Wenn Bedrich Jetelina sein Taschenmesser zückt, gerät er ins Schwärmen. "Es hat ein edles Design und ist zugleich sehr praktisch. Ich schneide damit eigentlich alles", fährt der Sprecher der tschechischen Messerfirma Mikov über den geriffelten Griff. Die Serie "Pocket" wurde von dem Prager Studio Olgoj Chorchoj designt und bekam prompt einen Preis. Jede Vertiefung wurde mit Hand ausgestanzt. Das erfolgt in den historischen Gebäuden in Mikulasovice (Nixdorf), nur wenige Kilometer von der Grenze zu Sachsen entfernt, wo schon seit 225 Jahren Messer hergestellt werden.
In Tschechien ist Mikov vor allem dank ihres "Fischmessers" eine Legende. Das kleine Taschenmesser in Form eines Fisches gehört zur Erstausstattung jedes Jungen. Doch dass das Werk mehr kann, soll gerade das "Pocket"-Messer zeigen. Das hochwertig verarbeitete Messer aus Stahl, das Mikov als "Messer für die Lady und den Gentleman" verkauft, kostet umgerechnet 120 Euro. "Ich weiß, das ist nicht für jeden. Aber so was können eben nur wir machen", spielt Jetelina auf den hohen Grad an Handarbeit in dem Werk an.
Zweites Leben für Nestle-Kapseln
"Wir konzentrieren uns auf Kleinserien und Qualität", beschreibt Karel Jezek das Segment, in dem Mikov den Erfolg sucht. Jezek ist seit zwei Jahren Eigentümer und Geschäftsführer in Personalunion. Schlagzeilen machte Mikov letztes Jahr, als bekannt wurde, dass die Fabrik ihr legendäres Messer mit dem Fisch aus recycelten Nestle-Kaffeekapseln herstellt. Auch diese Messer waren von Olgoj Chorchoj designt. "Solche Serien sind oft binnen kurzer Zeit ausverkauft", sagt Sprecher Bedrich Jetelina. Der Rekord liegt bisher bei 45 Minuten für eine Sonderserie des in Tschechien beliebten Outdoor-Messers "Uton". "Wenn ich gewusst hätte, dass die dann für ein Vielfaches weiterverkauft wurden, hätte ich mir auch welche zugelegt", frotzelt Jetelina.
Doch um Qualität zu erreichen, braucht Mikov auch die dazugehörigen Arbeitskräfte. Das ist nicht einfach in einer Zeit, da man im nahen Sachsen deutlich mehr verdienen kann, wie Chef Jezek sagt. "Da können wir nicht konkurrieren." Außerdem war es jahrelang andersherum. Mikov musste Mitarbeiter entlassen. Vom Kombinat vor 1989 aus mehreren Betrieben mit 1 300 Mitarbeitern blieben vor fünf Jahren gerade einmal 50 Angestellte übrig. Inzwischen ist ihre Zahl wieder auf 100 gewachsen.
Um Mitarbeiter zu gewinnen, setzt Jezek auf die Menschen vor Ort, für die das Werk eine Art Tafelsilber ist. Jan Grundza ist so ein Beispiel. Er befestigt im Montageraum die Griffe an den Messern. Als es in Mikulasovice keine Arbeit gab, pendelte er lange Jahre ins tschechische Auto-Mekka Mlada Boleslav (Jungbunzlau). "Mein Großvater und mein Vater arbeiteten schon hier, nun also auch ich", erzählt er.
Auch Eigentümer Jezek ist eng mit dem Ort verbunden. Sein Vater war bis 1986 sogar Generaldirektor von Mikov. Und seine Familie lebte hier schon vor 1945. Sein Großvater wurde nicht wie die meisten anderen deutschstämmigen Einwohner vertrieben, sondern als Fachkraft gebraucht. "In meiner Kindheit sprach ich mehr Deutsch als Tschechisch. Heute ist das leider etwas verloren gegangen", gesteht der 57-jährige. Doch das könnte er bald wieder auffrischen. Eines seiner Ziele ist, sich mehr im benachbarten Deutschland zu etablieren. Immerhin fährt er regelmäßig auf Messen. "In Deutschland kommt gut, wenn ich unsere Kataloge mit den historischen Betriebsgebäuden zeige", erzählt er.
Deutsche Vergangenheit
Doch trotz der großen Tradition ist Mikov in Deutschland gänzlich unbekannt. Eine seiner ersten Maßnahmen nach der Übernahme war es deshalb, die Verkaufsabteilung deutlich aufzustocken. Schrittweise modernisiert er den Maschinenpark, erweitert das Werk und setzt auf Fusionen ähnlicher Unternehmen. Er selbst brachte den Büroartikelhersteller Ron aus dem benachbarten Lipova (Hainspach) ein. Ron war vor 1989 Teil des Kombinats Mikov. Auch Mikov stellt bis heute Büroartikel wie Locher, Scheren und Spitzer her.
Vor wenigen Wochen meldete Mikov mit dem südlich von Prag gelegenen Werkzeughersteller Narex Bystrice (Stechbeitel, Stemmeisen, Schnitzmesser) die Übernahme eines weiteren Traditionsbetriebes mit ähnlicher Ausrichtung. Davon verspricht sich Jezek viele Synergien. "Wir haben die gleichen Lieferanten, die gleichen Kunden, ähnliche Produktionsprozesse und sogar das gleiche Computerprogramm", zählt Jezek auf.
Es scheint, als hätte Mikov seinen Weg und in Karel Jezek den richtigen Eigentümer gefunden. Einer, der von hier stammt und sein Schicksal mit dem Erfolg des Werkes verbunden hat. "Ich kann nirgendwo hingehen", bekennt er. "Ich bin hier geboren, aufgewachsen und lebe bis heute hier."
Von Steffen Neumann
Foto: Petr Spanek