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Die KI als Bäckerin

Wie Künstliche Intelligenz klassischen Industriebetrieben, Handwerkern und Bauingenieuren im Erzgebirge hilft.

Lesedauer: 3 Minuten

Ein KI-generierter Roboter steht in einer Backstube.
Ganz so wie auf diesem per KI generierten Foto sieht es nicht aus, wenn die Künstliche Intelligenz in der Bäckerei zum Einsatz kommt. Doch der lernfähige Helfer aus dem Netz macht die Arbeit einfacher und effektiver. Quelle: Dall E

Von Heiko Weckbrodt

Viele assoziieren mit dem Erzgebirge immer noch vor allem Bergbau, Textilindustrie und Volkskunst. Doch neuere Technologien spielen eine wachsende Rolle in der Region. So setzen beispielsweise mehr und mehr Unternehmen hier Künstliche Intelligenz (KI) ein – um die Qualität ihrer Produkte zu verbessern, teilautomatische Nachtschichten zu fahren, Bestellprozesse effizienter zu machen oder ihre Wettbewerbsfähigkeit anderweitig zu verbessern. Zudem entwickeln Forschungseinrichtungen wie die TU Chemnitz, Fraunhofer oder die „Duale Hochschule Sachsen“ in der Region beispielgebende KI-Lösungen, die das Dokumenten-Management und Verwaltungsvorgänge in Betrieben wie Behörden erleichtern sollen. Wie genau all das in der Praxis bereits funktioniert, aber auch, vor welche Herausforderungen der KI-Einsatz gerade kleinere Betriebe manchmal stellen kann, hat die „Wirtschaftsförderung Erzgebirge“ (WFE) gemeinsam mit Anwendern aus Wirtschaft und Wissenschaft in einer Dialogveranstaltung „Chancen für Unternehmen durch Künstliche Intelligenz“ im Innovationszentrum „Buntspeicher“ in Zwönitz vorgestellt. „In solch wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ein Format unter diesem Titel im vermeintlich konservativen Industrie-Mittelstandsland Erzgebirge durchzuführen war gewagt“, räumt Geschäftsbereichsleiter Jan Kammerl vom WFE-Wirtschaftsservice ein. Die überwältigende Resonanz aus der Unternehmerschaft zeige jedoch, dass man damit ein Thema getroffen habe, das die erzgebirgische Wirtschaft sehr beschäftige. Im Fokus stehe dabei vor allem der Wunsch der Unternehmer nach einer Effizienzsteigerung in Produktions-Prozessen – und Antworten auf die „demografische Keule“.

Die KI in der Buchhaltung
In der „Thoenes Dichtungstechnik“ beispielsweise hat Künstliche Intelligenz einen Teil des Qualitätsmanagements und der Disposition für einen autonomen Nachtschicht-Betrieb übernommen, der andernfalls wegen Personalproblemen kaum realisierbar wäre. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Strahltechnikinstitut IWS habe das Unternehmen außerdem eine KI-gestützte Fehlererkennung bei der Produktion technischer Textilien entwickelt, berichtet Peter Schneider von der Thoenes Dichtungstechnik. „Und wir setzen ChatGPT und andere KI-Instanzen als Prognosehilfe und für die Buchhaltung ein“, sagt Schreiber.
Wie KI helfen kann, in einer anspruchsvollen Branche mitten im Wandel wettbewerbsfähig zu bleiben, skizziert „Köstler“ aus Annaberg-Buchholz: „Die Qualitätsanforderungen sind hoch und kaum noch durch Menschen erfüllbar“, erklärt Ulrich Hertel namens des Automobilzulieferers, der sich auf textile Airbag-Scharniere und andere Innenraum-Bauteile für Fahrzeuge spezialisiert hat. Daher habe sich das Unternehmen entschieden, eine KI-basierte optische Qualitätssicherung einzuführen. „Allerdings sind die Einstiegs-Investitionen in Bildverarbeitung und Rechentechnik für kleine Betriebe hoch“, schätzt Hertel ein. Daher entschieden sich die Projektverantwortlichen bei Köstler für Kooperationen und einen „Low cost“-Einstieg: Im Zuge eines staatlich geförderten Projektes entwickelte das „Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz“ eine passende KI-Softwarelösung für die Annaberger, die sich wiederum um die Hardware kümmerten, die sie teils aus handelsüblicher Standardtechnik, teils per Prototypenbau realisierten.

Kompass durch herausfordernde Zeiten

Etwas komplexer ist das KI-System, mit dem der Autozulieferer „Norafin“ aus Mildenau die „Zukunft der Textilproduktion“ demonstrieren will: Schon jetzt nehmen die Norafiner Hunderte, teils sogar Tausende Parameter von ihren Maschinen auf.
Die dabei entstehenden großen Datenmengen verarbeitet eine KI in Echtzeit. „Das eröffnet uns die Möglichkeit, den jeweiligen Prozess auf bestimmte Ziele hin zu optimieren: geringer Stromverbrauch, besonders hohe Qualität oder Durchsatz“, erläutert Norafin-Entwicklungschef Marc Jolly. „Bisher sind das nur Vorschläge, die uns die KI macht. Im nächsten Schritt soll sie die Maschinen auch direkt steuern.“
Künstliche Intelligenz hilft aber nicht nur den fürs Erzgebirge so prägenden Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Textil- und Autoindustrie, durch herausfordernde Zeiten zu manövrieren, sondern auch dem Handwerker um die Ecke: Tobias Nönnig von der gleichnamigen Bäckerei aus Ehrenfriedersdorf zum Beispiel hat eine KI für seine Backplanung eingespannt: Das lernfähige Prognosesystem hilft ihm seither, Brot- und Kuchen-Retouren aus seinen Filialen zu reduzieren und mit dem vorhandenen Personal alle Aufgaben zu bewältigen. Hintergrund: Klassischerweise senden die Filial-Mitarbeiterinnen an die Bäckerei am Hauptstandort ihre Bestellzettel mit den Mengen an Eierschecke, Brötchen, Brot & Co., die sie an diesem oder jenem Tag zu verkaufen hoffen.
Diese Zettel entstehen oft aus einer Mischung aus Erfahrung und Bauchgefühl. Diese menschliche Expertise wird auch weiter gebraucht – nun aber durch eine unbestechliche KI ergänzt: Die wertet für Nönning frühere Bestellungen aus, gestaffelt nach Wochentagen, analysiert Wetterberichte, berücksichtigt Brückentage und andere Faktoren, die die Kaufbereitschaft der Kundschaft immer wieder beeinflussen.
Auf dieser Basis arbeitet die KI dann digitale Produktionsempfehlungen aus. Die Rücksenderate von Backwaren, die dann doch keiner kaufen wollte, hat Nönnig so von zwölf auf 9,5 Prozent gedrückt. Das spart Kosten und Personal, mindert Abfälle, schont zudem durch den Wegfall unnötiger Fahrten die Umwelt. „Wir sind superglücklich mit diesem System“, sagt der Bäcker.

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