Katrin Leonhardt ist Vorstandsvorsitzende der Sächsischen Aufbaubank. Sie fördert nachhaltiges Engagement und macht Frauen Mut, sich um Spitzenjobs zu bewerben.
Frau Dr. Leonhardt, wie viele Förderbanken in Deutschland werden von einer Frau geführt?
Die Förderbanken von Baden-Württemberg und Saarland werden von Frauen geführt, an der Spitze der Landwirtschaftlichen Rentenbank ist eine Frau. Und in mehreren Förderbanken sind Frauen im Vorstand. Da ist in den letzten zwei, drei Jahren eine deutliche Entwicklung zu verzeichnen.
Das sind vielleicht eine Handvoll Frauen, obwohl der Frauenanteil im Bankenwesen hoch ist. Wo sehen Sie die Hauptgründe für diese Diskrepanz?
Es gibt eine Bewusstseinsveränderung. Durch die Diskussion um die Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten hat sehr wohl eine Sensibilisierung stattgefunden. Auch beim Thema Selbstverpflichtung gibt es deutlich mehr Commitment und Verbindlichkeit. Die zweite Seite der Medaille ist jedoch, dass auch genügend Frauen sagen: „Ich mach das jetzt.“ Ich glaube, dass sich noch zu wenige Frauen diese Top-Positionen zutrauen. Da müsste man ansetzen, mit gezielter Ansprache und Vertrauensvorschuss!
Ab wann stand es für Sie als Karriereziel fest, so eine hohe Führungsposition zu erreichen?
Ich erinnere mich immer wieder an die Diskussion mit meinem Doktorvater. Da war ich Ende 20. Er sagte zu mir: „Sie müssen einen Karriereplan machen und festlegen, wo Sie wann sein wollen.“ Das habe ich nicht gemacht. Aber ich glaube schon, dass man daran arbeitet, in dem, wie man die Dinge und Themen angeht, wie man in Verantwortung geht. Deshalb war und ist mein Treiber bis heute: „Ich fühle mich verantwortlich.“ Und ich war dafür auch bereit, die „extra Meile“ zu gehen. Als ich mit Mitte 40 Bereichsleiterin in der KfW wurde – eine von drei Frauen unter rund 30 Bereichsleitern und das als Ostdeutsche – war das schon ein wichtiger und großer Schritt.
Worauf kommt es noch an?
Ich hatte immer Chefs, die mich gefordert und gefördert und auch ermuntert haben, den nächsten Schritt zu gehen. In meinem Fall war es neben etlichen männlichen Chefs auch Frau Dr. Hengster, lange Inlandsvorstand bei der KfW. Sie hat mit mir damals vereinbart, dass ich auf die Management School INSEAD nach Fontainebleau gehe. Klar mit dem Ziel, mich auf eine Vorstandsposition vorzubereiten. Und man braucht eine besondere Ambition. Das bedeutet für mich: Ich möchte Impact haben, also wirksam sein. Die Möglichkeit in meiner jetzigen Funktion ,Dinge nachhaltig verändern zu können, daraus ziehe ich viel Kraft.
Welches Impactziel treibt Sie nach vorn?
Ich sehe einen Modernisierungsbedarf generell in öffentlichen Institutionen und in Förderbanken. Die Komplexität dieser Zeit, in der wir leben, die sich überlagernden Krisen, die Dynamik und die Schnelligkeit, die durch die Digitalisierung kommt, und die immense Herausforderung des globalen Klimawandels erfordern ein anderes Agieren. Wir müssen vernetzter arbeiten, mehr Wissen teilen und gemeinsam um gute Lösungen ringen. Und wir müssen schneller werden. Übertragen auf die SAB heißt das, ich will die Bank fit für die Zukunft machen. Damit sie ihrer Mission – die Wirtschaft und Gesellschaft in Sachsen zu unterstützen – auch in Zukunft gerecht werden kann.
Wie unterstützen Sie selbst Mitarbeiterinnen in der SAB?
Die SAB hat knapp 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon sind 64 Prozent Frauen und 36 Prozent Männer. Die Frauenquote auf der gesamten Führungsebene liegt bei 39 Prozent, das ist recht gut. Der Vorstand ist paritätisch besetzt mit Ronald Kothe und mir. Von den fünf Bereichsleiterinnen und -leitern sind drei Männer und zwei Frauen. Bei den Gruppenleiterinnen sind rund 50 Prozent Frauen. Das sind gute Werte! Was mir ein bisschen Sorge bereitet, ist die Ebene der Abteilungsleiter und -leiterinnen, da haben wir mit 29 Prozent Frauen und 71 Prozent Männern noch etwas Luft nach oben. Ich achte sehr darauf, dass wir bei Besetzungen – bei gleicher Eignung – versuchen, bevorzugt Frauen in die Position zu bringen. Was mich noch mehr beschäftigt als die Frauenquote, ist jedoch das Thema Diversität. 99 Prozent der Beschäftigten in der SAB haben die Nationalität deutsch. Mehr Vielfalt würde unsere Zusammenarbeit bereichern.
