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Bewegung in der Chefetage der Glashütter Uhrenfirma Mühle

Das Unternehmen schaut auf eine lange Geschichte zurück. Jetzt hat Geschäftsführer Thilo Mühle dafür gesorgt, dass diese fortgesetzt wird.

Lesedauer: 4 Minuten

Man sieht Thilo Mühle mit seinen Kindern Fanny und Dustin, die den Uhrenhersteller Mühle leiten.
Diese drei leiten den Uhrenhersteller Mühle: Thilo Mühle (re.) mit seinen Kindern Fanny und Dustin. Im Uhrenmuseum ist eine kleine Ausstellung zur Firmengeschichte zu sehen. © Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Für Thilo Mühle ist es immer wieder faszinierend, auf Produkte zu treffen, die seine Vorfahren geschaffen haben. Vor ein paar Tagen war es einmal mehr so weit. An einem Oldtimer-Motorrad konnte er einen Tacho bewundern, den seine Vorfahren gebaut hatten. Das ist gelebte Geschichte. Im Deutsche Uhrenmuseum Glashütte kann man so einen Tacho bewundern. In einer kleinen Ausstellung, die im Foyer ab sofort – kostenfrei – besucht werden kann, wird die Geschichte der Unternehmerfamilie Mühle erzählt.

Die Ursprünge reichen bis zu Thilo Mühles Ururgroßvater Robert Mühle zurück, der vor 155 Jahren die erste Mühle-Firma gegründet hatte. Damals wurden hochpräzise Messinstrumente für die Uhrenfirmen gebaut, später produzierten die Mühles Tachometer und Drehzahlmesser.

Das heutige Unternehmen wurde 1994 – also vor genau 30 Jahren – von Thilo Mühles Vater Hans-Jürgen gegründet und spezialisierte sich zunächst auf den Bau von Schiffsuhren, später auch auf Armbanduhren. Heute beschäftigt es 65 Mitarbeiter, ist eine von zehn Uhrenfirmen in Glashütte und die einzige, die von einer Familie geführt wird. Darauf ist man stolz. Deshalb feiert man auch die Gründung der ersten Mühle vor 155 Jahren.

Politiker müssen für bessere Stimmung sorgen

Jedes Quartal gibt das Unternehmen eine auf 155 Exemplare limitierte Sonderedition heraus. Die dritte kommt in diesen Tagen auf den Markt. Im Bereich der Sportuhren hat das Unternehmen eine Neuausrichtung eingeleitet. Diese werden in Zukunft dem Gehäuse-Grunddesign des kürzlich vorgestellten Modells Sportivo folgen. Diese Produkte und die Sondereditionen hätten dem Unternehmen geholfen, sagt Geschäftsführer Thilo Mühle. Denn wie viele andere Unternehmen durchlebt auch Mühle eine herausfordernde Zeit.

„Die Leute schauen, wo sie ihr Geld ausgeben.“ Der 55-Jährige hofft, dass sich die Stimmung im Land – wie kurzzeitig während der Fußball-Europameisterschaft – wieder bessert. Dann dürfte auch die Kauflaune wieder steigen. Denn Geld sei genug im Umlauf. Das zeige sich auch daran, dass viele nicht auf Urlaub verzichten. „Außerdem sind die Nettolohnzuwächse in Deutschland gar nicht so schlecht.“ Die Verantwortung für den Stimmungsumschwung sieht er bei den politisch Handelnden.

Und noch etwas hilft Mühle derzeit. Das Unternehmen profitiert davon, dass einige Mitbewerber – wie Lange Uhren – den Vertrieb und Verkauf ihrer Uhren in einige Hände nimmt und immer mehr Boutiquen eröffnen. Der Fachhandel sucht deshalb nach Alternativen. Mühle könne Lange zwar nicht ersetzen, aber dazu beitragen, dass das Angebot vielfältig bleibe. Die Firma selbst werde keine Boutiquen eröffnen. „Dafür sind wir viel zu klein“, sagt Thilo Mühle, der 2007 die Geschäftsführung übernommen hatte.

Mühle hat sich inzwischen aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Dort arbeiten jetzt seine Vertrauten. Seine Frau kümmert sich um das Personal, auch seine Kinder Fanny und Dustin haben wichtige Aufgaben übernommen und bilden seit April mit ihm die dreiköpfige Geschäftsführung. Damit hat er auch den nächsten Übergang eingeleitet. „Das muss man früh machen“, sagt Thilo Mühle. Er sei froh, dass seine Kinder dazu bereit seien. Der nun eingeleitete Übergang werde Schritt für Schritt erfolgen. „Ich kann mich um die strategischen Dinge kümmern.“ Das habe seinen Alltag beruhigt. Aber wenn sein Rat gefragt ist, steht er seinen Kindern gerne zur Seite.

Zum Firmenjubiläum hat Mühle dieses Modell als Sonderedition herausgebracht, den S.A.R. Rescue-Timer Edition 1994. Davon gibt es 155 Exemplare. Er kostet 2.500 Euro.
© PR

Mühles Kinder sind über Umwege ins Unternehmen gekommen. Fanny, gelernte Physiotherapeutin und studierte Sozialpädagogin, arbeitete zunächst im Jugendamt des Landratsamtes. „Ich habe die Welt von einer anderen Seite kennengelernt“, sagt die 30-Jährige. Ihre Erfahrungen – auch im Umgang mit Menschen – bringt sie nun in den Betrieb ein. Hier kümmert sie sich gemeinsam mit ihrem Vater vor allem um den Vertrieb, die Fachhändler und die Kundenbetreuung.

Uhrenhersteller Mühle Glashütte

  • die Firma stellt Uhren in drei Produktlinien her, außerdem baut die Firma Einsatzuhren, zum Beispiel für Seenotretter
  • 70 Prozent der Uhren verkauft Mühle in Deutschland, weitere wichtige Märkte sind USA (zehn Prozent), Italien, Österreich, Großbritannien, Benelux-Staaten, China und Japan
  • Mühle bietet derzeit 64 verschiedene Uhrenmodelle an, sie kosten zwischen 1.200 und 4.050 Euro

Dustin, der sich selbst als Stratege bezeichnet, ist für die Fertigung, die Produktion und den technischen Service zuständig. Zu dieser Position ist er allerdings nicht „ganz geradlinig“ gekommen. Nach der Oberschule hat er in Dresden sein Abitur gemacht und eine Ausbildung zum Fluggerätemechaniker bei den Elbeflugzeugwerken absolviert. „Das war sehr wertvoll“, sagt der 33-Jährige. Denn dort habe er sich intensiv mit Metallen und deren Be- und Verarbeitung beschäftigt. Als die Zeiten dort unsicher wurden, begann er ein Studium zum Wirtschaftsingenieur, das er auch abschloss. 2019 ist Dustin, der mit seiner Familie in Karsdorf lebt, in das Familienunternehmen eingestiegen.

Mühle bekam auch Reaktionen auf die Landtagswahl

Auch wenn die Glashütter Unternehmen – wie Mühle – gerne über Tradition und Geschichte sprechen, müssen sie sich mit der Gegenwart auseinandersetzen. Denn nach der Landtagswahl, bei der die AfD auch in Glashütte zulegen konnte, melden sich die Kunden. So auch bei Mühle. Eine Mail kam aus dem Ausland, zwei aus Deutschland. Ein Kunde habe der Firma mitgeteilt, dass er jetzt mit einem mulmigen Gefühl auf die Uhr schaue. „Die beiden anderen Mails hatten einen ähnlichen Tenor“, berichtet Thilo Mühle. Er nimmt sie zur Kenntnis.

Seiner Meinung nach müsse man sich mit dem Erstarken der AfD demokratisch auseinandersetzen. „Es gibt sehr viele Leute, die diese Partei aus Frust und nicht aus Überzeugung wählen.“ Deshalb sei er weit davon entfernt zu glauben, dass jeder AfD-Wähler ein Nazi sei. Er hofft, dass dieses Wahlergebnis die Mitglieder der demokratischen Parteien anspornt, für ihre Überzeugungen zu kämpfen. Die demokratische Mitte müsse einen Weg finden, ihre Ziele und Überzeugungen anders an die Wähler zu bringen. Das sei es, was ihn als Demokraten antreibe, so Mühle.

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