Die erfolgreiche Suche nach einem Investor wird für den Waggonbau Niesky immer drängender. Zum 1. Juli ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das heißt vor allem, dass das Unternehmen nun wieder selbst die Löhne und Gehälter der rund 200 Mitarbeiter zahlen muss. In den zurückliegenden drei Monaten übernahm die Bundesagentur für Arbeit das Insolvenzgeld.
„Kurzfristig sind wir dazu in der Lage und haben die Zustimmung der Gläubiger für eine weitere Fortführung“, erklärt Franz Ludwig Danko, der gerichtlich eingesetzte Insolvenzverwalter. Mit Zustimmung der Gläubiger wurde er beauftragt, den Geschäftsbetrieb vorerst fortzusetzen. „Für eine dauerhafte Perspektive brauchen wir aber eine Investorenlösung, und zwar möglichst zügig.“ Die wirtschaftliche Situation des größten Industrieunternehmens in Niesky bezeichnete Danko als „angespannt“.
Der Insolvenzverwalter treibe deshalb derzeit die Suche nach einem Investor mit Hochdruck voran, heißt es in einer am Dienstag verbreiteten Mitteilung Dankos. Aktuell gebe es mehrere Interessenten, mit denen Gespräche laufen. Darunter sind eine Reihe von Unternehmen aus der Branche, für die der Waggonbau Niesky eine sinnvolle strategische Erweiterung sein könnte.
Nach SZ-Informationen hatten elf Unternehmen oder Finanzinvestoren eine Vereinbarung zum Austausch von Unternehmensdaten des Waggonbaus unterschrieben, weitere wollten sich an dem Prozess beteiligen. Solche Vereinbarungen sind der übliche Weg, um die Firmeninternas an mögliche Investoren übermitteln zu können. Im Gegenzug verpflichten sie sich, diese Daten nicht gegen den Waggonbau zu nutzen.
Da das insolvente Unternehmen die Immobilie nur gemietet hat, sind parallel auch Gespräche mit dem Immobilieneigentümer notwendig, um eine künftige Nutzung oder Vermietung der Betriebs-Immobilie an einen möglichen Investor zu klären.
Auch mit den Kunden verhandele Danko, um zumindest kurzfristig die Auslastung in der Produktion zu verbessern und die für die Fortführung benötigten Umsätze zu erzielen. „Wir können im Moment nur auf Sicht fahren“, erklärt der Insolvenzverwalter. „Ob und wie es längerfristig weitergeht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.“
Der Waggonbau Niesky hatte am 5. Mai Antrag auf ein Insolvenzverfahren gestellt. Hintergrund sind die schwache Auftragslage und das schwierige Marktumfeld. Nach Ansicht des Insolvenzverwalters gehe die Nachfrage nach Güterwaggons wie auch die Investitionsbereitschaft in den Schienenverkehr zurück. Zugleich herrsche ein hoher internationaler Preis- und Wettbewerbsdruck. Hinzu kämen hohe Energiepreise und Materialengpässe in der Lieferkette.
Auf die schwierige Lage des Unternehmens hatte die Belegschaft über ein halbes Jahr mit Mahnwachen vor dem Betriebstor aufmerksam gemacht. Sie wirft dem slowakischen Eigentümer vor, zu lange abgewartet und kaum noch Aufträge für den Standort Niesky eingeworben zu haben.
Die slowakische Tatravagonka-Gruppe hatte den Nieskyer Waggonbau Ende 2018 ebenfalls aus einer Insolvenz erworben. Sie hatte sich verpflichtet fünf Jahre lang den Standort Niesky zu erhalten. Diese Frist liefe Ende dieses Jahres aus.
Zunächst war das Insolvenzverfahren in Eigenregie durchgeführt worden. Vor wenigen Wochen riss den Gläubigern aber der Geduldsfaden mit der Tatravagonka-Gruppe und es wurde mit der Danko-Insolvenzverwaltung-Kanzlei ein unabhängiger Dritter als Insolvenzverwalter eingesetzt. Das war weithin als ungewöhnlicher Schritt und als ein Zeichen wahrgenommen worden, dass das bisherige Verfahren nicht optimal verlaufen war.