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„Das war eine Blitzlese“

So früh hatten die Elbtalwinzer den Wein noch nie rein. Einige warten noch. Im Keller muss Zucker gebändigt werden.

Lesedauer: 3 Minuten

Elbland. Verkehrte Welt. Dieser Dienstag ist so ein Tag, an dem in normalen Jahren die Weinernte im Elbtal erst so richtig startet. Ganz anders 2018. Im Coswiger Weingut Matyas ist es schon der letzte Erntetag. Zu acht sind sie nochmals in die Rebstöcke gegangen, um die letzten Trauben Scheurebe von den Stöcken zu schneiden. Gegen Mittag ist schon alles erledigt. 1,8 Tonnen, die letzten Trauben des Jahres werden in großen Behältern in den Keller gefahren.

Matyas Probocskai, der das Gut gründete und von dem es seinen Namen hat, nennt Oechsle-Zahlen, die den Zuckergehalt des 2018er-Weines angeben: beim Kerner 105 Grad Oechsle, beim Grauburgunder 100. Normale Werte liegen bei 85 Oechslegrad. Viel Zucker, der vergären kann, bringt viel Alkohol. Zu viel wäre das in diesem Jahr. 

Wenige Kilometer weiter in Radebeul ist die Mannschaft der Hoflößnitz zwischen den Rebstöcken zugange. Alle, auch aus dem Büro sind draußen. Der sonnig trockene Tag ist beste Erntezeit. Auch im Stadtweingut sind es die letzten Trauben, die geerntet werden. Riesling – üblicherweise ein Wein, der Mitte Oktober erst in den Keller geholt wird. Hoflößnitz-Kellermeister Felix Hößelbarth: „Das ist mir alles viel lieber als drei Wochen Regen im August und dann große Probleme mit den Pilzen wie Mehltau.“

Das Team von Jungwinzer Matthias Schuh aus Sörnewitz ist ebenfalls komplett draußen. Riesling wird am Klausenberg bei Meißen gelesen. „Das war dieses Jahr eine Blitzlese“, sagt Schuh. So früh begonnen wie noch nie, so früh fertig wie noch nie. Matthias Schuh: „Im August habe ich noch im Scherz gesagt, dass wir zum Weinfest in Meißen diesmal alles rein haben werden. Jetzt ist es wirklich so, verrückt.“

Die eigentliche Herausforderung im Umgang mit dem Wein liegt jetzt im Keller. Schuh: „Der Wein ist sehr instabil. Die Beeren müssen 100 Prozent sauber sein. Wir nehmen keine Hefen – das bedeutet, noch viel mehr als sonst kontrollieren.“

Ähnlich sehen es die Probocskais. „Sehr langsam vergären, gut kühlen und wenig Luftkontakt. Lieber ein paar Gramm Restzucker, als zu hohe Alkoholwerte“, sagt Matyas Probocskai. Seine Tochter Andrea Leder hat das Weingut vor einigen Jahren übernommen.

Wegen der Hitze und Trockenheit hat der 2018er-Wein keine Pilzkrankheiten bekommen. Die Erträge sind im Gut Matyas, zufriedenstellend, sagen die Winzer. Zwischen 45 000 und 50 000 Flaschen werden es von 8,5 Hektar werden.

Von einem Tropfen, den er nicht alle Tage in den Keller bekomme, spricht Vincenz-Richter-Winzer Thomas Herrlich. Einen Weißen Burgunder mit 104 Grad Oechsle habe er jetzt lesen können. Reichlich Fruchtzucker. Vereinfacht lässt sich sagen: Je sonniger das Wetter in Sachsen ausfällt, desto besser entwickelt sich der Zuckergehalt.

Der Winzer vom Kapitelberg hat eigenen Angaben zufolge mittlerweile 80 Prozent der Ernte eingebracht. Bei diesem „unglaublichen Jahrgang mit wunderbaren und gesunden Trauben“ wolle er jedoch nicht gleich alle Trümpfe ausspielen. „Noch treibt uns nichts, die Blätter sind grün, wir haben kalte Nächte zum Erhalt der Säure“, sagt Herrlich. Das sei insbesondere ideal für den Riesling. So ein Jahr gebe es vielleicht nicht gleich wieder. Deshalb warte er mit einer größeren Menge Riesling-Trauben auf eine Auslese. Auch der Spätburgunder hänge noch mit 105 Grad Oechsle und die Trauben seien zu 100 Prozent gesund.

Im größten Privatweingut Sachsen in Proschwitz rechnet Alexandra Prinzessin zur Lippe damit, dass die Lese gegen Ende dieser Woche abgeschlossen sein dürfte. Lediglich in Diesbar-Seußlitz sollen einige Rieslingtrauben noch zu einer Auslese heranreifen. Zeitlich liegen die Proschwitzer vier Wochen vor den sonst üblichen Terminen. Die bisher eingebrachte Menge ist leicht über dem Durchschnitt, falle jedoch nicht zu üppig aus. Kellermeister Jacques du Preez bekomme es mit einer für hiesige Verhältnisse geringen Säure und hohen Süße zu tun. Trotzdem soll der Alkoholgehalt auf typisch sächsischen Niveau bleiben.

 

Von Peter Redlich und Peter Anderson

Bildquelle: Norbert Millauer

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