Von Gunnar Klehm
Handwerker haben wieder freie Kapazitäten, manchmal sogar kurzfristig. Die Kunden freut es. Firmen stellen sich die Frage: Geht es mit der Bauwirtschaft jetzt bergab? Das könnte man bejahen, wenn auf die steil abfallenden Zahlen erteilter Baugenehmigungen für Wohnungen schaut, die ein wichtiger Motor gerade für den Mittelstand sind. Bundesweit hat sich die Zahl der Baugenehmigungen in den vergangenen zwei Jahren um rund ein Drittel reduziert.
„Der Wohnungsbau liegt völlig am Boden. Bei uns ging es im letzten Jahr quasi auf null runter“, sagt Frank Grunze, Geschäftsführer der Hoch- und Ingenieurbau Wilsdruff GmbH (HIW). Dass seine 90 Beschäftigten trotzdem keine Sorge haben müssen, dass sie ihren Job verlieren könnten, hat damit zu tun, dass die Auftragsbücher voll waren und HIW nicht nur im Wohnungsbau aktiv ist.
Im ersten Halbjahr 2023 wurde in Deutschland der Bau von nur noch 135.200 Wohnungen genehmigt. Das waren 50.600 weniger als im Vorjahreszeitraum, was einen Rückgang von 27,2 Prozent entspricht. Es fanden sich viel zu wenige Bauwillige. HIW gehört zu jenen Glücklichen, die noch einen gefunden haben.
In Dresden baut das Unternehmen gerade 29 neue Wohnungen in Dresden-Pieschen für die kommunale Wohnungsbaugesellschaft WiD. Jetzt sitzt Grunze in seinem Büro auf dem Betriebsgelände in Wilsdruff und schaut auf seinen PC. Das ist quasi ein erzwungenes Ritual geworden. Fast täglich ruft er Zahlen im Internet auf, er guckt aber nicht auf die Zahl der Baugenehmigungen, sondern auf die aktuellen Rohstoffpreise. Das ähnelte in den letzten Jahren dem Schauen eines Horrorfilms, der nur leider real war. Inzwischen entspannt sich die Miene des Geschäftsführers aber zusehends. Holz- und Baustahlpreise sind wieder auf Normalmaß gesunken. Nur bei Beton, Kies und Sand gibt es noch keine Entspannung.
Rohstoff-Preise auf Allzeithöhen
Was Bauunternehmern und Bauherren in den vergangenen Jahren gleichermaßen viele Nerven gekostet hat, macht eine vergleichende Grafik des Statistischen Bundesamtes deutlich. Demnach waren ab dem Jahr 2021 die Preise für Holz und Stahl im Vergleich mit den Preisen von 2015 sprunghaft auf das Zweieinhalbfache gestiegen. Kalkulationen der Baufirmen waren Makulatur.
Wenn mit Bauherren Festpreise vereinbart waren, was bis dahin eher die Regel war, begann das große Zittern. Zuerst schmolzen geplante Gewinne der Baufirmen. Es folgten Vertragspoker mit Lieferanten oder neuen Bauherren. Als die Preise Anfang 2022 gerade wieder sanken, begann Russland den Großangriff auf die Ukraine, einem wichtigen Stahllieferanten. Die Rohstoff-Preise sprangen auf Allzeithöhen.
Frank Grunze ist von Hause aus ein besonnener Unternehmer, den so schnell nichts aus der Bahn wirft. Doch auch ihm sieht man nun an, dass die Daueranspannung schlaucht. „Ich kann mich im Betrieb auf ein super Team verlassen, das hilft“, sagt er.
Dass niemand das Risiko für extreme Preissprünge am Weltmarkt tragen will, ist nachvollziehbar. Die Kalkulationen von Häuslebauern sind dafür zu eng gestrickt. Gestiegene Baupreise auf Mieten umzulegen, funktioniert für Wohnungsunternehmen auch nur begrenzt. In dieser angespannten Wirtschaftslage setzte die ambitioniert gestartete neue Bundesregierung ab 2022 noch einiges oben drauf: Genannt seien die starke Mindestlohnerhöhung, Gebäudeenergiegesetz, CO2-Abgabe oder Maut. Baufirmen fühlen sich zunehmend überfordert und machen die Bundesregierung verantwortlich.
„Seit 20 Jahren baue ich Wärmepumpen ein. Die Zahl würde sich sofort erhöhen, wenn für einen niedrigen Strompreis gesorgt würde“, sagt Thomas Hillig, Geschäftsführer von MS Tec Gebäudetechnik. Verbote seien dagegen keinerlei Anreiz. Das bewirke nur, dass sich ein Abwarte-Verhalten verfestigt. Ein Ende der fetten Jahre würde eingeläutet.
Verband spricht von Chaosjahr
Alexander Müller, neuer Direktor des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Sachsen, nannte 2023 ein Chaosjahr. „Wenn nicht schnell für bessere Rahmenbedingungen und langfristige Planungssicherheit gesorgt wird, kann nicht mehr ausreichend in attraktives, bezahlbares Wohnen investiert werden – ein Szenario, das enorme soziale Sprengkraft birgt“, erklärte er.
Es gibt aber auch Aussagen und Zahlen, die Hoffnung auf Besserung machen. Nach der Coronazeit, als zeitweise das Insolvenzrecht gelockert wurde, müssen zwar wieder mehr Firmen Insolvenz anmelden. Die Zahl der Firmenpleiten in der Baubranche ist aktuell aber weit von denen vor 15 Jahren entfernt. Damals gab es in Sachsen laut Statistischem Landesamt 446 Insolvenzen im Baubereich. 2022 waren es 122, die ersten drei Quartale 2023 liegen ebenfalls auf diesem Niveau. Noch werden viele Aufträge abgearbeitet. Werden keine Nachfolger gefunden, verschwinden Firmen auch ohne Insolvenz vom Markt.
Hoffnung macht auch die Aussage von einem der größten Wohnungsunternehmen in Sachsen, der Vonovia. „2024 werden wir unser Investitionsvolumen erhöhen und vor allem die energetische Sanierung sowie den altersgerechten Umbau von Wohnungen verstärken“, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage mit.
Von Neubau in Größenordnungen ist zwar nicht die Rede, aber Vonovia werde den Ausbau von Photovoltaik und den Einbau von Wärmepumpen forcieren – auch in Sachsen. Auch das neue Förderungsprogramm Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment sei ein Schritt in die richtige Richtung. Nun komme es aber auf die genaue Ausgestaltung an.