Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) macht den Strukturwandel in der Lausitz zur Chefsache. „Ich habe meine Reise nach Warschau am Donnerstag und Freitag abgesagt und werde ab morgen mit in der Arbeitsgruppe mitwirken, die innerhalb der Kohlekommission weitergehende Vorschläge zur Strukturentwicklung machen soll“, kündigte Kretschmer am Dienstag an. Diese Arbeitsgruppe ist beauftragt, dazu Gespräche mit Bund und Ländern zu führen, hatten die vier Vorsitzenden der Kommission am Montag mitgeteilt. Ein erstes Treffen ist am Mittwoch in der sächsischen Landesvertretung in Berlin geplant.
Hauptziel sei es, vom Bund mehr Verbindlichkeit für die finanzielle Unterstützung zu bekommen und vor allem diese zu erhöhen. Bislang hat der Bund nur 1,5 Milliarden Euro zugesagt, die in ein Sofortprogramm fließen sollen. Die drei ostdeutschen Länder fordern dagegen 60 Milliarden Euro, die der Bund und die Wirtschaft in den Strukturwandel in den Braunkohleregionen in Ost und West investieren sollen. Kretschmer will nun in den kommenden Wochen über die Errichtung eines Sonderfonds oder Sondervermögens mit verhandeln, in das über 30 Jahre lang rund zwei Milliarden Euro eingezahlt werden sollen – ein Vorschlag aus Sachsen-Anhalt.
Zweites Ziel, über das verhandelt wird, ist ein Begleitgesetz, in dem die Maßnahmen zum Ausbau der Bahnverbindungen und Autobahnen zur Verbesserung anderer Infrastrukturen, zur Ansiedlung von Bundesbehörden, Forschungsinstituten und Industrieunternehmen in den betroffenen Regionen festgeschrieben und finanziell absichert werden. Dieses Bundesgesetz könnte nach dem Vorbild des Bonn-Berlin-Gesetzes, das einst den Hauptstadtumzug regelte, entworfen werden. Erarbeitet werden sollen Eckpunkte für ein Planungsbeschleunigungsgesetz, um etwa eine ICE-Strecke von Berlin über Cottbus nach Görlitz und andere Verkehrsverbindungen viel schneller als bisher bauen zu können. Am Dienstag wurde laut Kretschmer der Baubeschluss für die Autobahn A 20 gekippt, weil der wirtschaftliche Nutzen den Eingriff in die Natur nicht rechtfertigen konnte. Das zeige die Notwendigkeit eines anderes Planungsrechts, so der Ministerpräsident. Er kündigte auch eine erste Lausitz-Investorenkonferenz für Anfang 2019 an.
„Erst wenn wir den Fonds und das Maßnahmegesetz zugesichert bekommen haben, erst dann können wir ein Ausstiegsdatum für die Kohlekraftwerke festlegen“, stellte Kretschmer klar. Es gehe darum, den Menschen in den betroffenen Regionen Planungssicherheit zu geben und der Leag und Mibrag die Chance, sich von einem Braunkohleunternehmen zu einem anderen Energie, Gas- oder Wasserstoffunternehmen wandeln zu können. Eine Lösung erwartet er in etwa sechs Wochen. Am 1. Februar will die Kommission ihren Abschlussbericht vorlegen.
Keine Zahlungen oder Aufträge fixiert
Er wolle die Kohlekommission nicht sprengen, betonte Kretschmer, „aber wir mussten die Notbremse ziehen.“ So sei im vorbereiteten Abschlussbericht für die Entwicklung im Rheinischen Revier Klarheit geschaffen worden, auch über die Zahlungen für die Stilllegungen der dortigen Kraftwerke. Dagegen seien für die Lausitz und das Mitteldeutsche Revier keine Zahlungen fixiert oder Arbeitsaufträge an die Regierung formuliert worden, hieß es.
Von der Opposition im Landtag kam scharfe Kritik am Vorgehen Kretschmers. Es zeige „ein erschreckendes Maß an Verantwortungslosigkeit“, erklärte Gerd Lippold, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grünen. In der Mitarbeit in der Kommission sieht Lippold „den Versuch, die Entscheidungen für den Kohleausstieg vor der Landtagswahl zu blockieren.“ Dank Sachsen werde es vor der Weltklimakonferenz in Katowice keine Ergebnisse geben, wie durch Kraftwerksstilllegungen das Klimaziel 2020 noch weitgehend erreicht wird, kritisierte Jana Pinka, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke.
Von Nora Miethke
Foto: © André Schulze