Von Thomas Mielke
Aus der Luft betrachtet ist das Zuhause des Zittauer Autohauses Glaubitz GmbH & Co KG ganz schön imposant: Neben dem vor rund 90 Jahren erworbenen Stammsitz, das Haus Görlitzer Straße 53, und einigen anderen Immobilien rundherum ist ein ehemaliges Möbelhaus in den Betrieb integriert worden. Später wurde angebaut. Und vor drei Jahren hat Inhaber Andreas Ullmann die Produktionsfläche mit dem Bau einer großen Halle verdoppelt.

Autohaus und Produktionsfläche? Was produziert denn ein Autohaus? Das Glaubitz’sche hat wie jedes andere auch, Verkaufs- und Werkstatträume. Aber 1998 wurde eine Abteilung gegründet, die Produktionsflächen braucht und seitdem für das enorme Wachstum der Firma verantwortlich ist: ecu.de. Der Name steht für den englischen Begriff „electronic control unit“, zu Deutsch: Steuergerät. Diese kleinen Elektronikgeräte sorgen in Autos dafür, dass der Motor effizient tut, was er soll, der Airbag im richtigen Moment auslöst, die Tankanzeige rechtzeitig warnt … Gehen sie kaputt, wurden sie früher weggeschmissen und durch neue ersetzt. Genau an dem Punkt haben Andreas Ullmann und seine Mitarbeiter von ecu.de eingehakt: Sie reparieren diese Geräte. Das ist oftmals billiger und – was vor allem in den letzten Jahren immer wichtiger wird – nachhaltig, wie Tobias Hauck, Leiter Produktmanagement und Vertrieb, sagt. Dass das nicht nur eine modische Floskel ist, sieht man auf den Dächern der Firma: Aktuell gewinnt sie Sonnenenergie mit einer Gesamtleistung von 180 Kilowatt. In den nächsten Monaten soll weiter aufgerüstet werden, sodass es dann insgesamt 330 sein werden.
Andreas Ullmann ist passionierter Schrauber und hat die Marktlücke damals selbst entdeckt. Mit drei Technikern vor 24 Jahren gestartet, hat ecu inzwischen weit über 150 Mitarbeiter, die gesamte Firma laut Hauck 175. Von 38.500 Autowerkstätten in Deutschland schicken 25.000 im Jahr mindestens ein Paket mit kaputten Steuergeräten nach Zittau. Auch aus Skandinavien, Spanien, Tschechien, der Slowakei, Frankreich und anderen Ländern erhalten die Tüftler von ecu Reparaturaufträge. An manchen Tagen kommen 500 Pakete an der Görlitzer Straße an. Vor Kurzem hat BMW die Zittauer als erste weltweit für die Reparatur der eigenen Steuergeräte zertifiziert. Inzwischen entwickelt und stellt die mehrfach ausgezeichnete Firma auch eigene Elektronik-Produkte her. Für so namhafte Marken wie Porsche und Mercedes.
Das Wachstum ist so rasant, dass der Platz in der neuen Halle schon nicht mehr reicht. „Wir sind voll“, sagt Tobias Hauck. Die Mitarbeiter würden – bildlich gesprochen – bereits übereinander sitzen. Deshalb will das Unternehmen nun wieder bauen. Auf dem Gelände der benachbarten Gärtnerei. Nach Aussagen der Firma ist sie sich mit dem Besitzer über den Kauf bereits einig. Ein Neubau auf der grünen Wiese kommt für sie nicht infrage. Das Zittauer „Unternehmen des Jahres“ 2016 will am Stammsitz bleiben.
Doch vor dem Bau gilt es noch eine Hürde zu überspringen: das Planungsrecht. Rund um Glaubitz und die Gärtnerei stehen Wohnhäuser. Will sich ein Betrieb in so einem Gebiet erweitern, gelten strenge Auflagen. Lärmbelastungen, Abstand zu den Wohnhäusern, den Laster-Verkehr und vieles andere gilt es zu beachten. Um das zu klären, hat die Firma jetzt bei der Stadt ein Bebauungsplanverfahren auf eigene Kosten beantragt. Das Ziel: Der Standort der Firma, die Erweiterungsfläche und noch ein bisschen mehr sollen von einem Wohn- in ein Mischgebiet, in dem auch Gewerbe zulässig ist, umgewandelt werden. Der Stadtrat hat dem Wunsch mit nur einer Enthaltung während seiner jüngsten Sitzung stattgegeben.

In den kommenden Monaten werden nun die Voraussetzungen für die Umwandlung des Geländes in ein Mischgebiet geprüft, Behörden befragt und die Zittauer einbezogen. Erst dann wird klar sein, ob der Wunsch der Firma in Erfüllung gehen kann. Einige Fragen, die in dem Prozess aufkommen könnten, sind schon im Stadtrat erörtert worden. So macht sich unter anderem Matthias Böhm von den Grünen Sorgen, dass durch den Bau zu viel Fläche versiegelt werden könnte. Stadtplaner Matthias Matthey entgegnete, dass es dafür gesetzliche Grenzwerte gibt. Die Befürchtungen, dass die Verkehrs- und Lärmbelastung zunehmen könnte, entkräfteten während der Stadtratssitzung Vertreter der Firma: Lkw sollen auch nach dem Neubau ausschließlich von der Görlitzer Straße, die ohnehin eine Bundesstraße ist, auf das Werksgelände rollen. Und die Reparatur sowie die Herstellung von elektronischen Geräten verursacht generell keinen Lärm.