Leipzig/Dresden. Hohe Stromkosten, aber auch die Preise für Gas, Öl und Fernwärme belasten nicht nur die Wirtschaft. Sie bereiten auch privaten Verbrauchern zunehmend Kopfzerbrechen. Kunden sollten Zahlungsschwierigkeiten ihrem Versorger nicht zu spät anzeigen, rät die Verbraucherzentrale Sachsen. Mahnungen sind sonst die Folge. Im schlimmsten Fall wird einem der Hahn zugedreht.
Laut Statistischem Bundesamt hatten 2024 in Deutschland 4,2 Millionen Menschen in Haushalten ernsthafte Probleme, ihre Rechnung beim Strom- oder Gasanbieter zu bezahlen. Sie kamen in Zahlungsverzug. Das entsprach einem Anteil von fünf Prozent der Bevölkerung. 2023 hatten 5,4 Prozent der Kunden Zahlungsrückstände bei ihrem Versorger. Bedingt durch den Krieg in der Ukraine verharren die Strom- und Gaspreise auf einem deutlich höheren Niveau als vor der Energiekrise.
Energieausgaben belasten Ostdeutsche stärker
245.000 Fälle von Stromsperrungen sind der Bundesnetzagentur für 2024 bekannt. Das war im Vergleich zum Jahr davor ein Anstieg um rund 20 Prozent. Im Gasbereich ging es ebenfalls um ein Fünftel nach oben, und zwar auf 33.700 Fälle.
Zahlen für einzelne Bundesländer liegen den Statistikern nicht vor. Gut möglich, dass sie prozentual in den neuen Bundesländern höher liegen, denn dort belasten die Ausgaben für Energie die Haushalte stärker als in den alten, sagt Sabine Zimmermann vom Bündnis Sahra Wagenknecht in Sachsen.
„Ausgaben steigen schneller als Löhne“
Viele Verbraucher könnten die Last der hohen Energiekosten nicht mehr tragen. „Am Ende des Monats bleibt immer weniger Geld bei den Familien übrig, weil sie immer mehr bezahlen müssen: höhere Lebensmittelkosten, Kita-Gebühren oder Pflegekosten zum Beispiel. Die Löhne steigen aber nicht in diesem Umfang. Die Bundesregierung muss endlich die lang versprochene Entlastung für die Bürger liefern, denn die Unzufriedenheit wächst immer mehr“, so die Politikerin.
Kaufkraftbereinigt liegen die Kosten für Wärme, Strom, Öl und Kraftstoffe im Osten 17 Prozent höher. Das zeigen Berechnungen des Vergleichsportals Verivox. Besonders drastisch fallen die Unterschiede bei den Heizkosten aus: Ostdeutsche Haushalte zahlen da ein knappes Viertel mehr.
Im Osten treffen höhere Preise auf geringere Kaufkraft
Besonders drastisch sind die Ost-West-Unterschiede bei alleiniger Betrachtung der Heizkosten. Dort treffen höhere Preise auf eine geringere Kaufkraft. Während ein Haushalt in den neuen Bundesländern kaufkraftbereinigt 1562 Euro für das Heizen aufwendet, sind es im Westen nur 1268 Euro.
Besonders belastet sind Haushalte in Sachsen (1629 Euro), Thüringen (1604 Euro) und Sachsen-Anhalt (1603 Euro). Auch Haushalte in Bremen müssen vergleichsweise viel fürs Heizen zahlen, während in Bayern (1174 Euro) und Hamburg (1196 Euro) das Heizen unter Berücksichtigung der Kaufkraft am günstigsten ist.
Zahl der Sperrungen bei EnviaM und Sachsen-Energie gestiegen
Die Kaufkraft variiert erheblich zwischen den Bundesländern und beeinflusst maßgeblich, wie stark Haushalte die Energiekosten tatsächlich zu spüren bekommen. Beträgt das jährlich verfügbare Haushaltseinkommen in den alten Bundesländern derzeit 61.876 Euro pro Haushalt, sind es in den neuen Ländern durchschnittlich 52.891 Euro.
Beim größten ostdeutschen Energieversorger EnviaM haben im Vorjahr rund 136.000 Privat- und Gewerbekunden aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten eine Mahnung erhalten. 2023 waren es 145.000 Kunden. Die Zahl der Kunden, denen Strom oder Gas oder beides abgedreht wurde, stieg im genannten Zeitraum von 3600 auf 3950. EnviaM versorgt mehr als 1,1 Millionen Kunden unter anderem mit Strom, Gas und Wärme.
Wichtig ist, dass uns Kunden Zahlungsschwierigkeiten nicht zu spät anzeigen. – Cornelia Sommerfeld, EnviaM-Sprecherin
Sachsen-Energie mahnte im vergangenen Jahr rund 147.000 Kunden (2023: 133.000) ab. Die Zahl der Sperrungen stieg im genannten Zeitraum von 3273 auf 4253.
„Jeder Kunde mit Zahlungsschwierigkeiten wird von uns individuell behandelt und betreut. Wichtig ist, dass uns Kunden Zahlungsschwierigkeiten nicht zu spät anzeigen“, sagt Cornelia Sommerfeld von EnviaM. Grundsätzlich gebe es für die Verbraucher die Nutzung der Abwendungsvereinbarung oder Ratenzahlungen.
Sachsen-Energie: Abschläge nicht auf eigene Faust ändern
Auch Sachsen-Energie appelliert an die Kunden, Zahlungsschwierigkeiten so früh wie möglich mitzuteilen, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Diese könnte sein, die Abschlagshöhe anzupassen, wenn diese sich ändert. Der Kunde müsse sich dazu aber beim Unternehmen melden. „Wer selbstständig nur seinen bisherigen Abschlag zahlt, ohne Sachsen-Energie zu informieren, muss mit Mahnungen oder Rücküberweisung des Differenzbetrages rechnen. Die monatlichen Forderungen müssen stets mit den Zahlungen übereinstimmen“, sagt Sprecherin Johanna Lemke.
Auch Lorenz Bücklein von der Verbraucherzentrale Sachsen weist darauf hin, dass Verbraucher eine Anpassung bei ihrem Energieanbieter einfordern können, sofern die Abschläge nicht passen. „Das sollte in der Regel kein Problem sein. Im Zweifelsfall kann der Anspruch mit Fristsetzung per Einschreiben geltend gemacht werden.“
Leider gebe es auch Anbieter, die einen deutlich zu hohen Abschlag fordern und diese Taktik nutzen, um sich einen zinslosen Kredit zu verschaffen. „In manchen Fällen wird dazu der Verbrauch nicht abgelesen, sondern sehr großzügig geschätzt“, so der Energieexperte.
Die Verbraucherzentrale rät aber davon ab, ohne Rücksprache mit dem Energieanbieter Abschläge zu verringern. „Wer unberechtigt einseitig den Abschlag kürzt, kommt in Verzug und muss den Verzugsschaden tragen. Dann werden Zinsen fällig.“ Bei komplizierten Fällen sollten Verbraucher den Weg in die Rechtsberatung der Verbraucherzentrale suchen.
SZ


