Suche
Suche

Bürokratieabbau: Was Sachsens Bürger erwarten können

Andreas Handschuh, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, zum Projekt Bürokratieabbau – der Plan, konkrete Änderungen und alle Termine. Er verspricht: Bürger und Wirtschaft werden davon spürbar profitieren.

Lesedauer: 4 Minuten

Das Bild zeigt Andreas Handschuh
Andreas Handschuh

Gunnar Saft

Dresden. Bürokratieabbau ist ein politisches Dauerthema im Freistaat. Schon vor über 20 Jahren griff man hierzulande zum „Paragrafen-Pranger“, um die Zahl der Vorschriften und Verwaltungsregeln einzudämmen. Der Erfolg solcher Projekte war jedoch stets überschaubar. Sachsens Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Andreas Handschuh, erklärt im Interview, wie diesmal alles besser gelingen soll – und muss.

Herr Handschuh, warum versucht sich die Staatsregierung jetzt erneut am Bürokratieabbau und damit de facto an etwas Unmöglichem?

Unmöglich ist das nicht. Es ist sogar zwingend erforderlich. Wir müssen die Wachstumsbremsen lösen. Sonst nutzt uns auch das ganze Geld nichts, welches jetzt per Kredit als Sondervermögen aufgenommen wurde. Der Effekt würde verpuffen. Wir müssen den Staat schlanker machen. Wir brauchen mehr Freiheit und mehr Vertrauen – sowohl zu den Bürgern und als auch zur Wirtschaft.

„Aufsichtswahn“ nun auch wieder beim Stollen-Fall

Das sollten Sie mal dem Umweltbundesamt sagen, welches erst dieser Tage eine neue Folien-Abgabe für Sachsens Stollenbäcker angekündigt hat.

Genau das passiert, wenn eine Behörde einseitig Entscheidungen trifft. Man nimmt einen absoluten Einzelfall, der theoretisch vielleicht einmal passieren könnte, und macht daraus eine Vorschrift für alle und für immer. In diesem Fall, weil man davon ausgeht, dass sich jemand einen Stollen kaufen und diesen wie einen Hamburger sofort komplett aufessen könnte. Deshalb gibt es eine Folien-Abgabe wie bei einem Imbiss-Snack. Kennen Sie einen Menschen, der einen 750-Gramm-Stollen „to-go“ isst? Wer das macht, hat wahrscheinlich prompt ein medizinisches Problem. Die neue Abgabe soll trotzdem kommen. Das ist eine Art „Aufsichtswahn“, der aus einem Einzelfall den neuen Standard macht, mit dem danach alle überzogen werden.

Und so wächst der Bürokratie-Berg weiter – genau wie der Frust der Bürger und der Wirtschaft.

Wissen Sie, Bürokratie ist ja eigentlich etwas Gutes, weil es Verbindlichkeit und Verlässlichkeit bedeutet. Und wenn ich das als Investor habe – und dafür stand Deutschland bisher – kann ich hier investieren und produzieren, weil ich weiß, dass das alles seine geregelten Bahnen geht. Was insbesondere in den letzten fünf Jahren aber zunehmend passiert ist, dass sich ein Investor nicht mehr auf Zusagen verlassen kann, sondern plötzlich mit immer neuen Auflagen belegt wird. Genau da ist das Problem.

Eines, das auch in Sachsen ungelöst ist: Seit 2016 gibt es hier einen Normenkontrollrat, und trotzdem werden jedes Jahr deutlich mehr Vorschriften neu eingeführt als abgeschafft? Wie wollen Sie das ändern?

Die Idee für den Normenkontrollrat war richtig. Wir sehen damit, wie viel Verwaltungsaufwand eine Regelung für den Staat erzeugt. Künftig müssen wir aber die Auswirkungen auf Unternehmen und die Bürger betrachten. Und das muss im Vorfeld passieren und nicht im Nachgang. Dazu sollen mehr externe Experten in den Rat einbezogen werden, etwa aus der Wirtschaft. Neue Gesetze werden vorab einem Praxis-Check unterzogen: Gibt es ein ausreichendes öffentliches Interesse an einer solchen Regelung? Wenn nicht, lassen wir es.

Das ist der Plan: Wie wird der Bürger künftig aber spüren, dass es mit dem Bürokratieabbau tatsächlich vorangeht? Welche Vorteile erwarten ihn konkret?

Der Staat wird sich – auch wegen des demografischen Wandels – auf weniger Aufgaben konzentrieren müssen. Wenn wir uns aber von Aufgaben trennen, merkt der Bürger nicht immer sofort etwas vom Bürokratierückbau. Wir lenken damit aber Personal frei, dass dann für andere wichtige Aufgaben zur Verfügung steht – die Polizei, die Gesundheitsfürsorge oder mehr Lehrer an den Schulen. Und das ist dann ein Vorteil, den die Bürger spüren werden.

Das Ziel: Weniger Formulare und kürzere Bearbeitungszeiten

Das neue Anti-Bürokratieprojekt wird also nicht zwingend dazu führen, dass mein Bauantrag schneller genehmigt wird oder für Bürgeranliegen weniger Papierkram notwendig ist?

Weniger Formulare, mehr Digitalisierung und kürzere Bearbeitungszeiten – das ist ein zentrales Ziel. Es kann nicht sein, dass wir in Sachsen immer noch 16 verschiedene Fachverfahren für Baugenehmigungen haben. Wir werden standardisieren, vereinfachen und digitalisieren.

Sie begeben sich also öffentlich ins Wort, dass den Bürgern diesmal wirklich konkrete Vorteile ins Haus stehen?

Ja. Die Servicequalität wird steigen, und die Vereinfachungen bei den Bauanträgen werden kommen. Nicht zuletzt stehen wir in puncto Digitalisierung von Verwaltungsverfahren kurz vor der Einführung mehrerer neuer Module, die viele interne Abläufe beschleunigen werden. Das alles dient dazu, an der Schnittstelle Staat-Bürger-Wirtschaft schneller zu werden.

Im Frühjahr 2026 soll der Startschuss fallen

Auf welche Zeiträume muss sich der Bürger einstellen, bis die ersten Verbesserungen wirksam werden?

Die ersten Schritte müssen im nächsten Jahr gegangen werden. Im Juni hat die Staatsregierung dafür eigens eine Reformkommission beauftragt, die ihren ersten Zwischenbericht jetzt im Herbst vorlegen wird. Der endgültige Bericht soll im nächsten Frühjahr vorliegen, und dann muss entschieden werden, mit welchen Projekten wir sofort starten. Ich bin da sehr zuversichtlich.

Eine neue Kommission, noch mehr Prüfberichte, dazu eine neue Geschäftsstelle, wie passt das alles zum Bürokratieabbau?

Das mag erstmal seltsam anmuten. Wir machen es praktisch aber doch anders. Die neuen Gremien sind nicht nur wie üblich mit Experten besetzt, sondern gleichzeitig auch mit jenen, die tatsächlich die Kompetenz haben, alle Vorschläge auch zügig umzusetzen. Eigentlich sind wir ja in Deutschland immer schon „Erkenntnis-Weltmeister“. Wir wissen genau, woran es hakt, aber zu oft bleibt es beim Wissen. Diesmal geht es ums Machen. Das ist das Ziel: in kurzer Zeit möglichst viel erreichen.

Das könnte Sie auch interessieren: