Suche
Suche

DHL-Umsiedlung stößt in Bonn auf Unmut: Wird Leipzig tatsächlich zum größten Konzernstandort?

DHL verlegt den Sitz der Express Holding von Bonn nach Schkeuditz – und was zu Aufruhr in der ehemaligen Bundeshauptstadt führt. Schkeuditz profitiert von Millionen-Steuereinnahmen, während Bonn einen Zahler verliert. Am Airport Leipzig/Halle will DHL derweil weiter wachsen.

Lesedauer: 4 Minuten

Florian Reinke

Leipzig/Schkeuditz. Wenn in der Region die Nacht hereinbricht, beginnt die Arbeit im Leipziger DHL-Drehkreuz erst so richtig. Das Vorfeld: voll mit gelben Maschinen. Die Förderbänder im Inneren des Drehkreuzes: bestückt mit unzähligen Sendungen, die weltweit verschickt werden. 7000 Mitarbeiter, über 2500 Tonnen Fracht pro Tag – der Standort ist der wichtigste im DHL-Express-Netzwerk. Und nun gewinnt Leipzig/Halle weiter an Bedeutung: Der Logistikkonzern hat den Sitz der DHL Express Holding nach Schkeuditz verlegt. Für die Stadt am Flughafen ist das ein Coup, für Bonn dagegen ein Schlag ins Kontor – wenn es nach den öffentlichen Reaktionen geht.

Dass DHL den Sitz der Tochter verlegt hat, hat zwar keine Folgen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, doch es geht um viel Geld: Künftig wird die Holding nicht mehr in Bonn Gewerbesteuern zahlen, sondern in Schkeuditz. Um wie viel Geld es geht, ist aufgrund des Steuergeheimnisses nicht bekannt, doch klar ist: Schkeuditz erwartet eine Verfünffachung der städtischen Einnahmen aus dieser Steuer auf rund 119,4 Millionen Euro. Zurückzuführen sei der Anstieg auch auf die „Umsiedlung eines Unternehmens“ – unklar ist aber, welchen Anteil der Konzern an dem Plus konkret hat.

Verlegung des DHL-Sitzes: Schkeuditz profitiert, Kritik in Bonn

Nachdem die LVZ über die Verlegung des Sitzes berichtet hatte, dauerte es nicht lange, bis in Bonn Kritik laut wurde. Alexander Jentsch, Vorsitzender des Einzelhandelsverbands Bonn, teilte mit: „Der Verlust eines bedeutenden Gewerbesteuerzahlers wie DHL ist ein schwerer Rückschlag für Bonn.“ Der Stadt warf er vor, die Prioritäten falsch zu setzen.

Nach mehreren Medienberichten reagierte die Stadt – und veröffentlichte eine Pressemitteilung. In dieser hieß es, die Verlagerung habe „allenfalls geringfügige steuerliche Auswirkungen“ für die Stadt.

Auch Katja Dörner, Oberbürgermeisterin von Bonn, hat sich zur DHL-Umsiedlung geäußert
Auch Katja Dörner, Oberbürgermeisterin von Bonn, hat sich zur DHL-Umsiedlung geäußert
Quelle: IMAGO/Jürgen Heinrich

Bonner Rathauschefin: „Entscheidung nachvollziehbar“

Auf LVZ-Anfrage erklärt die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne): „Die DHL Group hat ihre Aktivitäten am Standort Flughafen Leipzig/Halle unter dem Dach der DHL Express Holding neu sortiert, das ist nachvollziehbar.“ Für ihre Stadt sei es wichtig, dass die Änderung keine Mitarbeitenden betreffe. „Dies werte ich als Bekenntnis zum Standort Bonn, zumal die Stadt und DHL in einem guten Austausch sind.“

Blick in den „LEJ Campus“ in Schkeuditz: Im Bürokomplex sind verschiedene DHL-Bereiche untergebracht
Blick in den „LEJ Campus“ in Schkeuditz: Im Bürokomplex sind verschiedene DHL-Bereiche untergebracht
Quelle: Michael Strohmeyer

Während man in Bonn Schadensbegrenzung betreibt, profitiert Schkeuditz von der Entscheidung. Tatsächlich ergibt es aus unternehmerischer Perspektive Sinn, dass DHL den Sitz der Express Holding nach Schkeuditz holt. Unternehmensangaben zufolge ist die Führung der Holding bereits überwiegend in Schkeuditz tätig. Diese steuert als Muttergesellschaft die DHL Express-Gesellschaften in Deutschland.

Welche Rolle spielte die Steuerbelastung?

Klar ist aber auch: Schkeuditz ist mit einem Hebesatz von 300 Prozent bei der Gewerbesteuer günstiger als Bonn (537 Prozent). Das dürfte eine Rolle gespielt haben. Das betont DHL selbst: Die Steuerbelastung werde bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt, so Sprecherin Sabine Hartmann. In erster Linie treffe die DHL Group Standortentscheidungen jedoch „aufgrund operativer Anforderungen und nicht ausschließlich aufgrund von Gewerbesteuersätzen oder -belastungen.“

Die DHL Group hat ihre Aktivitäten am Standort Flughafen Leipzig/Halle unter dem Dach der DHL Express Holding neu sortiert, das ist nachvollziehbar. – Katja Dörner , Oberbürgermeisterin Bonn

Bleibt die Frage: Werden bald weitere DHL-Töchter nach Schkeuditz ziehen? Offiziell äußert sich DHL dazu nicht. Auf Anfrage heißt es nur: Die DHL Group überprüfe regelmäßig ihre Struktur, „um den geschäftlichen Anforderungen bestmöglich gerecht zu werden.“

Zukunftspläne: Wachstum und Ausbau am Standort Leipzig/Halle

Mit Blick in die Zukunft stehen die Signale jedenfalls auf Wachstum. Der Konzern soll vom Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle profitieren – geplant ist, das Vorfeld zu erweitern. Entstehen sollen weitere Stellplätze für Flugzeuge, aber auch Gebäude. „Der Ausbau des Flughafens Leipzig/ Halle ist für uns von großer Bedeutung, denn die jetzige Infrastruktur des DHL Drehkreuzes Leipzig ist für ein weiteres Wachstum nicht ausgelegt“, erklärt DHL. „Trotz der aktuellen weltwirtschaftlichen Lage gehen wir weiter davon aus, dass wir am Standort Leipzig mittel- und langfristig wachsen werden. Bereits jetzt stoßen wir hier an unsere Grenzen, sprich wir haben auch ohne weiteres Wachstum Engpässe bei den Stellplätzen – etwa bedingt durch den Einsatz modernerer Flugzeuge.“ Erst im vergangenen Jahr hatten die Mitteldeutsche Flughafen AG und DHL ihren Rahmenvertrag vorzeitig bis 2053 verlängert.

Schon heute investiert DHL weiter: Nach LVZ-Informationen errichtet der Konzern derzeit ein neues Multifunktionsgebäude am Drehkreuz, das im September in Betrieb gehen soll. „Im neuen Gebäude wird es unter anderem einen Security-Check mit zwei Lanes, moderne Büroräume für Vorfeld- und Security-Kollegen und -Kolleginnen, Pausen- und Spindräume und eine Erweiterung unseres Equipment-Raumes geben“, heißt es dazu aus dem Konzern.

DHL investiert am Leipziger Hub: Derzeit entsteht ein neues Gebäude
DHL investiert am Leipziger Hub: Derzeit entsteht ein neues Gebäude
Quelle: Michael Strohmeyer

Was wurde aus Ankündigung des DHL-Chefs?

Platz für 1100 Menschen gibt es auch im „LEJ Campus“, den die Leipziger Stadtbau AG errichtet hat. Hier sind unter anderem die DHL-Bereiche Network Operations und Customs untergebracht.

Der Komplex wurde zwei Jahren eröffnet, und damals sorgte DHL-Chef Tobias Meyer mit einer Prognose für Aufsehen. „Der eine oder andere mag es nicht glauben, aber wir sind auf dem besten Weg, dass Leipzig der größte Standort von Deutsche Post und DHL wird“, sagte er. In Bonn, so der Vorstandschef, frage man sich bestimmt, warum das so sei. Seine Antwort: „Das liegt eben daran, dass wir hier mittlerweile über 7000 Beschäftigte haben – und dass Leipzig enorm wächst, auch aufgrund des enormen Erfolgs unserer Tochter DHL Express.“ Wie sieht es heute, genau zwei Jahre später, aus?

Auf Anfrage relativiert DHL die Aussage des CEO. Sie „war sicherlich mit einem Augenzwinkern gemeint, um die Bedeutung des Standorts zu verdeutlichen und sollte nicht als konkrete Zielsetzung verstanden werden“, erklärt DHL-Sprecherin Sabine Hartmann. „Vielmehr hat er damit die positive Entwicklung des Standorts hervorgehoben.“ Doch Fakt sei: Das DHL Express Drehkreuz ist seit Jahren der größte Standort im DHL Express-Netzwerk. Dass die DHL Express Holding nun auch ihren rechtlichen Sitz in Schkeuditz hat, erscheint daher als die logische Konsequenz.

Das könnte Sie auch interessieren: