Catharina Karlshaus
Großenhain. Peter und Paul müssen sich gedulden. Zumindest an diesem Donnerstagmittag, welcher einmal nicht im Zeichen der Stifterfiguren des Naumburger Doms steht. Denn während Meistersteinbildhauer Tillmann Richter sonst an den lebensgroßen Schutzpatronen des Unesco-Weltkulturerbes arbeitet, ist zumindest für diesen Septembertag ein anderes Vorhaben in den Fokus gerückt.
Die Gipsabdrücke muten zwar kleiner an als das, was momentan sonst im Betrieb des renommierten Großenhainer Naturstein- und Denkmalbetriebes von Frank Witschel entsteht. Dennoch geben sie einen eindrucksvollen Vorblick auf das, was in den nächsten Wochen dank der Fingerfertigkeit der hiesigen Bildhauer Großes geschaffen wird. „Wir sind sehr dankbar, dass wir Menschen gefunden haben, die das Handwerk so perfekt beherrschen wie die Künstler von einst“, bekennt Mette Marciniak.
Geschichtsträchtiges Anwesen
Die gelernte Steinmetzin, Restauratorin und Architektin hat sich extra mit Søren Bruun aus ihrer Heimat Dänemark auf den Weg in die Röderstadt gemacht. Ihre gemeinsame Mission: die Herrichtung von Schloss Vallø, rund 40 Kilometer südlich von Kopenhagen, inmitten einer Parklandschaft auf der Insel Seeland, gelegen.
Ein anmutiger Bau, so Mette Marciniak, dessen Geschichte sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lasse. Mehrere dänische Adelsgeschlechter seien im Laufe der Zeit Eigentümer des prächtigen Anwesens gewesen. 1708 schließlich von König Friedrich IV für seine Gemahlin erworben, habe dessen Sohn Christian VI den Besitz 1737 wiederum an die Dame seines Herzens übertragen, Sophie Magdalene von Brandenburg-Kulmbach.
Im Film hieß Vallø dann Borreholm
Sie sei es auch gewesen, die ein Frauenstift für unverheiratete oder verwitwete adlige Damen im Schloss gründete, das tatsächlich bis 1976 fortbestanden hätte. Im selben Jahr habe dann ein Filmteam Vallø für seine Zwecke entdeckt und es unter dem Namen „Borreholm“ als Kulisse für die beliebte Reihe „Die Olsenbande“, welche laut Titel dieses Mal Rot sah, genutzt. Ein bisher einmaliger Ausflug in die bunte Welt der Schauspielerei, weiß der Leiter des Schlosses Søren Bruun und lächelt.

Denn vielmehr wäre Vallø zu einem wichtigen politischen und kulturellen Zentrum avanciert. Geradezu beeindruckend sei die Architektur des nach einem Brand im Jahr 1893 tatsächlich wieder vollständig aufgebauten Ensembles. Bestehend aus einem Hauptgebäude, das von vier Türmen flankiert wird, wäre die Fassade im Renaissancestil gestaltet und verleihe dem Schloss eine majestätische Ausstrahlung.
Seit 2017 wurde Sanierung geplant
Damit dies so bleibe, sei 2017 damit begonnen worden, die Sanierung des Schlosses voranzutreiben. Unterstützt mit einer denkmalpflegerischen Förderung, sei vor fünf Jahren zunächst die Fassade des Baudenkmals umfassend restauriert worden.
In einem nächsten Schritt folge nun die Wiederherstellung von Bildhauerreliefen. Der Großenhainer Naturstein- und Denkmalbetriebes Witschel habe dabei den Auftrag erhalten, diese in sogenannten Oberkirchener Sandstein zu kopieren. Ein Material, welches von der dänischen Denkmalpflege seit mehreren Jahrzehnten bevorzugt für die Sanierung alter Gebäude ausgewählt würde.
Auch in Nordjütland wird gewerkelt
Und damit nicht genug. Parallel dazu, so Tillmann Richter, der seit 2006 für die Großenhainer Firma tätig ist, werde für Schloss Voergaard, im Norden Dänemarks gelegen, gearbeitet. „Es ist eines der größten Renaissanceschlösser in dieser Region und befindet sich im Besitz einer Stiftung“, weiß der erfahrene Steinbildhauer.
Das 450 Jahre alte Prachtportal des als eines der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Nordjütlands geltenden Schlosses bedürfe einer Erneuerung. Wiederum mit professioneller sächsischer Hilfe.
Praktisch bedeute das, dass Tillmann Richter und Dennis Klingner in Großenhain nach aufwendigen Gipsmodellen des Originals – sie werden von dänischen Bildhauern angefertigt – detailgetreu die Nachbildungen erschaffen. Genutzt würde jener Oberkirchener Sandstein und im klassischen Punktierverfahren bearbeitet.
Sandstein ist widerstandsfähig
Tillmann Richter macht keinen Hehl daraus, dass die Auswahl des Materials ganz entscheidend für die Qualität des Endproduktes wäre. Die grau-gelbe oder weißgelbe Grundfarbe des aus Norddeutschland stammenden Sandstein wirke einerseits zusammen sehr harmonisch. Neben seiner eher weichgezeichneten Farbgebung sei das hervorstechende Merkmal dieses feinkörnigen Quarzsandsteins jedoch seine Widerstandsfähigkeit und Witterungsbeständigkeit. „Seit dem Mittelalter wird Oberkirchener Sandstein deshalb in vielen historischen und öffentlichen Gebäuden weltweit verbaut“, erklärt Tillmann Richter.
Um am Ende daraus ein etwa heiter anmutendes Gesicht zu erschaffen, braucht es offenkundig nicht nur Kreativität und das notwendige handwerkliche Geschick. Gefragt sind vor allem Ruhe, Geduld und ein gutes Maß an Präzession. Denn bevor der Naturstein lebendig werden kann, werde im wahrsten Sinne des Wortes abgezirkelt. Dazu verwendet würde ein Punktiergerät, eine Art Messvorrichtung, mit welcher es möglich ist, hochwertige Kopien wie für Vallø oder Voergaard anfertigen zu können.
Was Mette Marciniak und Søren Bruun in Großenhain sehen, gefällt ihnen sichtlich. Zwei Experten, die sich selbst davon überzeugen konnten, wofür die Steinbildhauerei von Frank Witschel inzwischen europaweit bekannt ist: herausragendes handwerkliches Können und über Generationen vermittelte Erfahrungen.


