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Chaos auf Sachsens Pannenlinie: Was ist los mit dem RE6 zwischen Leipzig und Chemnitz?

Bei den Fahrgästen liegen die Nerven blank: Auf der Strecke des Regional-Express RE 6 zwischen Leipzig und Chemnitz kommt es immer wieder zu erheblichen Störungen. Drei Probleme machen Betreiber und Passagieren zu schaffen.

Lesedauer: 4 Minuten

Florian Reinke

Leipzig. Ausfälle, Verspätungen und Ungewissheit – wer mit dem Regionalexpress (RE6) zwischen Leipzig und Chemnitz unterwegs ist, dürfte inzwischen einiges gewohnt sein. Die Probleme auf der wichtigen Strecke reißen nicht ab, im Gegenteil: Der RE6 mit Zwischenhalt in Bad Lausick, Geithain, Narsdorf und Burgstädt gilt inzwischen als Pannen-Linie im Freistaat Sachsen.

In dieser Woche lässt sich das erneut beobachten – Beispiel Montag: „Aufgrund mehrerer Fahrzeugstörungen“, hieß es in einer Fahrgastinfo, müssten den Tag über „einzelne Züge mit verminderter Kapazität“ verkehren.

ProBahn hat „kein Verständnis mehr“

Solche Einschränkungen sind beinahe zur Normalität geworden. Der Fahrgastverband ProBahn Mitteldeutschland schlägt deshalb Alarm: Von einem „Skandal“ und einer „Blamage für die Europäische Kulturhauptstadt Chemnitz“ spricht der Verbandsvorsitzende Markus Haubold. „Wir haben keinerlei Verständnis mehr für die stetig wiederkehrenden massiven Einschränkungen auf der Strecke“, sagt er. Eine derart hohe Ausfallrate der Fahrzeugtechnik sei nicht hinnehmbar.

Zuletzt schienen die Einschnitte im Stundentakt besonders gravierend. Von „chaotischen Zuständen“ ist bei den Fahrgastvertretern die Rede: Ende März habe es an einem Tag „Totalausfälle des RE6″ gegeben. Der Ersatzverkehr bestand demnach lediglich aus einem kleinen Bus. Auf einer Fahrt sollen gar zwei Lokomotivschäden aufgetreten sein. Was läuft auf der Strecke also schief? Es sind im Wesentlichen drei Bereiche.

1. Problem: Die veralteten Züge des RE6

Eigentlich sollten auf der RE6 schon längst neue Alstom-Akkutriebzüge zum Einsatz kommen – doch bisher konnte der Hersteller nicht liefern. Mittlerweile wird der Einsatz erst zum Jahresende erwartet.

Derzeit gilt daher ein Ersatzkonzept: Laut Mitteldeutscher Regiobahn fahren Doppelstockzüge auf der Linie, die von Alstom angemietet werden. Doch diese Übergangslösung steht massiv in der Kritik: „Seit der Einführung des Ersatzkonzeptes kommt es immer wieder zu massiven Problemen auf der Strecke mit Ausfällen und Verspätungen“, moniert ProBahn.

Wir haben keinerlei Verständnis mehr für die stetig wiederkehrenden massiven Einschränkungen auf der Strecke. – Markus Haubold, Vorsitzender Fahrgastverband ProBahn Mitteldeutschland

Tatsächlich treten bei den Fahrzeugen immer wieder technische Probleme auf. Derzeit sei „ein Teil der planmäßigen Fahrzeuge aufgrund einer technischen Störung nicht verfügbar“, heißt es von der Mitteldeutschen Regiobahn auf Anfrage. In der vergangenen Woche hatte es deshalb auch Ausfälle gegeben. Ersatzweise fahren sogenannte LINT-Triebwagen – allerdings mit einem reduzierten Platzangebot. Das war laut ProBahn auch am Dienstag der Fall.

Um die Fahrgäste zu entlasten, setzt die MRB immer wieder Ersatzbusse und einen Entlastungszug ohne Zwischenhalt nach Chemnitz ein. Diese Züge würden aber eher spontan eingesetzt, kritisiert ProBahn – eine Planung für Fahrgäste sei daher nicht möglich.

