Suche

Das Erdbeer-Problem: Was Ernteroboter können und was nicht

Die sächsischen Landmaschinen Elwobot und Caesar zeigen beim Feldtag in Dresden-Pillnitz, was sie gelernt haben. Aber können Roboter auch Erdbeeren pflücken?

Lesedauer: 5 Minuten

Man sieht einen Ernteroboter.
Im Pillnitzer Spalierobst vor Weinbergen: Der Elwobot fährt auf dem Versuchsgelände des Landwirtschaftsamtes selbstständig durch die Reihen und mäht. Pflücken müssen andere. © Foto: SZ/Veit Hengst

Von Georg Moeritz

Dresden. Mit den schnurgeraden Reihen aus Apfelbäumen kommt der Elwobot prima zurecht. Auf breiten Reifen saust die sächsische Landmaschine los, senkt das Mähwerk ab und schneidet das Kraut in den Fahrgassen der Spalierobstplantage. Am Ende der Baumreihe wendet der Elwobot selbstständig und arbeitet sich durch die nächste. Ist die Elektrobatterie fast leer, fährt die Maschine auf einen Fahrzeug-Anhänger und drückt ihren Anschluss zum Aufladen gegen eine Metallplatte.

Um dem Elwobot so viel Selbstständigkeit beizubringen, mussten viele Dresdner Forscher jahrelang experimentieren. Schließlich soll die Landmaschine mehr leisten als ein handelsüblicher Gartenmähroboter. Doch kann die sächsische Erfindung auch Äpfel pflücken – oder gar die druckempfindlichen Erdbeeren? Bei einem Feldtag in Dresden-Pillnitz ließen sich Obst- und Weinbauern in dieser Woche die neuesten Maschinen zeigen und trugen den Technikern ihre Wünsche vor.

Der Elwobot ist noch ein Forschungsprojekt, bezahlt vom Land Sachsen und entwickelt von Technischer Universität Dresden und dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Der Roboter kann schon selbstständig navigieren, weil seine Lasersensoren die Umgebung abtasten. Die Daten werden über 5G-Mobilfunk an einen mobilen Leitstand und zurück übertragen. Satellitendaten und Kameras nutzt der Elwobot auch.

Panne: Hornissen besetzen den Mobilfunk-Container

Ein Lidar-Sensor stellt während der Fahrt fest, wie dicht der Baum in verschiedenen Höhen belaubt ist. Danach lässt sich berechnen, wieviel Pflanzenschutzmittel gespritzt werden muss. Das gezielte Spritzen aus unterschiedlichen Düsen muss aber noch erprobt werden. Außerdem kennt der sächsische Selbstfahrer bisher nur standardisierte Versuchsflächen. Der Wissenschaftler Jens Fehrmann von der Professur für Agrosystemtechnik spricht lieber „vom automatisierten als vom autonomen Fahren. Wir sind vorsichtig geworden“. Ein großer Teil der Entwicklungsarbeit hat mit Software zu tun.

Von den Robotern verspricht sich Norbert Eichkorn viel. Der scheidende Präsident des Landwirtschaftsamts erinnert beim Feldtag an das Ziel, bis 2030 den Verbrauch künstlicher Pflanzenschutzmittel in der EU zu halbieren. Technik trage dazu bei. Der Arbeitskräftemangel sei eine Herausforderung für die Lebensmittelproduktion in Sachsen – Rationalisierung könne helfen.

Erst einmal bremsen wilde Tiere das Vorzeigeprojekt in Pillnitz: Hornissen haben sich in einem Container eingenistet, der den Mobilfunk für das örtliche Campusnetz bereitstellt. Zum Schutz der Besucher fahren die Nachrichtentechniker der Universität lieber einen anderen Container mit Wlan- und 5G-Routern heran.

