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„Die Menschen sind mir wichtiger als ihr Lebenslauf“

Die Dresdner Designerin Stephanie Friedemann hat den Sächsischen Gründerinnenpreis erhalten. Was macht sie anders?

Lesedauer: 3 Minuten

Eine junge Frau inmitten von Stoffen.
Stephanie Friedemann illustriert Aquarellmotive mit Pinsel und Farbe, digitalisiert sie und lässt sie in einem besonders langlebigen Druckverfahren auf teilweise biologisch produzierte Baumwollstoffe drucken. Restposten spendet sie an Frühchen oder Sternenkinder. Foto: Jürgen Lösel

Von Luisa Zenker

Dresden. Flink zieht Stephanie Friedemann das Schneidegerät durch den weißen Stoff. Schwarze Herzchen wechseln sich mit winzigen Pünktchen darauf ab. „Das ist unser Bestseller“, sagt die Siegerin des diesjährigen sächsischen Gründerinnenpreises und setzt das Schneidegerät erneut an. Kuschelweiche Stoffballen in Dunkelrot, Meeresblau, Schneeweiß, Ockerbraun stapeln sich um sie herum. Vor zwei Jahren hat die Designerin ihr neugegründetes Unternehmen von ihrer Wohnung in die Lagerräume verlegt. Von hier aus verlassen jeden zweiten Tag 50 Pakete die Tür – gefüllt mit selbst designten Baumwollstoffen.
Dabei sieht der Lagerraum in Dresden-Striesen von außen unscheinbar aus. Nur ein kleiner weißer Zettel macht darauf aufmerksam, dass sich hinter den Türen ein Stoffparadies mit Atelier befindet. „Wir sind ein reiner Onlinebetrieb“, erklärt die 35-Jährige die schlichte Außenwirkung.

Dabei kann die Unternehmerin dick auftragen, denn in diesem Jahr hat sie von der sächsischen Gleichstellungsministerin Katja Meier (Grüne) den Preis für Neugründung erhalten. Es ist ein Erfolgsweg, der bei ihrer Mutter beginnt. Als junges Mädchen kann Friedemann beobachten, wie diese Kleider und Blusen für sich selbst schneidert. „Es gab nicht so viel“, sagt die gebürtige Dresdnerin schulterzuckend. Bis Friedemann aber selbst ihr erstes Kleidungsstück produziert, dauert es noch einige Jahre. Erst als ein paar Freundinnen das Nähen beginnen, setzt sie sich an die Nähmaschine, um ein eigenes Kleidungsstück zu produzieren. „Ein viel zu enger Pullover“, lacht Friedemann, die zu der Zeit Management studiert. Doch statt aufzugeben macht sie weiter, näht Hosen und Mützen für Kleinkinder, immer mehr Freunde und Bekannte wollen ein Kleidungsstück aus ihrer Nadel.

Angefangen neben dem Vollzeitjob
2019 meldet sie dann ein Kleingewerbe an. Der Name Finie & Fasel, inspiriert von den Namen ihrer Katze und ihres Hundes. Nachmittags, abends und am Wochenende sitzt sie nun an der Nähmaschine und schafft Kindermützchen, Babyhosen, Mädchenkleider. Alles neben ihrem Vollzeitjob als Qualitätsmanagerin bei der AOK-Plus. Während sie die Kinderkleidung näht, stößt sie aber mehr und mehr an Schwierigkeiten: die Stoffe für die Kleinsten sind nicht weich genug, die Motive entsprechen nicht ihren Ansprüchen, zu plump, zu grell, zu schnell verwaschen. „Es war nicht mehr zu schaffen“, erinnert sich Stephanie Friedemann auch an die körperlichen Grenzen durch die Akkordarbeit.
Statt aufzugeben setzt sie einen neuen Fokus: Die Stoffe an sich. Mit Pinsel und Aquarellfarbe zeichnet sie nun selbst die Motive für die eigens ausgewählten Baumwollstoffe. Das Nähen überlässt sie ihren Kunden. Eine Nische, die sie zum Erfolg führt. Denn nach zwei Jahren hat sie einen monatlichen Umsatz von 50.000 Euro, einen eigenen Lagerraum und vier Mitarbeiterinnen. Ihren Job bei der AOK hat sie auf Eis gelegt. „Ich hab zwar Angst, allein im Dunkeln nach Hause zu gehen, aber vor diesem Schritt hatte ich erstaunlicherweise keine Angst.“

Auch Männer haben Interesse am Stoffdesign
Ein Rentier mit roter Jacke lächelt sie dabei vom Regal aus an. Auch ihn hat Friedemann in Faustgröße gezeichnet. Knapp 150 Motive sind bisher aus ihrer Feder entstanden – Zieräpfel, Buchenblätter, lächelnde Lebkuchen oder einfach: schlichte Streifen in blau, rot, orange. Jedes Motiv hat Friedemann digitalisiert. Dieses Bild lässt sie dann in einem aufwendigen Verfahren auf die weichen Stoffe drucken. Wo dieser Schritt geschieht, darauf antwortet Friedemann ausweichend: „In Europa“. Einen genauen Namen möchte sie nicht nennen, weil sie schlechte Erfahrungen mit Raubkopien gemacht hat. Ob sie dagegen klagen wird, weiß sie noch nicht. Während sie davon berichtet, wird die Unternehmerin ernst. Schaut etwas frustriert zu Boden. Dabei wirkt sie sonst quirlig und fest entschlossen für ihre Ideen einzustehen, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen. Oder vielmehr ihrer Kundinnen. Ein Großteil der Bestellungen gehe an Frauen zwischen 24 und 45 Jahren, die für ihre Kinder, Männer oder sich selbst Kleidung nähen.

Friedemann nimmt aber wahr, dass auch immer mehr Männer an dem Hobby Interesse finden. 17.400 Follower hat sie auf Instagram, ihrem Hauptmedium, über das sie ihre Kundinnen erreicht, die persönliche Beziehung aufbaut und die fertigen Nähwerke bewundern kann. Diese Produkte von hochrangigen Designern schmücken auch die Wände im Lagerraum. Auf den Fotos stehen Mädchen in schneeweißen Kleidern mit gezeichneten Laubblättern, die ihnen um die Hüfte wehen. Der Stoff stammt aus Friedemanns Feder. Oder besser gesagt Pinsel. Ihre Stoffe beglücken vor allem Heimwerker in Deutschland und Österreich. Im nächsten Jahr will Friedmann auch noch weiter in den Norden schauen. „Unsere leisen Stoffe könnten was für die Norweger und Dänen sein.“
Dass sie mit ihrem Nischengeschäft so erfolgreich geworden ist, macht sie besonders daran fest: „Die Leute wollen mit nachhaltigeren, individuellen, langlebigen und qualitativ hochwertigen Stoffen unterwegs sein.“ Dazu habe ihnen die Pandemie in die Karten gespielt, in der viele Menschen die Heimarbeit wiederentdeckt haben. Und dabei offensichtlich geblieben sind, denn die Nachfrage nach Friedemanns Stoffen wächst unentwegt.
Dass die Unternehmerin nun den Preis erhält, begründet die Jury „mit ihrer klaren und klugen Art der Unternehmensführung“ und ihrem sozialen und nachhaltigen Engagement. Stephanie Friedemann kann das nur so interpretieren: „Ich denke sehr strategisch.“ Dazu gehört eben auch der Onlinevertrieb. So könne sie in einer Stunde bis zu 30 digitale Bestellungen abwickeln, was in einem normalen Stoffladen nie möglich wäre. Offen lässt sie aber, ob sie in Zukunft nicht doch noch einen richtigen Shop für die stoffvernarrten Dresdner und Dresdnerinnen errichtet. Am Ende will Stephanie Friedemann noch eine Erfolgszutat nennen:
All ihre Kompetenz über Mode und Stoffe hat sie sich selbst angeeignet. „Learning by doing.“ Und unter diesem Motto habe sie auch ihre Kolleginnen eingestellt. „Die Menschen sind mir wichtiger als ihr Lebenslauf.“

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