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200 Unternehmen, Tausende Jobs: Das ist Leipzigs neue Boom-Branche

Top 3 bis 2035: Leipzig will in den kommenden Jahren zu einem der führenden deutschen Standorte für Life Sciences aufsteigen. Schon heute arbeiten Tausende in den Lebenswissenschaften – vor allem in der Bio City. Was passiert hier – und wie geht es weiter?

Lesedauer: 4 Minuten

Florian Reinke

Leipzig. In den Laboren der Bio City Leipzig arbeiten Unternehmen und Wissenschaftler an nichts Geringerem als der Medizin von morgen. Der Komplex, nicht weit entfernt vom ikonischen „Doppel-M“ auf der ehemaligen Alten Messe, beherbergt unter anderem die Labore des Unternehmens Vita 34. Es ist eine von über 50 Firmen und Forschungsinstituten, die sich am zentrumsnahen Hotspot für Life Science angesiedelt haben – den sogenannten Lebenswissenschaften. Mario Lehmann steht in seinem Labor und zeigt auf stickstoffgekühlte Tanks, in denen bei Minus 180 Grad Celsius wertvolle Präparate aufbewahrt werden.

„Wir lagern darin Nabelschnurblut und Nabelschnurgewebe ein“, erklärt der Herstellungsleiter von Vita 34. Diese Materialien stammen von Kindern, deren Eltern sich für die Einlagerung entschieden haben. Ob Krebs oder Autoimmunerkrankungen, bei Vita 34 sind sie überzeugt: „Die Stammzellen darin sind das wertvolle Gut für Therapien.“

Mario Lehmann vom Unternehmen Vita 34: „Stammzellen sind das wertvolle Gut für Therapien.“
Mario Lehmann vom Unternehmen Vita 34: „Stammzellen sind das wertvolle Gut für Therapien.“
Quelle: Mayla Lüst

4000 Jobs auf dem Leipziger BioCity Campus

Was für manch einen nach Science Fiction klingen mag, ist in der Bio City längst Realität. Das 2003 eröffnete rote Gebäude am Deutschen Platz 5 hat sich zum Herzstück des Leipziger Life-Science-Standortes entwickelt. Bei den Lebenswissenschaften geht es um alle Bereiche, die sich mit lebenden Organismen beschäftigen – von der Medizin über die Biotechnologie bis hin zur Pharmazie.

Viele weitere Gebäude sind über die Jahre hinzugekommen: Auf dem BioCity Campus, wie sich der Biotechnologie- und Wissenschaftspark in Zentrumsnähe nennt, entstanden über 4000 Arbeitsplätze. In der gesamten Stadt arbeiten in der Branche rund 5300 Menschen in über 200 Firmen.

Die Biotechnologie-Offensive ist ein sächsisches Erfolgsmodell. – Dirk Panter (SPD), Sachsens Wirtschaftsminister

Und geht es nach den Unternehmen, der Stadt Leipzig und Sachsen, steht fest: Das war erst der Anfang. Bis 2035 will Leipzig zu den Top 3 der deutschen Standorte für Lebenswissenschaften aufsteigen.

Sachsen fördert die Biotechnologiebranche seit 25 Jahren

Auch in ganz Sachsen wächst die Branche kontinuierlich. Über eine Milliarde Euro hat der Freistaat in den vergangenen 25 Jahren in die Biotechnologie investiert.

Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter: Der Leipziger freut sich über die Entwicklung in der Bio City.
Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter: Der Leipziger freut sich über die Entwicklung in der Bio City.
Quelle: Mayla Lüst

Für Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) steht fest: „Die Biotechnologie-Offensive ist ein sächsisches Erfolgsmodell.“ Das Programm habe dazu beigetragen, „dass Sachsen heute bei Zukunftstechnologien wie personalisierter Medizin, biotechnologischen Verfahren sowie Medizintechnik-basierten Innovationen in Deutschland ganz vorn dabei ist.“ An der Messestadt führt dabei kein Weg vorbei. „Die Bio City Leipzig steht wie kein anderer Ort in Sachsen für diesen Erfolg“, sagt der Leipziger. Für den Freistaat sei klar: Man wolle die Branche weiter stärken und klug fördern.

Es sind viele Unternehmen, die am Standort wachsen: Derzeit bezieht beispielsweise das Unternehmen c-LEcta neue Räume an der Alten Messe. Die Leipziger sind ein Paradebeispiel für ein Leipziger Biotechnologie-Unternehmen: Gegründet vor 20 Jahren, entwickelt und produziert es Enzymprodukte und vertreibt diese weltweit.

Medical Forge als Startrampe für junge Unternehmen

Laut dem Gründer und Geschäftsführer Marc Struhalla werden diese zum einen für den Pharma-Bereich hergestellt: Sie kommen etwa in Krebsmedikamenten, Cholesterinsenkern und Impfstoffen zum Einsatz. Zum anderen sind sie für den Food-Bereich wichtig – etwa in der Milch: „Wir haben ein Enzym, das Laktose in Milch entfernt“, berichtet Struhalla. Gut 130 Menschen arbeiten bei der c-LEcta GmbH am Standort, 80 sind im Bereich Produktinnovationen tätig.

In der Bio City gilt die Medical Forge als Vorzeigeeinrichtung. Sie ist eine Art Startrampe für junge Unternehmen – mit Coworking-Büros und Laboren. Das Ziel fasst André Hofmann, Geschäftsführer des Verbandes BioSaxony, so zusammen: „Wir betreuen acht Unternehmen pro Jahr, die mit ihren Produkten unmittelbar vor dem Markteintritt stehen. Wir helfen dabei, die Produkte marktfähig zu machen, dass sie regulatorisch zugelassen werden und im deutschen Gesundheitssystem erstattungsfähig sind.“

Der neue Hauptsitz des Unternehmens  c-LEcta: Die Leipziger haben sich auf Enzyme spezialisiert.
Der neue Hauptsitz des Unternehmens c-LEcta: Die Leipziger haben sich auf Enzyme spezialisiert.
Quelle: Mayla Lüst

Leipzig setzt auf Wachstum in der Branche

Als Beispiel nennt er das Unternehmen RedZinc, das eine hochmoderne Tele-Medizin-Plattform entwickelt habe. „Das funktioniert wie ein Trägersystem, um Vitalparameter überwachen zu können.“ Diese Technologie könnten beispielsweise Sanitäter mitnehmen, um am Unfallort den Unfallchirurgen in die Behandlung einzubinden. Oder sie wird genutzt, um ältere Menschen und Patienten zu Hause gesundheitlich zu überwachen.

Dass der Aufstieg des Standortes gelungen ist, ist laut Hofmann der starken Unterstützung der Stadt Leipzig zu verdanken. „Dresden hat das nicht ganz so getan“, sagt er. Die Bio City weise bei Unternehmen eine Überlebensquote von fast 75 Prozent auf. „Das ist deutschlandweit einzigartig. Die Stadt Leipzig hat gesagt: Kümmert euch um die Unternehmen. Die sind nicht nur Mieter, sondern werden von uns betreut.“

Das Wachstum hat auch für Sachsen und den Wirtschaftsstandort Leipzig eine hohe Bedeutung. Die Messestadt setzt auf eine neue Clusterstrategie, die Lebenswissenschaften gehören zu jenen Branchen, die die Stadt in den kommenden Jahren verstärkt unterstützen will. Damit das Top-3-Ziel erreichbar bleibt, laufen bereits neue Projekte: Das Unternehmen Vollack etwa errichtet Neubauten für Medizin- und Biotech-Firmen. Mit der Leipziger Medizinfirma Health Innovators Group steht ein Hauptmieter im neuen „CityLab Leipzig“ bereits fest. Die Stadt Leipzig investiert zudem in Halle 12 der Alten Messe, wo bis 2027 ein Innovationszentrum für Biotechnologie-Firmen entsteht. Die Weichen für das Wachstum der Lebenswissenschaften in Leipzig sind gestellt.

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