Rollhacke am Roboter statt Pflanzenschutzmittel

Regen erschwert die Vorführung an diesem Dienstag zusätzlich, da wird normalerweise nicht gemäht und gemulcht. Dr. Klaus Weidig holt seinen Caesar daher gar nicht erst vom Hänger, sondern zeigt ihn nur: Ähnlich wie der Forschungsroboter Elwobot ist der Caesar ein ziemlich autonom fahrender „Geräteträger ohne festen Bedienplatz“. Nicht nur vorne und am Heck können Bearbeitungsgeräte angeschlossen werden, sondern auch an der Zwischenachse. Weidig empfiehlt da zum Beispiel die Rollhacke zur Unkraut-Entfernung – anstelle der Chemikalie Glyphosat.

Sächsisches Gemeinschaftswerk: Der Selbstfahrer Caesar vom Firmenverbund Innotrac2020 kann Agrar-Werkzeuge an drei Punkten anschließen. Wegen Regens holte ihn Geschäftsführer Dr. Klaus Weidig beim Feldtag nicht vom Hänger.© SZ/Georg Moeritz

Der Caesar ist ein Gemeinschaftsprojekt von vier kleineren Betrieben aus dem Raum Singwitz bei Bautzen, wo in der DDR Mähdrescher hergestellt wurden. Ihre gemeinsame Firma Innotrac2020 GmbH bietet den Caesar nicht nur zur Bodenbearbeitung an, sondern auch für den „Konturenschnitt“ am Spalierobst. Zum Preis möchte sich Geschäftsführer Weidig noch nicht äußern, schließlich wurde erst ein Caesar verkauft – an ein Fraunhofer-Institut zur weiteren Forschung. Doch Weidig sagt, das Gerät könne wohl 80 Prozent der Lohnkosten eines Fahrers einsparen – der müsse die Maschine nur noch vorbereiten und mit Diesel betanken. Beim Elwobot experimentieren die Forscher indes auch mit Wasserstoff-Ladetechnik.

Greifer mit Silikon und Kohlenstoff

Ans Obstpflücken wagen sich die Konstrukteure aber noch nicht heran. Dabei gibt es schon empfindsame Fingerspitzen für Roboter: Dr. Markus Henke, Gründer der PowerOn GmbH in Dresden, beschäftigt sich schon seit mehr als zehn Jahren mit künstlichen Muskeln und fühlender Haut für die Industrie. Er zeigt weiches Silikon mit gedruckten Kohlenstoff-Adern vor, eine verformbare Elektronik.

Greifer mit diesem Material können zum Beispiel Wachtel-Eier und Reagenzgläser umsetzen, ohne sie zu quetschen. Henke bietet seine Erfindung der Lebensmittel-Industrie an und sucht noch Anwender. Er weiß: Obst pflücken gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Automatisierung. Vorher sollten die Techniker es erst einmal mit dem Ausdünnen versuchen.

Enrico Neumann rät jedenfalls davon ab, dass Roboter Erdbeeren anfassen – und sei es auch mit Silikonkissen. Der Produktmanager der IAV GmbH Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr testet gerade einen Roboterarm mit Kamera, der tatsächlich Erdbeeren erntet. Doch er berührt das Fruchtfleisch nicht: Die Maschine muss vielmehr den Stängel erkennen und durchschneiden. „Wir wiegen jede Frucht und legen sie dann in den Behälter“.

Automobil-Experten tüfteln jetzt an Erdbeer-Pflücker

Was sich so einfach anhört, hat viele Hindernisse: Blätter, Blüten und grüne Früchte hängen vor den reifen Erdbeeren. Der Greifer muss daran vorbei, ohne Schaden anzurichten. Für Menschen mit zwei Augen und zehn Fingern ist das einfach, für den Roboter Neuland. Laut Neumann haben zeitweise 40 Ingenieure gleichzeitig an dem Gerät gearbeitet. Eine neue Aufgabe für das Unternehmen IAV, das in Orten wie Stolberg traditionell für die Autoindustrie forscht und wegen deren Wandels zusätzliche Forschungsfelder sucht.

Bitte berührungslos pflücken: Die Schere an diesem Roboter der IAV GmbH Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr schneidet Erdbeeren am Stiel ab. Das funktioniert aber nur in Stellagen, nicht auf dem Feld.© Foto: SZ/Veit Hengst

Der Obstbauer Jörg Geithel möchte vom Tüftler wissen, ob der Ernte-Greifer auch im Freiland funktioniert und welche Menge er schafft. Geithel ist schließlich Vorsitzender des Landesverbands Sächsisches Obst und arbeitet auch als Obstbauberater. Doch so bald wird er keine automatischen Scheren auf sächsischen Feldern schnippeln hören: Die IAV-Experten empfehlen ihren Erdbeer-Ernter nur für den Einsatz an Stellagen in Gewächshäusern. In Rövershagen bei Rostock läuft der Test.

Der Praktiker Geithel hat sich das schon gedacht: „Bis Roboter Obst ausdünnen oder pflücken können, das dauert noch eine Weile“, sagt der sächsische Verbandschef. Fahrende Maschinen seien zwar erfunden, aber: „Uns fehlen die passenden Werkzeuge.“

Also schaut sich der Obstbauer erst einmal bei den Drohnen um, die ebenfalls auf dem Feldtag präsentiert werden. „Im Obstbau könnte ich mir die schon vorstellen“, sagt Geithel. Mit der Kamera könnten die Flieger helfen, frühzeitig die Bestände zu überwachen und Schäden festzustellen – vor allem Verfärbungen der Blätter. „Umso zielgenauer kann ich dann Pflanzenschutz betreiben“.

Drohnen sind im Obstbau verboten

Obstplantagen vom Hubschrauber aus mit Pflanzenschutzmitteln besprühen, das war in der DDR üblich, sagt Geithel. Heute sind Luftfahrzeuge für Pflanzenschutz im Obstbau verboten – nur über steilen Weinbergen und über dem Forst dürfen sie das ablassen, was Ulrich G. Hennig „Spritzbrühe“ nennt. Hennig ist Geschäftsführer vom Drones Team Chemnitz, und was er fliegen lässt, ist kein Spielzeug. Fast drei Meter Durchmesser hat seine Drohne, die einen 30-Liter-Behälter manövrieren kann.

Ulrich G. Hennig vom Drones Team Chemnitz lenkt eine Drohne mit fast drei Metern Durchmesser. Sie könne 30 Liter „Spritzbrühe“ heben und über steilen Weinbergen austeilen.© Foto: SZ/Veit Hengst

In wenigen Metern Höhe schwebt die Drohne langsam übers Feld und drückt mit ihren Rotoren den Sprühnebel nach unten. Vor Publikum lässt Hennig nur Wasser ab, doch in diesem Frühjahr hat der Chemnitzer schon Reben für das Staatsweingut Schloss Wackerbarth und an den Katzenstufen in Meißen besprüht. An Mosel und Ahr sind Kleinflugzeuge mit Pflanzenschutzmittel im Einsatz.

Wer mit einem Luftfahrzeug wie der Drohne Antipilzgift spritzen will, muss allerdings eine Genehmigung einholen und Wanderer mit Schildern warnen. René Pfüller, Pflanzenschutzexperte im Landwirtschaftsamt, erklärt die Formalitäten: Der Winzer oder die Genossenschaft muss genau erklären, was er vorhat, und auch den Drohnenführer benennen. Im Antrag muss auch die „Bekämpfungsnotwendigkeit“ begründet werden. „Arbeitserleichterung gilt als Grund“, gibt Pfüller seinen Zuhörern als Tipp mit.

Jürgen Zuschke, Vorstand der Sächsischen Winzergenossenschaft Meißen, findet die Arbeitserleichterung grundsätzlich gut. Der Gang mit Rücken- oder Schlauchspritze über Steillagen und Terrassen ist mühsam, der Drohnenflug würde helfen. Problematisch findet Zuschke allerdings die Vorschrift, einen Spritzplan frühzeitig bei der Behörde anzumelden. Flexibler Einsatz sei notwendig. Denn ob in der Obstplantage oder im Weinberg, der Roboter muss wissen: „Die Natur macht, was sie will.“


Das könnte Sie auch interessieren: