburg.
Müssen die Waggons bewegt werden, kommen kleine, kompakte Elektro-Rangierfahrzeuge zum Einsatz. Zwei Stück hält der Waggonbau vor.

Quelle: Mario Jahn
Mit Atemmaske in den Kalisalz-Waggon
Die Mitarbeiter bessern nicht nur Schadstellen an der Außenlackierung der Wagen aus – sie kriechen mit Schutzanzug und Atemmaske auch ins Innere der Waggons. Wenn nötig, lackieren sie auch dort neu.
Ehe ein Waggon wieder zurück auf die Schiene darf, werden neben Bremsen auch Räder und Achsen durchgecheckt. Rund 1,5 Tonnen wiegt ein Radsatz. Für die Durchsicht wird zunächst jeder sandgestrahlt. Nach dem Ausbau der Radlager werden diese einer intensiven Wäsche unterzogen und auf Schäden kontrolliert.

Quelle: Mario Jahn
Mit Ultraschall Materialermüdung aufspüren
Im Anschluss erhält jedes Radlager von Hand 600 Gramm eines speziellen Schmierfettes. Achse nebst Räder werden zur Durchsicht zunächst auf der Drehmaschine aufgearbeitet und per Ultraschall auf Haarrisse geprüft. Zeigt das Material kleinste Ermüdungen an, gibt der Waggonbau den Radsatz nicht frei.
Das Material wird in diesem Fall von einem anderen Unternehmen eingeschmolzen. Zweimal pro Woche finden die Mitarbeiter Risse im Material. Ist der Radsatz in Ordnung, erhält er eine neue Lackierung, bevor er wieder unter den Waggon kommt.

Quelle: Mario Jahn
Dokumentationsaufwand wie im Flugzeugbau
Wegen der geforderten Sicherheitsvorgaben sei der Dokumentationsaufwand genauso hoch wie im Flugzeugbau, meint Ronny Skodell. Der Produktionsleiter spricht aus Erfahrung. Bis zu deren Schließung arbeitete er bei der Kunststofftechnik (KTN) in Nobitz – einem Produzenten von Bauteilen für die Flugzeugindustrie.
Tausend Waggons strebt Betriebsleiter Andre Heine in diesem Jahr an. „Im Moment sind wir bei 485. Die Auftragslage ist derzeit recht gut – aber wir merken, dass es weniger wird.“ Der Jahresumsatz liegt bei rund sechs Millionen Euro.

Quelle: Mario Jahn
Acht neue Mitarbeiter in diesem Jahr eingestellt
Seit dreieinhalb Jahren gehört der Altenburger Waggonbau zum französischen Unternehmen Inveho mit Sitz in Levallois-Perret bei Paris. Ein Umstand, der laut Heine von Vorteil ist. „Mit den Franzosen zusammen sind wir gut aufgestellt.“
Acht neue Mitarbeiter konnte der Betriebsleiter in diesem Jahr bisher einstellen. Ein Großteil von ihnen kommt von Kelvion im Nobitzer Ortsteil Wilchwitz. Initiativbewerbungen sind beim Waggonbau gern gesehen. „Das Problem ist, dass es kaum noch ausgebildete Schlosser auf dem Arbeitsmarkt gibt“, sagt Ronny Skodell.
Zudem gehöre Waggon-Schlosser nicht zu den Ausbildungsberufen. Zur Altenburger Belegschaft gehören zwei Azubis. Sie werden derzeit zum Industriemechaniker ausgebildet. Leider habe sich für das aktuelle Lehrjahr kein Interessent gefunden, so Skodell.
Der Waggonbau Altenburg ist seit fast 80 Jahren am Markt. Ein besonderes Angebot ist der mobile Service für Unterwegs-Reparaturen. Das Team ist im Umkreis bis 200 Kilometer unterwegs. Für die Zukunft hoffen die Waggonbauer, dass wieder mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagert wird.


