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Warum Lieferando-Fahrer in Dresden für zwei Tage streiken

Die Fahrrad-Essenkuriere in Dresden wollen Donnerstag und Freitag ihre orangefarbenen Rucksäcke nicht füllen. Lieferando schließt sein Dresdner Büro. Was geplant ist.

Lesedauer: 3 Minuten

Georg Moeritz

Dresden. Ein Teil der Lieferando-Fahrer in Dresden wird Donnerstag und Freitag streiken und auf der Straße protestieren. Grund dafür seien bundesweite Stellenstreichungen sowie die geplante Schließung des Dresdner Büros, das den Radkurieren auch als eine Art Pausenraum dient. Wer ab und zu Restaurant-Essen über die Liefer-App nach Hause bestellt, muss aber keinesfalls mit Magenknurren rechnen. Lieferando erwarte keinerlei Auswirkungen auf den Lieferbetrieb – Kunden sollen und Einschränkungen bestellen können.

Der Dresdner Betriebsratsvorsitzende Magnus Heerlein ist gerade dabei, den Protest zu organisieren. Seit sieben Jahren arbeitet Heerlein als Fahrradkurier. Bei Foodora fing er an, seit der Fusion ist er bei Lieferando mit den orangefarbenen Rucksäcken. Das Unternehmen ist mit örtlichen Restaurants im Geschäft – doch das soll künftig bundesweit anders organisiert werden, mit Sparmaßnahmen.

Lieferando-Büro Dresden wird eingespart

Lieferandos Logistikgesellschaft Takeaway Express hat angekündigt, bundesweit bis zu 2000 Fahrer zu entlassen. In Dresden allerdings droht nach Angaben von Pressesprecher Patrick Grundmann keinem Fahrer die Kündigung. Aber der „Hub“, die lokale Zentrale an der Ostra-Allee, soll zum Jahresende geschlossen werden.

Dort sind laut Betriebsrat sechs Angestellte beschäftigt, die etwa Arbeitszeit und Urlaub koordinieren. „Dort wird einem schnell geholfen“, sagt Fahrradkurier Heerlein. In der Anlaufstelle könne der Kurier „bei Mistwetter die Sachen wechseln“, dort sei auch das Betriebsratsbüro.

Die Dresdner Lieferando-Zentrale ("Hub") an der Ostra-Allee soll zum Jahresende geschlossen werden, damit gäbe es keine Anlaufstelle für die Fahrer mehr in der Stadt.
Die Dresdner Lieferando-Zentrale („Hub“) an der Ostra-Allee soll zum Jahresende geschlossen werden, damit gäbe es keine Anlaufstelle für die Fahrer mehr in der Stadt.
Quelle: SZ/Georg Moeritz

Dresden: Betriebsrat vertritt rund 160 Beschäftigte

Der siebenköpfige Betriebsrat in Dresden vertritt rund 160 Beschäftigte, Heerlein gehört auch dem Gesamtbetriebsrat von Lieferando an. Er sagt, ohne den „Hub“ in Dresden gebe es auch nicht mehr die 50 weißen Elektrofahrräder für Fahrer, die kein eigenes Rad besitzen.

Lieferando begründet die Schließung damit, das gehöre zu den „geplanten bundesweiten Optimierungen“. Als Übergangslösung sei ein zeitlich geplantes Leihfahrrad-Angebot geplant. Außerdem sei in den Arbeitsverträgen eine Kilometerpauschale für private Räder vorgesehen.

Gewerkschaft NGG fordert mehr als Mindestlohn

Die Essenkuriere sind unbefristet beschäftigt. Die Kuriere verdienen durchschnittlich 14 Euro pro Stunde, und in nachfragestarken Metropolen bis zu 17 Euro pro Stunde, heißt es von Lieferando. Ein Bonus kommt hinzu, wenn eine Zahl von Fahrten überschritten wird – allerdings teilt laut Betriebsrat ein „Algorithmus“ die Touren zu. Heerlein sagt, viele Fahrer seien Minijobber und erreichten den Bonus nicht. Trinkgeld gebe es, aber darauf könne man sich nicht verlassen.

Wir streiken auch für einen Tarifvertrag mit 15 Euro Grundlohn. Auf Trinkgeld kann man sich nicht verlassen. – Magnus Heerlei, Betriebsratsvorsitzender Lieferando Dresden

Vor zwei Jahren haben Betriebsrat und Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) schon einmal zum Arbeitskampf aufgerufen. Damals ging es um einen Tarifvertrag mit 15 Euro Grundlohn. „Darum geht es uns immer noch“, sagt Heerlein. Die NGG fordert laut Gewerkschafterin Romy Grahnert auch einen Sozialtarifvertrag, der an Standorten ohne Betriebsrat helfen könnte.

Selbstständige Fahrer könnten Angestellte verdrängen

Der Betriebsrat befürchtet, dass in Dresden ohne eigenen „Hub“ keine Arbeitnehmervertretung mehr gewählt werden kann. Der Pressesprecher teilt dazu mit, die Rechtsfragen würden geprüft. Den Betriebsräten sei zugesichert worden, dass sie während der Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat „als existierend betrachtet werden“.

Zur Optimierung des Geschäfts bei Lieferando gehört auch der Plan, in vielen Städten das Ausfahren an andere Firmen zu übertragen. Die NGG erwartet beispielsweise die Firma Fleetlery mit selbstständigen Fahrern. Der Lieferando-Sprecher allerdings schreibt, in Dresden sei „derzeit“ nicht geplant, dass andere Firmen die Auslieferung übernehmen. Es gehe um bundesweit knapp fünf Prozent aller Lieferando-Lieferungen. Der Betriebsrat vermutet allerdings, nach einem Test werde es weitergehen.

Der Streik bei Lieferando Dresden soll von Donnerstag, 15 Uhr, bis Schichtende am Freitag dauern. Für Donnerstag plant Heerlein einen Protestzug durch die Stadt, für Freitag eine Fahrradausfahrt.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels wurde geschrieben, dass die Kuriere bei Lieferando den gesetzlichen Mindestlohn von 12,82 Euro pro Stunde bekommen würden. Diese Passage wurde korrigiert, um die Informationen korrekt wiederzugeben.

SZ

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