Als wäre das nicht genug, sorgt eine neue Anweisung des Eisenbahnbundesamtes für weiteren Ärger: Aufgrund von gesundheitsschädlichen Dieselabgasen darf der erste Wagen hinter den eingesetzten Dieselloks in Fahrtrichtung Chemnitz vorerst nicht mehr besetzt werden. Für Fahrgäste stehen damit nur zwei Wagen zur Verfügung – der Platz wird also noch knapper. In Richtung Leipzig, wo die Wagen von der Lok geschoben werden, bleibt der erste Wagen geöffnet.

2. Problem: Die schlechte Infrastruktur

Der Zustand der Schieneninfrastruktur gilt als weiterer zentraler Grund für die Misere auf der Strecke. Die Verbindung ist eingleisig – das macht den Betrieb anfällig für Störungen. Fahrzeugausfälle, Hindernisse auf den Gleisen, Wildunfällen oder Vandalismus können das gesamte System schnell lahmlegen.

Kein Zutritt mehr: Der erste Wagen hinter der Diesellok bleibt vorerst gesperrt.
Kein Zutritt mehr: Der erste Wagen hinter der Diesellok bleibt vorerst gesperrt.
Quelle: Andre Kempner

Was lässt sich also tun? Die MRB betont, dass die Strecke nur durch eine geplante Elektrifizierung und einen zweigleisigen Ausbau entlastet werden könne. Dies würde die Infrastruktur „erheblich verbessern“.

Eine schnelle Lösung ist jedoch nicht in Sicht, vielmehr wachsen die Sorgen, dass das Projekt ins Stocken gerät. Einer Mitteilung des Sächsischen Infrastrukturministeriums zufolge verlangsame sich die Projektplanung. Grund sei eine „geplante Finanzierungsbeschränkung“. Zu den Details konnte sich das Ministerium auf Anfrage kurzfristig nicht äußern – es stellte eine Stellungnahme für die kommenden Tage in Aussicht.

Bei ProBahn hat die Ankündigung bereits erhebliche Kritik ausgelöst. Verbandschef Haubold sagt, die drohende Verzögerung lasse ihn „völlig fassungslos zurück und zeigt die verfehlte Prioritätensetzung“. Und weiter: „Es wird zudem ein zentrales Versprechen gebrochen, den Ausbau der Strecke endlich konsequent anzugehen.“

3. Problem: Mangelnde Kommunikation

Fahrgäste, die vom Ersatzverkehr nichts wissen oder ein unangekündigter Ausfall – oft haben Fahrgäste auf der RE6 mit einem Mangel an Informationen zu kämpfen. „Verspätungen oder Ausfälle werden häufig erst zu einem sehr späten Zeitpunkt mitgeteilt, was zu erheblichem Unmut führt“, kritisiert Markus Haubold. Von alternativen Transportmöglichkeiten würden Fahrgäste in vielen Fällen gar nicht erst erfahren.

Die Kritik stößt beim zuständigen Verkehrsverbund auf Verständnis. Die Verantwortung liege klar bei der Mitteldeutschen Regiobahn, heißt es dort. „Wir haben mehrfach gedrängt, denn wir wollen nicht, dass die Fahrgäste im Regen stehen“, sagt ein Sprecher.

Hintergrund für den Ärger: Die MRB stellt derzeit auf ein neues Betriebsleitsystem um. Fahrgastinformationen könnten daher zurzeit mitunter verzögert bereitgestellt werden, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. An einer Lösung werde jedoch intensiv gearbeitet – zumindest hier können Fahrgäste auf baldige Besserung hoffen.

Fazit: Tiefgreifende Probleme auf der Strecke Leipzig – Chemnitz

Technische Defekte an den Zügen, eine veraltete Infrastruktur und mangelhafte Kommunikation – die Probleme auf der RE6 sind tiefgreifend und zeigen beispielhaft, wie das System Bahn an seine Grenzen gerät. Langfristige Lösungen werden dringend gebraucht – doch durch die angespannte Finanzlage erscheint unklar, wann die Infrastruktur tatsächlich verbessert werden kann.

Klar ist: Für die Europäische Kulturhauptstadt 2025 kommt das zur Unzeit, und auch für Leipzig ist die Anbindung ein Problem. Man müsse schließlich bedenken, sagt Markus Haubold von ProBahn: „Der RE6 verbindet mit Leipzig und Chemnitz zwei Großstädte, Oberzentren und Wirtschaftsregionen mit entsprechendem Fahrgastpotential.“

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