Von Sven Heitkamp
Mehrere Tausend Wohnungen werden inzwischen jedes Jahr in Leipzig gebaut, allein voriges Jahr waren es gut 2.600. Ein Neubauprojekt ragt jetzt allerdings aus der Menge heraus: An der Bernhard-Göring-Straße in der Südvorstadt entsteht zurzeit ein Siebengeschosser, der fast ausschließlich aus Holz errichtet wird.
Die Firma Riethmüller Immobilien aus Kirchheim bei Stuttgart hat das Grundstück schräg gegenüber vom Amtsgericht Leipzig schon vor Jahren gekauft, die Bautafel steht und die ersten Bagger sind angerollt. Bis Ende nächsten Jahres oder spätestens Anfang 2025 soll das Haus mit 6.200 Quadratmetern Mietflächen bezugsfertig sein.
Nur Keller und Erdgeschoss, die drei Treppen und Aufzugschächte werden dabei aufgrund der Vorschriften in der Bauverordnung aus Beton gegossen. Alle anderen Etagen bis zum sechsten Stock entstehen komplett aus Holz, sagt Bauherr Oliver Riethmüller. Verbaut werden bis zu 26 Zentimeter dicke Massivholzplatten, die Richtung Süden sogar naturbelassen bleiben sollen. „In dieser Höhe und Größenordnung ist das Projekt deutschlandweit noch ziemlich einmalig“, sagt Riethmüller. Er gehe aber davon aus, dass die massive Holzbauweise zur Zukunft des Bauens immer mehr dazugehören werde.
Beton wird immer teurer
„Mich fasziniert das Thema Holz sehr“, sagt Riethmüller. Die Atmosphäre und die Baubiologie seien ganz anders als in einem Betonbau. Der Holzbau sei überdies deutlich nachhaltiger, da die Zementindustrie einer der größten CO2-Emittenten sei. Und der Baustoff rechnet sich inzwischen: Durch die steigenden CO2-Abgaben werde Beton immer teurer. „Holz ist heute eine echte preisliche Alternative“, sagt Riethmüller. Für das Projekt kalkuliert er mit Baukosten von rund 15 Millionen Euro. Unterstützt wird die Investition dabei durch ein Förderprogramm für sozialen Wohnungsbau der Stadt und des Freistaates.
Entstehen sollen 76 Mietwohnungen, davon 74 für sozialen Wohnraum mit Mietpreisen von 6,50 Euro pro Quadratmeter für mindestens 20 Jahre. So sehen es die Förderrichtlinien der Stadt Leipzig vor. Für den Investor sei das Projekt ein belastbares Geschäftsmodell. „Wir wollten nicht auf Mieter setzen, die 12 oder 13 Euro Miete aufbringen müssen“, sagt Riethmüller.
Beauftragt mit der Holzbau-Konstruktion ist das Familienunternehmen „ABA Holz van Kempen“ aus der Nähe von Augsburg, die ihr Material von der österreichischen Firma KLH bezieht – einem Pionier in der Herstellung von großformatigen Massivholzplatten für Wände, Decken und Dachelemente. Wenn erst mal das Erdgeschoss aus Stahlbeton steht, benötige der Aufbau der sechs Etagen aus Holz lediglich neun Wochen, erzählt der Bauherr.
Wichtig sei ihm dabei auch das nachhaltige Gesamtkonzept des Hauses: Im obersten Stockwerk ist ein Co-working-Space vorgesehen, in dem Mieter gemeinsam arbeiten können – mit Blick über die Südvorstadt. Eine Solaranlage auf dem Dach soll günstigen Strom für die Mieter liefern und Carsharing-Stellplätze in der Nachbarschaft für ökologische Mobilität stehen.
Weitere Projekte geplant
Im Erdgeschoss des Hauses ziehen zudem eine Drogerie und ein Getränkemarkt ein. Das Sozialwohnungs-Projekt in der Südvorstadt dürfte dabei nicht das einzige Holzhochhaus in Leipzig bleiben. Anfang des Jahres vermeldete die Stadt Leipzig bereits, dass die Wohnungsbaugenossenschaft Kontakt in der Plattenbausiedlung Paunsdorf ein Hochhaus in reiner Holzbauweise bauen wolle.
Einen entsprechenden Beschluss habe die Stadtspitze auf Vorschlag von Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) auf den Weg gebracht. Das Vorhaben solle als Pilotprojekt dienen und neue Erkenntnisse mit dem Baustoff Holz liefern. Holzhochhausprojekte würden derzeit vom Freistaat Sachsen als Experimentalbau gefördert, hieß es aus dem Rathaus.
Bundesweit sind die Leipziger Projekte aber nicht mehr allein: Das Wohnhaus „Skaio“ in Heilbronn gilt derzeit mit einer Höhe von 34 Metern als höchstes Holzhaus in Deutschland. In der Hamburger Hafencity entsteht zurzeit sogar ein 65 Meter hohes Holzhochhaus. Und weitere Projekte sind deutschlandweit in Planung.