Die Kamillan-Werbung kennen viele aus dem MDR-Fernsehen. Wem der Hersteller aus Wernigerode gehört, wissen weniger Leute. Es sind die beiden Strüngmann-Brüder Andreas und Thomas. Den 1950 geborenen Zwillingen gehört auch die letzte noch aus dem Arzneimittelwerk Dresden übrig gebliebene Fabrik an der Meißner Straße 35.
Der Arzt und der Betriebswirt und Marketingfachmann aus Oberbayern zählen zu den reichsten Deutschen. Ihr wesentliches Vermögen haben die beiden mit Gründung, Entwicklung und zuletzt dem Verkauf des Generika-Herstellers Hexal an den Arzneimittelkonzern Novartis gemacht. 5,65 Milliarden Euro bekamen sie dafür. Einen Großteil des Geldes investierten sie erneut in Arzneimittelfirmen. Entstanden ist eine Holding, wozu die Berliner Firma Aristo mit den Wernigeroder Kamillan-Produzenten, aber auch das Radebeuler Werk gehören.
In den letzten Jahren ging es den Radebeulern nicht gut. Veränderte Bestimmungen bei Krankenkassen hatten zu drastischen Einbrüchen beim Verkauf von Wirkstoffen geführt. Von 42 auf bis unter 30 Millionen Euro war der Umsatz von 2012 auf 2013 eingebrochen. „Wir mussten handeln“, sagt Geschäftsführer Hendrik Baumann damals. Die Belegschaft war von einst 265 Mitarbeiter auf die Mindestbesatzung von unter 130 geschrumpft.
Doch während alle vorherigen Besitzer nach der Wende in solchen Fällen eiligst verkauften, hielten die Strüngmann-Brüder zur Stange. Eine neue Strategie und neue Investitionen haben inzwischen einiges bewirkt. Geschäftsführer Baumann: „Wir hatten 2014 zwei große Produkte, die wir in großen Mengen hergestellt haben und von dessen Absatz wir auch abhängig waren.“ Dazu gehörte etwa auch das einst in Radebeul entwickelte Schmerzmittel Flupirtin, das inzwischen wegen seiner Nebenwirkungen nicht mehr verkauft wird.
Die Radebeuler Arzneimittelhersteller haben umgestellt. Von Mengen, die in zehn bis 50 Tonnen produziert wurden, auf jetzt auch kleinere Mengen von 500 Kilogramm bis fünf Tonnen. Bis zu vier Fünftel der Wirkstoffe, die als Pulver in Radebeul entstehen, sind Mittel zur Blutdrucksenkung, Psychopharmaka, Antiallergika und weiter auch Schmerzmittel.
Es gibt inzwischen allerdings auch Neuprodukte, die exklusiv für einzelne Kunden hergestellt werden. Diese sowie Wirkstoffe zur Tiergesundheit, gegen Parasitenbefall und kleinere Mengen Schmerzmittel machen derzeit 20 bis 30 Prozent des Umsatzes aus. Die großen Kunden sind jetzt nicht mehr in den USA, sondern eher in Europa, in Deutschland sowieso und in Osteuropa. Zwei Anmeldungen für Wirkstoffe laufen gerade in China.
Vom niedrigsten Stand mit unter 130 Mitarbeitern sind die hiesigen Arzneimittelhersteller wieder auf 150 Beschäftigte gewachsen. Weitere 15 Lehrlinge lernen an der Meißner Straße Chemikant oder Laborant. Hendrik Baumann sagt: „Wir werden weiter wachsen. Es entwickelt sich gut.“ Zum Ende des Jahres will Arevipharma vom jetzt Dreischichtbetrieb auf dann durchgehende Schichten übergehen. Das werde gerade auch mit den Mitarbeitern besprochen. Die Firma will auch weiter Mitarbeiter einstellen.
Und: Die Strüngmann-Brüder investieren in neue Technik. Was in Radebeul inzwischen auch nötig ist. Gerade wird eine Kleinkesselanlage in Betrieb genommen, mit der eben auch kleinere Mengen als bisher wirtschaftlich sinnvoll hergestellt werden können. Die hat einen siebenstelligen Betrag gekostet.
Hendrik Baumann: „Wir haben bei uns jetzt einen Fünfjahrplan. Da steht drin, wie unser Geschäft realistisch wachsen soll und wie wir investieren wollen.“ Investieren etwa in die Automatisierung – was in der Wirkstoffherstellung eines Chemiewerkes heißt, die Prozesse moderner zu gestalten, dazu gehören Rührwerke mit Steuerung, die Temperaturregelung und das digitale Umsetzen der Rezepturen.
Betriebsratsvorsitzende Bärbel Starke bestätigt die Aufwärtsentwicklung. „Es war wirklich gut, dass die Strüngmänner an Radebeul festgehalten haben“, sagt sie. Jetzt gelte es, fair miteinander das durchgehende Schichtsystem einzuführen.
Von Peter Redlich
Foto: © Arevipharma