Von Nora Miethke
Döbeln. Vor einem halben Jahr war er „sehr, sehr skeptisch“, was die Zukunft betraf. Jetzt steht David Lewick neben seinem neuen Chef Olaf Zachert, Geschäftsführer der DAMB Döbelner Anlagen- und Maschinenbau GmbH (DAMB), auf der Bühne. Gemeinsam begrüßen sie die Gäste zum Tag der Offenen Tür Mitte September. Jahrzehntelang kannten die Döbelner nur das Werksgebäude vom Stau auf der Autobahn, aber was in der Fabrikhalle passiert, wussten sie nicht. Das sächsische Werk der Bühler AG fristete das Dasein einer typisch verlängerten Werkbank, bis Olaf Zachert das Unternehmen im Mai dieses Jahres übernahm.
„In den vergangenen fünf Monaten ist mehr passiert als in den ganzen letzten 20 Jahren zuvor“, sagt Lewick, unter Bühler Betriebsratschef, jetzt Betriebsleiter von DAMB. Ihn hatte anfangs erschreckt, das Zachert „so groß denkt“. Er habe gelernt, dass man ein Unternehmen Schritt für Schritt aufbaut, und da kam dieser Risikoinvestor aus Grünheide und erzählte was von einer Unternehmensgruppe, die von Döbeln aus aufgebaut werden soll mit einem Umsatz von bis zum 100 Millionen Euro. Das machte Lewick misstrauisch, jetzt ist er Feuer und Flamme.
Mit Wirtschaftsjournalismus begonnen
Olaf Zachert, Gründer des Beteiligungsunternehmens Zachert Private Equity GmbH, erwirbt und saniert Firmen, die in Schieflage geraten sind, um ihnen eine Zukunftsperspektive zu geben. Der gebürtige Hamburger, der seine ersten Berufsjahre im Wirtschaftsjournalismus verbrachte, hat in mehr als 80 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen investiert. Die meisten Firmen, die der 47-Jährige kauft, sind Konzernübernahmen – wie auch im Fall der Bühler AG. Dem Schweizer Technologiekonzern, der spezialisiert ist auf Produktionsverfahren für die Getreideverarbeitung und in der Lebensmittelindustrie, ist infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ein wichtiger Markt weggebrochen. Doch Bühler wollte sein Döbelner Werk, in dem Metallteile für große Getreide- und Agrarmaschinen hergestellt werden, nicht einfach schließen.
Warum Zachert den Döbelner Zulieferer kaufte, begründet der gebürtige Hamburger mit dem Know-how der Mitarbeiter. „Ich habe nicht in alte Maschinen investiert, sondern in die Menschen, weil ich überzeugt bin von den Arbeitnehmern, die wissen, was sie tun“. Durch die Übernahme konnten 72 von 74 Arbeitsplätzen gesichert werden, inzwischen sind es 78, inklusive fünf Lehrstellen.
Der zweite Grund ist die Neuaufstellung der weltweiten Lieferketten. Eines Tages wird der Krieg in der Ukraine beendet sein. „Wenn sich dann die Kornkammer Europas wieder öffnet, werden wir in unserem Bereich Getreide- und Lebensmittellogistik einen Run erleben“, ist Zachert überzeugt. Sollten dann aufgrund geopolitischer Spannungen zwischen den USA und China Lieferengpässen entstehen, könnte Döbeln profitieren. Darauf will Zachert das Unternehmen vorbereiten. Ziel ist es, mit einem eigenen, wettbewerbsfähigen Produkt auf den Markt zu gehen.
Den Zugang zu den Märkten verbessern
Seine Vision: Er will von Döbeln aus durch drei, vier Firmenzukäufe eine Unternehmensgruppe aufbauen, spezialisiert auf Getreidelogistik. Ab einem Gesamtumsatz von 70 bis 100 Millionen Euro ließen sich dann günstigere Einkaufskonditionen durchsetzen und verbessert sich der Zugang zu neuen Märkten. Derzeit sei man im Gespräch mit einem Landmaschinenhersteller und einem Zulieferer der Bundeswehr. Der Zeitpunkt ist gut, da wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit viele Firmen zu günstigen Preisen zur Verfügung stehen. „Wir reden vorsichtig gebremst, da der Döbelner Standort erst einmal transformiert werden muss“, sagt der DAMB-Chef.
15 bis 20 Millionen sollen unter anderem in den Kauf des Grundstücks und der Maschinen, in die Modernisierung der Werkhalle, den Neubau eines Verwaltungsgebäudes und in rund 50 neue Arbeitsplätze fließen. Doch das Wichtigste ist: die Mitarbeiter mitnehmen. Zachert und seinem Team schlug eine „Riesenskepsis und auch Aggression“ entgegen. Fragen kamen auf wie „Haut ihr als Investor wieder ab, wenn bei den Landtagswahlen eine gewisse Partei stark wird?“ oder „Gibt es uns noch in zwei Jahren als Unternehmen“? In der Tat hatten seine Berater Zachert geraten, erst nach den Wahlen in Ostdeutschland das Werk zu kaufen. Die hohe AfD-Wählerquote schreckt ausländische Investoren ab, ihn nicht. „Ich mache meine unternehmerischen Entscheidungen nicht vom politischen Umfeld abhängig“, betont der Unternehmer.
Als Erstes stellte er eine Kaffeemaschine hin und sorgte für kostenlose Getränke. Das allein reichte nicht, um den hohen Krankenstand bei der Übernahme von 16 Prozent auf derzeit zwei Prozent zu senken. Die Nachtschicht wurde abgeschafft, damit die Mitarbeiter endlich auch ein richtiges Wochenende haben. Das sei richtig gut angekommen. Der Kontakt zur Gewerkschaft IG Metall wurde gesucht, um einen Haustarifvertrag auszuhandeln. Denn dem Geschäftsführer ist klar, wenn er keine guten Löhne zahlt und Perspektiven bietet, wie man sich gehaltlich weiterentwickeln kann, findet er keine jüngeren Fachkräfte und Auszubildenden. Und die braucht er dringend bei einem derzeitigen Altersdurchschnitt von über 50 Jahren. Unter Bühler gab es zwar auf dem Papier vier Qualifizierungsstufen, aber keinen Anreiz mehr zu arbeiten, da alle Beschäftigten das gleiche Gehalt bekamen. Zachert fand uralte Arbeitsverträge ohne Jobbeschreibungen vor, die Voraussetzung für die Eingruppierung im Haustarifvertrag sind. Und so wurde mit jedem Mitarbeiter gesprochen, was er genau macht. Inzwischen sind die Tarifgespräche gestartet.
Stanislaw Tillich ins Boot geholt
Die arbeitnehmerfreundliche Haltung ist dem Risikoinvestor quasi in die Wiege gelegt worden. Sein Vater, Professor Ulrich Zachert, war ehrenamtlicher Richter am Bundesarbeitsgericht und befasste sich als Hochschullehrer mit gewerkschaftlichen Schlüsselthemen wie Tariftreue und Mitbestimmung.
Das dürfte auch ein Punkt gewesen sein, der Stanislaw Tillich überzeugte, der Bitte nachzukommen und Beiratsvorsitzender für DAMB zu werden. Braungebrannt im T-Shirt steht der ehemalige sächsische Ministerpräsident auf dem Werkshof und unterhält sich mit den Beschäftigten. „Er hat mich gefragt, ob ich in seinem Beirat mitarbeiten würde. Und ich habe ja gesagt, weil ohne ihn das Werk seit 1. Mai 2024 geschlossen wäre“, sagt Tillich. Er hilft dem Unternehmer nun, die Menschen vor Ort zu verstehen, unterstützt ihn bei den Belegschaftsversammlungen. Ja, das tiefe Misstrauen habe es gegeben, bestätigt Tillich. Aber schon bei der zweiten Betriebsversammlung sei die Stimmung eine ganz andere, positivere gewesen – auch deshalb, weil Olaf Zachert mit dem ehemaligen Mutterkonzern eine Auslastungsgarantie ausgehandelt habe. Die Auftragslage ist also vorerst gesichert.
In der Regel verkauft Zachert die Unternehmen wieder, in die er einsteigt, wenn die Sanierung geglückt ist – entweder zurück an die Alteigentümer oder an strategische Investoren. Doch im Fall des Döbelner Anlagen- und Maschinenbauers sieht er das in den nächsten zehn Jahren nicht. „Ich bin jetzt erst einmal an Döbeln gebunden“, sagt er. Viele Geschäftspartner können nicht verstehen, warum er sich jeden Tag mit Problemen auseinandersetzt, die er nicht verursacht hat. Je mehr Leute sagen, das klappt nicht, desto mehr spornt es ihn an, das Gegenteil zu beweisen. Seinen Betriebsleiter hat er schon mit seinem positiven Optimismus angesteckt. „Ich hoffe, wir werden auch nächstes Jahr und in kommenden zehn, 15 Jahren so eine Fete wieder feiern“, sagt David Lewick, bevor er in der Werkhalle verschwindet, um die Gäste durch die Produktion zu führen und zu zeigen, was DAMB eigentlich macht.