Leipzig. Seit US-Präsident Donald Trump mit höheren Zöllen auf Importe droht, denken mehr deutsche Firmen über einen Standort in Übersee nach. Gett, ein Hersteller für Bedienlösungen aus dem Vogtland, ist diesen Weg bereits vor Jahren gegangen und will das Geschäft jetzt weiter ausbauen und auch für Dritte da sein.
Das im sächsischen Treuen ansässige Unternehmen produziert Tastaturen, Bedienterminals und wasserdichte Computermäuse für den Einsatz in Industrie und Medizin. Neben Standorten in Hongkong und im chinesischen Shenzhen ist der kleine Mittelständler auch im amerikanischen Houston vertreten.
Gett will nah an den US-Kunden sein
2007 hat Gett den Schritt über den großen Teich gewagt, um neue Kunden zu gewinnen. „Anfangs waren wir mit einem Vertriebsbüro im US-Bundesstaat New Jersey vertreten. Doch viele großen Industrieunternehmen wie Tesla, Hewlett Packard oder Oracle produzieren in Texas. Also sind wir 2016 umgezogen“, erklärt Geschäftsführer Pierre Beer.
In Houston haben die Treuener Lager- und Produktionsräume angemietet. Bereits in seiner ersten Amtszeit hat Donald Trump die Zölle erhöht. Insbesondere auf in China produzierte Waren wurden 25 Prozent fällig. Das traf auch Gett, denn das sächsische Unternehmen stellt im Reich der Mitte Tastaturen für den chinesischen und internationalen Markt her.
Gerade hat Donald Trump Zölle in Höhe von 25 Prozent auf importierte Autos angekündigt. Sanktionen gegen China gelten bereits seit einigen Wochen.
Die USA sind kein Niedriglohnland. Vor Ort zu produzieren kann teurer sein als in Deutschland. – Pierre Beer, Gett-Geschäftsführer
„Aktuell erheben die USA mehr Zölle auf Komponenten als auf fertige Produkte aus China“, sagt der studierte Bankfachwirt, der gemeinsam mit zwei weiteren Sachsen und dem Wachstumsfonds Mittelstand Sachsen (WMS) das Unternehmen 2013 in einem Management-Bay-Out übernommen hat. Dank der Fertigung in den USA kann Gett flexibel darauf reagieren. „Zurzeit exportieren wir in China fertiggestellte Produkte in die Staaten. Werden höhere Zölle auf fertige Produkte fällig, könnten wir heute stärker in den USA fertigen, auch das ist möglich.“
Grundsätzlich wünschte er sich aber mehr Verlässlichkeit statt launiger politischer Entscheidungen aus dem Weißen Haus.
Überlegt ist aus seiner Sicht der Schritt, Komponenten aus China höher zu besteuern, ohnehin nicht. „Die Steuern treffen ja nicht nur uns, sondern auch unsere Wettbewerber aus den USA selbst. Sie beziehen auch Displays, Sensoren oder andere elektronische Komponenten aus Asien.“
„Da muss jemand sofort vor Ort sein“
Zölle zu umgehen, ist nicht der Hauptgrund, warum Gett in Übersee vertreten ist.
Die Treuener wollten vor allem nah bei ihren amerikanischen Kunden sein. „Amerikaner kaufen gern amerikanische Produkte. Zudem sind sie serviceorientiert. Funktioniert etwas nicht richtig, geben sie sich nicht mit der Auskunft zufrieden, dass sich jemand in absehbarer Zeit darum kümmern werde. Da muss jemand sofort vor Ort sein“, erklärt der 43-Jährige.
Zurzeit sind die Sachsen gefragte Gesprächspartner, wenn es um Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und den USA geht. Auf der Maschinenbaumesse Intec vor wenigen Tagen in Leipzig hat Pierre Beer vor zahlreichen Unternehmern aus Mitteldeutschland gesprochen.
Schwache Inlandsnachfrage und große Sorgen
Die Stimmung in der Branche ist gedrückt, sagt er. Vor allem wegen der schwachen Inlandsnachfrage sind die Auftragsbücher längst nicht mehr so voll. Und jetzt, da alle an der Zollschraube drehen, könnten auch die Geschäfte mit dem Ausland einbrechen.
„In gewisser Weise hat Donald Trump Erfolg“, sagt er weiter. Pierre Beer weiß von einigen Unternehmern, dass sie intensiver als zuvor darüber nachdenken, in den USA zu produzieren.
„Jeder sollte individuell durchrechnen, was für ihn günstiger ist“, rät der gebürtige Karl-Marx-Städter. Nicht in jedem Fall sei eine Verlagerung des Geschäfts nach Amerika sinnvoll. „Die USA sind kein Niedriglohnland. Vor Ort zu produzieren kann teurer sein als in Deutschland. Höhere Kosten können Zollvorteile schnell auffressen.“
Um nicht gleich in einen eigenen Standort zu investieren, hilft Gett Firmen bei ihren ersten Gehversuchen auf dem amerikanischen Markt. So stellen die Vogtländer ihre Räumlichkeiten in Houston anderen Firmen zur Verfügung. Produkte können gelagert und im Showroom potenziellen Kunden vorgeführt werden.
„Sofern wir es können, fertigen wir auch für Dritte, helfen bei administrativen Prozessen oder stellen Kontakte zu Vorproduzenten her.“
Firmen aus Sachsen gehen auf Gett zu
Zu den Kunden, die in den nächsten Wochen diesen Weg gehen, gehört ein Leipziger Unternehmen, das im Medizintechnikbereich unterwegs ist. Ferner hat ein Gerätebauer aus Sachsen daran Interesse, dass Gett-Mitarbeiter in Houston die Endfertigung von seinen elektronischen Produkten übernehmen.
So oder so: Die Vogtländer wollen auf jeden Fall den Standort in Houston ausbauen. Vier festangestellte Mitarbeiter habe man vor Ort. In den nächsten Wochen sollen weitere dazukommen. Einstellungsgespräche laufen. Pierre Beer rechnet zudem mit weiterem Wachstum in den USA. Das Unternehmen mit insgesamt 200 Beschäftigten – 130 davon in Treuen – macht einen jährlichen Umsatz von zuletzt 30 Millionen Euro, fünf Prozent davon in den Staaten.