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Chefin des BMW-Werks in Leipzig: „Sind voll ausgelastet und werden Sonderschichten fahren“

In der Messestadt läuft ab Herbst der neue Mini vom Band. Werksleiterin Petra Peterhänsel spricht im Interview über volle Auftragsbücher und die Zukunft der E-Autos in Deutschland.

Lesedauer: 5 Minuten

Petra Peterhänsel, BMW-Werksleiterin im Werk in Leipzig.
„Ich habe gern Führungsverantwortung und mag es, wie sich Menschen und Prozesse entwickeln“, sagt Petra Peterhänsel, BMW-Werksleiterin in Leipzig. Hier wird ab November der neue Mini Countryman produziert. © BMW AG

Von Sven Heitkamp

Petra Peterhänsel führt seit Anfang 2022 das Leipziger BMW-Werk mit heute 5.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – und ohne Statussymbole: kein Chefzimmer, sondern Großraumbüro, kein personengebundener Parkplatz vor der Tür. Im Fuhrpark des Hauses steht ab November ein weiteres Modell: der neue Mini Countryman, der auf der IAA Anfang September Weltpremiere feierte.

Das Modell der britischen Kultmarke – heute eine BMW-Tochter – läuft künftig in Leipzig vom Band. Am 10. November kommen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und BMW-Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic zum offiziellen Startschuss. Im Interview blickt Werkleiterin Peterhänsel, die privat einen 20 Jahre alten BMW Z3 Roadster fährt, auf den Start des neuen Modells, die Zukunft der Elektroautos und die Chancen von Frauen in der Autoindustrie.

Frau Peterhänsel, was erwarten Sie sich vom Start des Mini Countryman in Leipzig?

Es wird der erste Mini „Made in Germany“. Mit dem Modell wird unser Leipziger Werk wieder sehr gut ausgelastet sein. Die Zahl der Mitarbeiter steigt um mehrere Hundert. Dazu haben wir einen Personalaufbau in der E-Komponentenfertigung von 1.000 Mitarbeitern. Denn wenn im März der Countryman als vollelektrisches Modell kommt, bauen wir dafür die Batterien komplett in Leipzig. Und wir produzieren die Hochvoltspeicher nicht nur für den Mini, sondern auch für die bayerischen Schwester-Standorte, die ebenfalls Elektrofahrzeuge bauen.

Wie viele Minis sollen im Jahr vom Band laufen?

Genaue Zahlen sind vorab schwer zu nennen. Nur so viel: Wir haben die gesamte Werkskapazität von zuletzt 250.000 Fahrzeugen im Jahr auf mehr als 350.000 erhöht. Auch das vorherige Modell des Countryman wurde etwa 100.000-mal im Jahr verkauft. Weniger sollten es nicht werden.

Wie hat BMW das Leipziger Werk für den Countryman um- und ausgebaut?

Wir haben so ziemlich jede Technologie in der Produktion angefasst. Die Werkzeuge im Presswerk, neue Maschinen und Anlagen im Karosseriebau, die Lackiererei und die Montage sind erweitert worden, es wurden neue Roboter eingebaut und eine neue Lackiertechnologie für die Kontrastdächer des Mini‘ geschaffen. Parallel wurden und werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Tätigkeiten speziell geschult. In Zukunft können wir die Produktion unserer BMW-Modelle – den 1er, das 2er Gran Coupé und den 2er Active Tourer – wie auch den Mini Countryman mit allen drei Antrieben – Verbrenner, Plug-in-Hybrid und vollelektrisch – auf einer einzigen Montagelinie produzieren. Damit sind wir in Leipzig Pioniere. Wir verfolgen als BMW Group eine technologieoffene Strategie: Der Kunde entscheidet, welchen Antrieb er fahren möchte. Und wir bleiben flexibel und unabhängiger von Marktschwankungen.

In Leipzig wird ab November der neue Mini Countryman produziert.© BMW

Parallel haben Sie das Leipziger Werk für eine Milliarde Euro als Standort für E-Komponenten- und Batteriefertigung ausgebaut. Sind Sie angesichts schwächelnder Nachfrage noch glücklich mit dem Zeitpunkt?

Es ist genau der richtige Zeitpunkt, wieder mit einem vollelektrischen Fahrzeug auf den Markt zu kommen. Der Countryman bedeutet für uns eine Riesenchance. Wir erleben bei Fachleuten und der Presse eine sehr positive Resonanz. Das Interesse ist riesig. Ein Grund dafür ist, dass das Modell so gewachsen ist. Früher galt der Mini als Zweitwagen. Aber der Countryman ist als Erstwagen familientauglich.

Keine Angst vor einer Flaute?

Bei unseren Fahrzeugen aus Leipzig merken wir das nicht. Wir sind voll ausgelastet und werden Sonderschichten fahren, um die Nachfrage zu decken. Die BMW Group hat weltweit im ersten Halbjahr ihre Verkaufszahlen bei vollelektrischen Fahrzeugen mehr als verdoppelt. In Deutschland haben wir ein Plus von 27 Prozent. Bei den Modellen, die wir jetzt bauen, gibt es lange Wartezeiten. Von Flaute also keine Spur.

Während VW in Zwickau Personal abbaut und in der Gläsernen Manufaktur in Dresden offenbar die Produktion einstellt …

Wir müssen kein Personal abbauen, wir stellen weiter ein. Auch nächstes Jahr werden wir Fachkräfte und Arbeitskräfte für die Produktion rekrutieren. Ich bin sicher, dass die E-Mobilität die Zukunft ist. Dazu haben sich alle Hersteller bekannt. Wir setzen ergänzend noch auf andere Antriebsarten wie die Wasserstoff-Brennstoffzelle.

Was muss der Staat möglicherweise noch tun, um die Elektromobilität zu unterstützen?

Herausforderungen sehe ich vor allem bei der Lade-Infrastruktur, die noch nicht überall gegeben ist, besonders in den ländlichen Regionen. Wir sehen noch zu viel Bürokratie, langwierige Genehmigungsprozesse, fehlende Voraussetzungen für neue Ladenetze. Da haben wir großes Potenzial, schneller zu werden. Manche Länder in Nordeuropa machen ja vor, wie es gehen kann.

Das BMW-Werk in Leipzig auf einer Aufnahme von 2022.© dpa/Jan Woitas

Aber geht nicht der Trend weg vom eigenen Auto, hin zu mehr Carsharing, Bus und Bahn?

Wir sehen im Moment keinen Rückgang. Im Gegenteil. Es entscheiden sich wieder mehr Menschen, gerade junge Leute, für das eigene Auto. Das dürfte damit zusammenhängen, dass es inzwischen viel mehr Angebote und tolle Modelle bei der E-Mobilität gibt, während man mit den Öffentlichen nicht überall eine Anbindung hat. Die jungen Leute wollen ihre individuelle Mobilität erhalten. Das heißt übrigens nicht, dass man mit den Autos direkt in die Städte möchte. Wir arbeiten mit der Stadt Leipzig an Möglichkeiten, wie man den Individualverkehr in der City reduzieren kann.

Alle reden vom Fachkräftemangel. Wie ist die Lage für BMW in Leipzig?

Als große Automarke sind wir natürlich ein attraktiver Arbeitgeber. Aber das Thema Arbeits- und Fachkräfteverfügbarkeit betrifft auch uns. Gerade für die E-Mobilität suchen wir qualifizierte Mitarbeiter. Wir machen Werbung, präsentieren uns auf Messen und werden internationaler. Wir stellen heute viel mehr Arbeitskräfte aus Regionen wie dem arabischen Raum oder etwa aus Indien ein. Neulich haben wir 59 Arbeitskräfte begrüßt, die aus 23 Nationen kamen. Inzwischen arbeiten in unserem Werk mehr als 50 Nationalitäten. Die Integration ist natürlich eine Herausforderung, denn nicht alle sprechen Deutsch oder Englisch. Aber es funktioniert ganz gut.

Versuchen Sie auch, mehr Frauen für den Automobilbau zu begeistern?

Unser Standort hat zurzeit zwölf Prozent Frauenanteil. Da ist noch Luft nach oben. Was mich aber freut, ist, dass wir mehr Frauen für Führungsebenen begeistern können. Wir haben mehr Meisterinnen, Gruppenleiterinnen, Vorarbeiterinnen und Spezialistinnen. Und wir haben ein Frauennetzwerk, um uns auszutauschen. Wir schauen heute bewusster und gezielt darauf, mehr Frauen für Leitungsfunktionen zu gewinnen, bieten Mentorings, Trainings und Coachings an. Vielleicht hilft dabei, dass wir mit mir eine Werkleiterin haben. Glaubwürdiger geht es ja eigentlich nicht.

Sie selbst wollten als junge Frau eigentlich Kindergärtnerin werden …

Ja. Aber das Leben spielte mir einen Streich. Wer in der DDR Kindergärtnerin werden wollte, musste zu einem Stimmtest. Ich hatte mich gut darauf vorbereitet, Gedichte und Lieder gelernt. Aber am entscheidenden Tag war ich stockheiser, habe keinen Ton rausgekriegt. Dann hat meine Mutter gesagt: Komm, jetzt bewirb dich bei Wartburg. Inzwischen bin ich seit mehr als 40 Jahren in der Autoindustrie.

… und als Werkschefin eine seltene Spezies. Wie erleben Sie ihre Rolle?

Ich war tatsächlich oft die erste und einzige Frau. Aber das war nie mein eigentliches Ziel. Mir war es immer wichtig, meine Arbeit zu erledigen. So habe ich meinen Weg gemacht, als Qualitätskontrolleurin bei Wartburg und dann bei Opel, später als Teamsprecher und Vorarbeiter. Als Bereichsingenieurin bei Opel bin ich in höhere Führungsfunktionen gekommen. Mit 35 habe ich noch Betriebswirtschaft studiert und das Diplom gemacht. Es macht mir einfach Spaß, mich zu entwickeln und etwas zu bewegen. Ich habe gern Führungsverantwortung und mag es, wie sich Menschen und Prozesse entwickeln.

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