Für viele Besucher von Chipfabriken, die auch in den Reinraum vorgelassen werden, ist meist das vollautomatisierte Transportsystem unter der Decke das spannendste zu sehen. Auf Schienen sausen quadratische Kästen – Vehicle genannt – lautlos durch den Reinraum und bringen die Wafer von einer Produktionsstation zur nächsten.
In den Dresdner Chipfabriken von Infineon, Globalfoundries und Bosch stammen diese Transportsysteme alle von dem japanischen Automatisierungsspezialisten Murata Machinery. 1999 haben die Japaner die ersten Schienen im Reinraum von Infineon verlegt. Seit dem haben sie im Silicon Saxony Transportsysteme auf einer Gesamtlänge von 35 Kilometern und 1.600 Vehicles produziert. Installiert und gewartet werden sie vom Dresdner Partnerunternehmen Insecotec GmbH.

In der Dresdner Mikrochipfabrik von Globalfoundries werden die Wafer in Transportwagen auf Schienen an der Decke von einer Station zur nächsten transportiert. Hergestellt werden diese vollautomatischen Systeme von Murata Machinery aus Japan.
Dabei bleibt es nicht. Das Chip-Autobahnnetz wird weiter wachsen und folglich auch der Bedarf an qualifizierten Fachkräften, die es betreuen können. Also hat sich die europäische Tochtergesellschaft Murata Machinery GmbH Europe (Muratec) entschieden, das erste europäische Schulungszentrum in Dresden zu errichten. Dort sollen die 70 Mitarbeiter von Insecotec, aber auch Mitarbeiter von Kunden im Umgang mit den hochpräzisen Automatisierungstechnologien trainiert werden. Die Investitionssumme liegt nach eigenen Angaben bei rund sieben Millionen Euro.
„Das Schulungszentrum ist unsere Antwort auf die starke Marktdynamik und eine Verpflichtung gegenüber der Halbleiterindustrie“, betonte Sampei Murata, Inhaber von Murata Machinery. Die schnelle Expansion in der europäischen Chipindustrie mache es dringend notwendig, die Installationskapazitäten zu erweitern und neue Talente für die Branche zu begeistern, so Murata im Gespräch mit sächsische.de. Gefertigt werden die Systeme der Firma Murata hauptsächlich in Japan. Der weltweite Marktanteil liegt bei 40 bis 45 Prozent, in Europa sogar bei fast 100 Prozent.

Sampei Murata, Inhaber und Direktor des japanischen Automatisierungsspezialisten Murata Machinery Ltg., am Dienstag beim ersten Spatenstich des ersten europäischen Schulungszentrums seiner Firma in Dresden.
Partner Insecotec – 2017 gegründet von Peter Oesterreich, Lutz Große und Stefan Treichel – baut auf dem gleichen Grundstück eine neue Firmenzentrale und investiert etwa 4,5 Millionen Euro. Am Dienstag wurde in Hellerau der erste Spatenstich für beide Bauprojekte gesetzt, in Anwesenheit von Dresdens Wirtschaftsbürgermeister Jan Pratzka und Silicon Saxony-Clustermanager Frank Bösenberg.
Aus dem Festzelt heraus konnten die Gäste die Kräne auf der Baustelle von ESMC sich drehen sehen. Der weltgrößte Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan baut für zehn Milliarden Euro seine erste europäische Chipfabrik in Dresden. Auf die Frage, ob auch das Transportsystem für den Reinraum von ESMC von Murata kommen wird, lachte Sampei Murata freundlich zurückhaltend und sagte: „Wir hoffen es, aber sie sind wirklich harte Verhandler.“
Fachkräfte gesucht
Auch wenn ein möglicher Auftrag von ESMC noch offen ist, stehen die Zeichen dennoch auf Wachstum. In einigen Wochen wird Insecotec mit der Installation des Transportsystems im neuen Reinraum der vierten Infineon-Fab beginnen. „Wir sind mit unseren Timing nicht schlecht“, so Firmenchef Peter Oesterreich. Er stolperte nach eigenen Worten vor 30 Jahren eher ungeplant als Praktikant auf die Reinraum-Baustelle von Infineon. Seitdem hätten ihn die Transportsysteme nicht mehr losgelassen.
Insecotec rechnet in den nächsten ein bis zwei Jahren mit einem Mitarbeiterwachstum von dreißig Prozent. Gesucht werden vor allem Elektrotechnik-Facharbeiter und Mechatroniker. Der Zulieferer sieht sich im Wettbewerb um die Köpfe nicht als Konkurrent zu seinen großen Kunden. Und er kann mit etwas punkten, was die Chipproduzenten nicht bieten können: Bei Insecotec gibt es keine Schichtarbeit.
SZ