Die Landesregierung arbeitet an einem Gleichstellungsgesetz für den Öffentlichen Dienst. Bedarf es dessen, denn Sie machen offenbar auch ohne Gesetz Fortschritte?
Ich denke, ja. Das neue Gleichstellungsgesetz soll das sächsische Frauenförderungsgesetz von 1994 ablösen. Das halte ich für wichtig und richtig, denn das Thema einzugrenzen auf Frauen, ist nicht mehr zeitgemäß. Ein Gesetz kann das Thema Gleichstellung stärker verankern, ihm einen guten Rahmen geben. Am Ende kommt es aber auf die Personen an, die über die Besetzung von Funktionen entscheiden, also auf die Mitglieder in Aufsichtsräten, Verwaltungsräten oder Leiter und Gesellschafter öffentlicher Institutionen.
Und nun die Gretchenfrage: Wie halten Sie es in der SAB mit Gendern in der Sprache?
Ich persönlich spreche immer von Kolleginnen und Kollegen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es hat sich ein bisschen etabliert, dass man es neutralisiert, also von Bereichsleitenden und Abteilungsleitenden spricht, um es zu vereinfachen. Diese Neutralisierung mag ich persönlich nicht. Ich nehme mir die Zeit, auch wenn es ein bißchen länger dauert.
Wie fällt Ihre persönliche Bilanz nach zweieinhalb Jahren an der Spitze der SAB aus? Sie wollen die Bank modernisieren, kommen Sie bei all den Krisen dazu?
Das klingt jetzt vielleicht etwas zynisch, aber bei aller Belastung, die Corona bedeutet, war die Pandemie auch ein Segen. Sie hat uns die Gelegenheit gegeben, innezuhalten und uns zu fragen, was wir in dieser extrem anstrengenden Zeit über uns gelernt haben. Wir haben eine umfassende Strukturanalyse gemacht, das heißt, uns mit unseren Stärken und Schwächen beschäftigt, mit den Herausforderungen, Chancen und Risiken und haben auch Kunden, Ministerien und Partner in unserem Umfeld befragt. Entstanden ist ein Zukunftsbild 2025 mit vier strategischen Entwicklungspfaden, das uns Orientierung auf dem Weg in die Zukunft gibt.
Wie würden Sie mit einem Satz dieses Zukunftsbild beschreiben?
Wir sind eine moderne, kundenorientierte, digitale Förderbank, die unseren Unternehmenszweck – „Wir geben Ideen Kraft“ – nachhaltig verfolgt. Um dieses Zukunftsbild zu erreichen, müssen wir die Bank vereinfachen, standardisieren und digitalisieren. Wohlgemerkt in dieser Reihenfolge. Eine Lernerfahrung der letzten zweieinhalb Jahre ist, dass zu verein-fachen viel anstrengender ist als zu digitalisieren. Für Letzteres gibt es technische Mittel. Zu vereinfachen ist eine immense kulturelle Aufgabe.
Oft lautet die Kritik, Fördermittel werden nicht abgerufen, weil die Antragstellung zu bürokratisch sei. Wie weit sind Vereinfachungen möglich?
Ich war Mitglied der Fördervereinfachungskommission II. Wir haben uns systematisch mit den Förderangeboten im Freistaat Sachsen beschäftigt. Und Sachsen hat sehr viele Förderrichtlinien im Vergleich zu anderen Bundesländern. Wir haben Vorschläge gemacht, wie man Förderungen vereinfachen kann, indem man Förderung thematisch konsolidiert und Überschneidungen reduziert. Vor allem kommt es darauf an, sehr viel klarer und transparenter zu beschreiben: Wen will ich fördern? Was will ich fördern? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden? Und in welcher Höhe will ich fördern? Der Schlüssel sowohl für die Vereinfachung als auch für die anschließende Digitalisierung von Förderung ist, diesen Prozess ernsthaft zu durchlaufen und eindeutig zu definieren. Die Digitalisierung ist eine große Chance. Sie zwingt uns zu Transparenz und Eindeutigkeit. Wichtig ist hierbei aus meiner Sicht, die Förderrichtlinien in modulare Datenfelder zu übersetzen und zu übertragen. Aus meiner KfW-Erfahrung weiß ich, dass das möglich ist.
Es fällt auf, dass die SAB sich unter Ihrer Leitung beim Thema des nachhaltigen Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft sehr engagiert. Warum?
Weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass es dazu keine Alternative gibt. Jede und jeder als Person ist in der Verantwortung, möglichst viel dafür zu tun, diesen Planeten lebenswert aufrechtzuerhalten. Wir haben uns die Ziele gegeben, europäisch und national und auch in Sachsen, dass wir 2045 klimaneutral sein wollen. Ich fühle mich diesen Zielen verpflichtet. Wir müssen bei den Investitionen, die wir heute tätigen, darauf achten, dass deren CO2-Emissionen und Energieverbräuche möglichst gering sind. Wie schaffen wir es, nachhaltig Energie einzusparen mit Technologien, die wir heute und künftig zur Verfügung haben? Ich will, dass die SAB daran mitwirkt, dass nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltiges Investieren dauerhaft gelingen.
Interview: Nora Miethke