Zwickau. Transparente, rote Fahnen und betrübte Gesichter. Eine Gruppe von Beschäftigten hat sich an diesem Montagvormittag am Werkstor in Zwickau versammelt. Denn angekündigt zum Werksbesuch haben sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD).
Auf einem der Plakate steht „Dem Leuchtturm der E-Mobilität geht das Licht aus“. Auf einem anderen „Ohne Azubis keine Zukunft“. Eric Bauer hält es hoch. „Wir haben die große Sorge, nicht übernommen zu werden“, sagt der Lehrling im dritten Ausbildungsjahr. Der Nachwuchs habe doch nur eine Zukunft, wenn auch das Werk eine hat.
Eine Woche lang standen die Bänder still
„Da sieht es aber derzeit nicht gut aus“, ergänzt Maurice Schnabel, ebenfalls Lehrling im Fahrzeugbau bei VW. In der vergangenen Woche ruhten im Werk die Bänder – offiziell wegen schwacher Nachfrage. „Das verunsichert alle.“
Von Politikern auf Bundes- und Landesebene, so die Azubis weiter, erwarte man klare Signale, wie es mit der Autoindustrie in Deutschland weitergehen soll.

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Überhaupt nicht hilfreich sei es, die hohen Löhne und die geringe Arbeitszeit hierzulande zu kritisieren, wie das Michael Kretschmer im Vorfeld seines Besuchs getan habe, meint Christian Henneberg aus der Montage. Dass der sächsische Ministerpräsident mit seiner Bemerkung darauf abzielte, dass VW neue Elektrokleinwagen nicht in deutschen Werken, sondern in Portugal und Spanien bauen wird, will er nicht gelten lassen.
Zwickau sei als erstes Werk im Konzern auf die Fertigung von Elektromobilen umgebaut worden. Man habe in den vergangenen Jahren mehrere Anläufe von neuen Modellen reibungslos gemeistert. Dass der Absatz von E-Mobilen nicht läuft, habe auch mit falschen politischen Weichenstellungen zu tun, so Henneberg. Das Streichen der Kaufprämie unter der Ampel 2023 sei nur als ein Beispiel erwähnt. Um die Wettbewerbsfähigkeit in Zwickau zu erhöhen, habe man im Übrigen einige schmerzliche Einschnitte verkraften müssen.
Werk hat bei Produktivität Fortschritte erzielt
Das habe sich ausgezahlt, meint beim Rundgang durch die Montagehallen Thomas Edig, Geschäftsführer Personal und Organisation von VW Sachsen. Bei Produktivität, Effizienz und Kosten habe man wesentliche Fortschritte erzielt.
Kretschmer greift den Ball auf und verspricht, sich für eine bessere Auslastung des Werkes einzusetzen. Wie aus Medienberichten hervorgeht, hat er an die Adresse des Konzerns klare Forderungen gestellt.

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Zu diesen Forderungen gehören 250.000 Fahrzeuge pro Jahr als garantierte Mindestproduktion in Zwickau. Im vorigen Jahr rollten in Zwickau rund 200.000 Autos vom Band. Gebaut ist das Werk für eine Höchstauslastung von 360.000 Fahrzeugen.
Ferner will Kretschmer die Sicherung aller 2000 Jobs im Motorenwerk Chemnitz und den Aufbau eines Recycling-Zentrums mit rund 200 Stellen. Ursprünglich war dort von knapp 1000 Jobs die Rede.
Sachsen ist das Geburtsland der Mobilität, des Automobilbaus. Und die Menschen hier in Mosel können sich sicher sein, auch in den nächsten Jahren wird es dieses Werk geben. – Michael Kretschmer, Ministerpräsident Sachsen
„Wir sind mit dem Vorstand in konstruktiven Gesprächen. Ich bin zuversichtlich, dass wir Gehör finden“, so Kretschmer zum Stand der Verhandlungen mit Wolfsburg. Zugleich macht er der Belegschaft Mut: „Sachsen ist das Geburtsland der Mobilität, des Automobilbaus. Und die Menschen hier in Mosel können sich sicher sein, auch in den nächsten Jahren wird es dieses Werk geben“, sagt er. „Ich weiß, dass andere Geschichten erzählt werden. Glauben Sie diesen Geschichten nicht! Mosel hat eine Zukunft.“
Rückendeckung bei all dem komme aus Berlin – das habe der Autogipfel beim Kanzler gezeigt, so Kretschmer weiter. Bei Themen wie Technologieoffenheit, Ladestrom und Energiewende sei Realitätssinn eingezogen.
Betriebsrat: Werk hat bereits ordentlich Federn gelassen
Bundesumweltminister Schneider sagt in die Runde, dass die Sorgen der Belegschaft in Berlin ernst genommen werden. Mit drei Milliarden Euro wolle die Bundesregierung die E-Mobilität fördern. Kern sei das Social Leasing, ein Leasingprogramm für untere Einkommensschichten. Personalvorstand Edig lobt das Programm, das aus seiner Sicht auf die im Werk gebauten ID.3 und Cupra Born zugeschnitten sei.
Er sei zufrieden mit dem Besuch von Kretschmer und Schneider, sagt am Ende des Rundgangs der Zwickauer Landrat Carsten Michaelis (CDU). Die Politik habe erkannt, dass sie sich stark machen muss für das Werk. Es sei mit Produktionskosten von unter 4000 Euro pro Fahrzeug eine Perle im Konzern, so der Landrat weiter. Mit diesem Pfund müsse man wuchern.
Er geht zugleich fest davon aus, dass Wolfsburg am Werk festhält und noch vor 2030 die neue Plattform im Werk integriert, auf der dann neue Modelle gefertigt werden können. Nur das könne den Abbau von weiteren Stellen in diesem für Sachsen so wichtigen Werk und bei Zulieferern in der Region stoppen.
Nach Angaben des Betriebsrates hat das Werk bereits ordentlich Federn gelassen. Derzeit gebe es noch 8700 Beschäftigte – über 10.000 waren es noch vor zwei Jahren. 2500 befristet Beschäftigte mussten gehen. Hinzu kommen Mitarbeiter, die über Abfindungsprogramme das Unternehmen verlassen haben.
SZ