Leipzig . Die 38 sächsischen Abgeordneten des Bundestages erhalten in diesen Tagen Post. Absender ist die IHK Leipzig, die sich auch im Namen der anderen Sachsen-IHKs vehement gegen ein neues Vergaberecht wendet, über das im alten Bundestag noch vor seiner Auflösung entschieden werden soll. Das Ziel der Initiative ist klar: Das Gesetz soll in letzter Minute gestoppt werden, mit dem Schreiben will man die Abgeordneten aus dem Freistaat für ein „Nein“ bei einer Abstimmung gewinnen.
Das von der rot-grünen Minderheitsregierung vorgelegte Gesetzespaket aus dem Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) firmiert unter dem sperrigen Sammelbegriff „Vergaberechtstransformationsgesetz“. Es geht um Vereinfachung und Beschleunigung der Vergabeverfahren. Offenbar sind auch Teile von Union und FDP nicht abgeneigt, dem Gesetz noch zuzustimmen, was vor allem bei der IHK in Leipzig die Alarmglocken schrillen lässt. „Der Gesetzentwurf enthält zwar eine Reihe bürokratieentlastender Maßnahmen, die wir begrüßen“, sagte Uwe Bock, Chefjustiziar der IHK zu Leipzig. „Allerdings sieht der Entwurf auch vor, dass soziale und umweltbezogene Kriterien im öffentlichen Beschaffungsprozess zwingend berücksichtigt werden müssen.“
„Es würde komplexer und aufwendiger werden“
Bisher, so der IHK-Chefjustiziar, stehe es öffentlichen Auftraggebern frei, ob sie soziale oder umweltbezogene Kriterien ansetzen. Träte das Gesetz aber so in Kraft, würden Ausschreibungsverfahren für Unternehmen erheblich komplexer und aufwendiger, warnte Bock vor den Folgen. „Natürlich ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor“, sagte er. „Aber dafür sind schon Normen vorhanden, beispielsweise das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und EU-Vorschriften.“
Natürlich ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor, aber dafür sind schon Normen vorhanden.
– Uwe Bock; Chefjustiziar der IHK Leipzig
Trotz der eigentlich guten Absicht, den Wettbewerb zu fördern und die Beschaffung wirtschaftlich zu gestalten, besteht aus Sicht der IHK Leipzig für das neue Gesetz die akute Gefahr, als Bürokratiemonster zu enden. „Die Regelung baut in beträchtlichem Maße neue Bürokratie auf, angesichts der Recherche-, Dokumentations- und Nachweiserfordernisse“, warnte Bock. Der Brief endet dann auch mit dem Aufruf an die sächsischen Bundestagsabgeordneten, den Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren abzulehnen.
Kritik an Vergabemindestlohn von über 15 Euro
Ähnliche Bauchschmerzen haben die Sachsen-IHKs auch bei der Analyse des Koalitionsvertrags von CDU und SPD im Freistaat. Das in der alten Legislatur noch gescheiterte Vergabegesetz liegt nun in einer Neufassung vor. Vor allem der beabsichtigte Vergabemindestlohn von deutlich über 15 Euro sorgt beim Wirtschaftsverband für Empörung. „Das erschwert vor allem für kleinere Unternehmen die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen“, kritisierte Max Jankowsky, Präsident der IHK Chemnitz. „Diese Unternehmen, für die es im Freistaat ohnehin schon schwer genug ist, gegen Großunternehmen zu bestehen, werden dadurch noch weiter überfordert.“