Von Annett Kschieschan
Ohne Künstliche Intelligenz geht nichts mehr. Aber wer die KI sinnvoll in seinen Arbeitsalltag integrieren will, muss wissen, wie das funktioniert. Und da gibt es speziell in Deutschland durchaus Nachholbedarf. Der aktuelle HR-Report der internationalen Unternehmensberatung McKinsey legt dar, dass mindestens ein Drittel aller Beschäftigten bisher nicht weiß, wie man KI nutzen kann – und welche Fallstricke es zu beachten gibt. Der Report basiert auf Daten von knapp 2.000 Unternehmen sowie den Perspektiven von mehr als 4.000 Beschäftigten aus Europa und den USA, davon etwa 1.000 in Deutschland.
Und er legt ein zweites Problem offen, das zumindest zum Teil mit der Bildungslücke in Sachen KI zusammenhängen dürfte. 44 Prozent der Arbeitnehmer haben demnach im vergangenen Jahr nicht einen einzigen Tag für Weiterbildungen aufgewendet. Im Jahr zuvor waren es noch 23 Prozent. Eine Entwicklung, die mit Blick auf die rasante Veränderung der Arbeitswelt von Experten sehr kritisch gesehen wird. Datenanalyse und der Umgang mit der Künstlichen Intelligenz gehören zu den von Personalabteilungen mit am höchsten bewerteten Fähigkeiten bei Bewerbern. Doch genau hier mangelt es. „Indem bei Fort- und Weiterbildungen gespart wird, schwindet mittel- und langfristig die Grundlage für den weiteren Unternehmenserfolg“, so Julian Kirchherr, McKinsey-Partner und Co-Autor der Studie.
Die Frage, warum Weiterbildung zwar theoretisch als wichtig wahrgenommen, praktisch jedoch oft vernachlässigt wird, beschäftigt nicht nur die Recruiter. Eine Ursache: In wirtschaftlichen Krisenzeiten legen viele Unternehmen ihren Schwerpunkt auf andere Themen. Eine weitere: Gerade weil sich die Arbeitsinhalte zumindest in einigen Branchen derzeit so schnell verändern, wissen bisweilen weder Mitarbeiter noch Teamleiter so genau, in welchem Bereich welche Fortbildung am sinnvollsten ist. Dann aber ganz darauf zu verzichten, ist der falsche Weg – da sind sich alle Experten einig.
Oft fehlt der Blick für den Bedarf
Immerhin: speziell bei den kleinen und mittelständischen Firmen ist der Wille der Weiterbildung in den vergangenen Jahren größer geworden. So zeigte die IW-Weiterbildungserhebung 2023, dass mehr als 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland grundsätzlich aktiv in Sachen Weiterbildung sind. Offen bleibt, was das im Einzelfall bedeutet, denn gerade für kleinere Betriebe ist das Thema auch eine Kostenfrage. Für eine Untersuchung des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) gaben die befragten kleinen und mittelständischen Firmen häufiger an, dass kein Weiterbildungsbedarf bestehe, das Interesse der Beschäftigten fehle oder keine passenden Angebote am Weiterbildungsmarkt vorhanden seien. Häufig fehle ein Kompass, der dabei hilft, aus den durchaus reichlich vorhandenen Angeboten das passende auszuwählen. Weiterbildungen zu organisieren, ist unter anderem eine Zeitfrage. Gerade kleinere Firmen haben häufig niemanden, der ausreichend Kapazitäten hat, um sich im großen Stil um das Thema zu kümmern.
Die Kofa-Studie ergab indes auch, dass stark digitalisierte Unternehmen und solche, die viele Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit umsetzen, eine ausgeprägtere Weiterbildungskultur zeigen. Wer ohnehin zum großen Teil online arbeitet, ist häufiger bereit, auch an digitalen Weiterbildungen teilzunehmen. Deren Angebot wächst seit Jahren – auch, weil es deutlich kostengünstiger ist als Präsenzveranstaltungen. Die digitale Transformation erfordere „eine motivierte und digital kompetente Belegschaft“, so Julian Kirchherr. Der schnelle Weg dorthin ist es, die Mitarbeiter zu schulen. Das sei inzwischen zunehmend eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit.
In Sachsen hat man das durchaus erkannt. Hochschulen, aber auch Verbände und Initiativen bieten Unternehmen Hilfe bei der Suche nach den passenden Weiterbildungsangeboten, aber auch bei der Entwicklung einer eigenen Weiterbildungskultur. Die fängt bei der Qualifizierung der Führungskräfte an, denn Teams durch die turbulenten Zeiten einer wirtschaftlichen Transformation zu dirigieren, erfordert besonderes Fähigkeiten.
Kompetente Angebote aus Sachsen
Bei Mikomi, dem Institut für Mittelstandskooperation an der Hochschule Mittweida, etwa gibt es die Möglichkeit, über ein Intensivtraining mit hohem Praxisbezug ein Zertifikat für „Transformation & Leadership“ zu erlangen. Hier kann man sich auch in „digitalem Business“ und in Sachen Nachhaltigkeit schulen lassen. Auch njumii – das Bildungszentrum des Handwerks in Dresden bietet eine breite Auswahl an Kursen für Meister, Nachwuchsführungskräfte und erfahrene Teamleiter an, die ihre Kompetenzen auffrischen möchten. Die Bandbreite reicht vom Umgang mit der Generation Z und Konfliktsituationen über den Wissenstransfer bei Personalwechsel bis hin zur Balance zwischen Fachaufgaben und Führungsverantwortung. Ebenfalls im Portfolio sind Inhouse-Schulungen, die auf die individuellen Anforderungen der Teams abgestimmt werden. – Weiterbildung, das dürfte eine der wichtigsten Erkenntnisse sein, ist kein Ziel, sondern ein Prozess. Einer, den Unternehmensführung und Mitarbeiter gemeinsam gehen müssen. Theorie und Praxis dabei in Einklang zu bringen, ist eine der Herausforderungen. Eine andere bleibt es, Tagesgeschäft und Fortbildungsinteresse unter einen Hut zu bekommen. So manchem Mitarbeiter, der laut McKinsey 2024 keinen einzigen Weiterbildungstag hatte, dürfte dafür schlicht die Zeit gefehlt haben. Auch hier kann, so die Prognose aus der Zukunftsforschung, die KI entlasten. Der Umgang mit ihr will dennoch zuerst erlernt sein.