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111 Jahre in Familienbesitz: Jetzt schließt dieses Geschäft in Neustadt

In Neustadt gibt es bald wieder ein Geschäft weniger. Hannelore Scheffler schließt ihren Bürobedarf. Angekündigt hatte sie das schon im vergangenen Jahr.

Lesedauer: 2 Minuten

Man sieht zwei ältere Frauen in einem Geschäft.
Sonja Born (rechts) und ihre Tochter Hannelore Scheffler im Fachgeschäft für Schreibwaren und Bürobedarf. Nach 111 Jahren schließt das Geschäft. © Karl-Ludwig Oberthür

Hannelore Scheffler schließt ihr Geschäft am Marktplatz von Neustadt wie immer auf. Und doch ist jetzt alles anders. Seit 111 Jahren ist das Fachgeschäft für Bürobedarf, Bücher und Lotto in Familienbesitz. Zum 31. August wird sie es aus Altersgründen schließen. Angekündigt hatte sie das schon zur Einkaufsnacht im Oktober vergangenen Jahres. So richtig geglaubt hat es damals wahrscheinlich niemand. Denn das Geschäft ist in Neustadt eine Institution. Wer in den Laden geht, sagt heute noch „ich geh’ zu Borns'“.

Begonnen hat die erfolgreiche Unternehmensgeschichte 1913. Arno Hartmann legte den Grundstein für den Familienbetrieb. Er eröffnete auf der anderen Seite des Marktplatzes, dort wo heute die Apotheke ist, seinen „Galanterie-Laden“. Es gab damals die berühmten Tausend kleinen Dinge, Spielzeug, Papier. Etwas später hatte er dann das heutige Grundstück am Markt 26 gekauft. Nach dem Krieg wurde das Haus wieder aufgebaut. Susanne Born, die Oma von Hannelore Scheffler hatte die Fäden in die Hand genommen. Schreibwaren wurden übrigens schon vor dem Krieg genau in diesem Haus auch verkauft.

Später, im Jahr 1968 ging das Geschäft dann an ihre Mutter Sonja Born über. Fast 30 Jahre lang kümmerte sie sich darum, dass die Kunden zufrieden sind. Zwischen 1968 und 1990 führte sie den Laden als HO Kommissionshandel. Die Tochter schnupperte schon damals Geschäftsluft, war mit dabei, wenn zum Beispiel Papier in großen Lagen angeliefert und gebrochen werden musste. Oder wenn Geschenkpapier kam, musste alles Bogen für Bogen gezählt und sortiert werden. Das Geschäft boomte. Papier war zu DDR-Zeiten günstig und wurde immer gebraucht. Es steckte aber auch jede Menge Arbeit dahinter.

Die wilde Wende-Zeit

Sonja Born erzählt gerne über das Geschäft. Vor allem, wenn es um die Zeit nach der Wende geht. Ziemlich wild sei das alles gewesen. Als die Mauer gefallen war, setzte sie sich mit ihrem Mann Hans-Dieter praktisch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in den Zug nach Leipzig. Dort bot ihnen ein Händler „West-Artikel“ an. Als sie wieder zurück in Neustadt waren, wurde sofort das Schaufenster mit den neuen Artikeln dekoriert.

Das bunte Sortiment lockte die Kunden an. In der Anfangszeit war die Kaufkraft noch da. Die Menschen sehnten sich nicht nur nach Reisen, sondern auch nach mehr Farbe im Alltag – und wenn es Bürobedarf war. Bei den Borns im Geschäft gab es auch noch die Waren aus dem DDR-Sortiment. Die wollte aber keiner mehr. Deshalb wurden sie verschenkt. Doch bald wurden auch die bunten Hefte teurer – die Kunden wollten wieder die Schreibwaren aus DDR-Zeiten, weil diese günstiger waren. Sonja Born, die immer mal wieder bei ihrer Tochter hineinschaut, könnte noch viele solcher Geschichten erzählen.

Hannelore Scheffler hat 1996 das Geschäft von ihrer Mutter übernommen. Noch immer kommen viele Stammkunden. Doch wenn sie heute aus ihrem Fenster auf den Markt schaut, sei der mitunter ziemlich leer. Vom Laden allein könnten sie wohl nicht leben. Schreibwaren werden schließlich auch in Discountern angeboten. Viel Idealismus sei dabei. Aber genau wie ihre Mutter, schätzt sie den direkten Kundenkontakt. Und diese wiederum freuen sich auf kompetente Beratung.

Mit der Corona-Pandemie habe sich das Kaufverhalten aber generell verändert, auch in ihrem Fachgeschäft. Sie hat gemerkt, dass die Kunden auf Online-Handel umgeschwenkt und dabei geblieben sind. Dennoch hat sie sich auch immer etwas Neues einfallen lassen. So hat sie zum Beispiel Herrnhuter Sterne mit in das Sortiment aufgenommen.

Vielleicht hätte sie auch noch ein oder zwei Jahre dran gehangen. Doch jetzt sei eine gute Zeit, um einen Schlussstrich zu ziehen. Hannelore Scheffler bereitet derzeit den Abverkauf des noch vorhandenen Warenbestandes vor. Der startet am 12. August mit stark reduzierten Preisen. Zum Monatsende wird sie dann das letzte Mal ihre Ladentür auf- und zuschließen.

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