Von Siiri Klose
Ein Ein-Kilo-Mischbrot kostet in der Dippser Stadtbäckerei zwei Euro, das Dinkelvollkornbrot 2,60 Euro, ein einfaches helles Brötchen 25 Cent und die viereckigen Roggenbrötchen 50 Cent. Bäckermeister Stefan Olschewsky würde gern ausführlich erklären, warum bei ihm auch die Doppelbrötchen immer noch 40 Cent kosten, statt zwischen 70 und 90 Cent wie bei den meisten anderen Bäckern. Aber gerade muss er die Brötchen auch verkaufen. Es ist Mittagszeit in Dippoldiswalde. Die Verkäuferin ist gerade kurz nach hinten gegangen, und alle paar Minuten kommt neue Kundschaft in die Stadtbäckerei am Obertorplatz.
Also den Schwung erst einmal abwarten und den Anschlag in Ruhe zu Ende lesen, der draußen im Schaufenster der Bäckerei hängt. Dort hat Oli, wie sich der Bäcker von allen Kunden nennen lässt, seine Preiskalkulation ordentlich aufgelistet. Auf zwei A4-Seiten trägt er fünf Gründe zusammen, warum er seine Preise sozusagen auf Vorkriegsniveau halten kann, während andernorts überall auf steigende Kosten für Getreide, Strom und Gas verwiesen wird.
Grund 1: Weniger teuren Kuchen anbieten
„Keine kalte Konditorei“ steht da zum Beispiel. Das ist auch in der Ladentheke zu bemerken. Drei verschiedene Sorten Blechkuchen liegen dort aus – Bienenstich, Kirschkuchen und Eierschecke. Darüber stehen ein paar Kekstüten. Mehr nicht. „In Kuchen steckt viel Arbeit und alles, was wirklich teurer geworden ist“, erklärt Oli. Beispielsweise Butter, Milch und Eier. Und natürlich ist der Herstellungsaufwand im Vergleich zu einem Brötchen größer – und Arbeitszeit ist durch die gestiegenen Personalkosten auch teurer geworden. „Mit Kuchen lässt sich kein Geld verdienen“, hat Oli festgestellt. „Wer trotzdem ein großes Sortiment anbieten will, muss seine Kosten bei den Brötchen und beim Brot wieder reinholen.“ Sprich: Brötchen und Brot kosten andernorts womöglich mehr, weil sie die Kuchenauswahl finanzieren.
Grund 2: Flexible Materialkosten
Für Kuchenzutaten gelten höhere Materialkosten. Bei Broten und Brötchen fallen sie aber nur wenig ins Gewicht, sagt Oli: „Ein Brot besteht nur aus Mehl und Wasser.“ Er hat durchgerechnet: Zwei Cent pro Brötchen und acht bis zehn Cent pro Brot mehr Materialkosten hat er im Vergleich zu 2019. „Teurer wurde vor allem das Weizenmehl“, sagt er. Für Weizen gibt es Weltmarktpreise, weil er als Rohstoff an der Börse gehandelt wird – die natürlich den Russland-Ukraine-Krieg als Verknappung registriert und mit Verteuerung reagiert hat.
Roggen ist kein Börsengetreide, für seine Preisbildung gelten andere Regeln. „Ich habe von Anfang an bei vielen Weizenteigen Roggen mit dran gemacht“, sagt Stefan Olschewsky. Roggen bindet mehr Wasser als Weizen, „und Wasser kostet mich fast gar nichts.“ Das einzige, worin er mehr investieren muss, ist die Teigruhe, „aber die ist nicht das Problem, die habe ich beim Brot ja auch.“ Olschewsky hält also den Brötchenpreis so stabil, indem er zwischen den Mehlsorten hin- und herwechselt – und er hat circa 20 davon vom Auszugsmehl bis zum Vollkornschrot, neben Weizen und Roggen auch Dinkel, Mais, Reis, Soja, Hafer, Gerste und Hirse. Dieses Jahr sollen noch Urgetreide dazu kommen.
Grund 3: Keine Fertigmischungen
Fertigmischungen oder Backmittel verwendet Olschewsky keine. „Die Vertreter lassen trotzdem immer mal Flyer hier. Wenn ich mit dem vorgeschlagenen Pfannkuchenmehl backen würde, hätte ich pro Stück vier Cent höhere Herstellungskosten als ohne.“ Er versteht, warum Backmischungen so beliebt sind: „Sie gleichen alle Fehler mit Stabilisatoren und Konservierungsstoffen aus.“ Maschinen kommen mit solch eine angemischten Teig meist besser klar, weil er weniger flüssig ist.

Ein Brot aus reinem Mehl- und Wasser-Sauerteig hält allerdings auch ohne alle Zusatzstoffe lange frisch: „Im Sauerteig entwickelt sich Milch- und Essigsäure. Die sorgen für Geschmack und verhindern Schimmel.“ Wichtig ist die Teigruhe: In der Zeit bindet die Stärke im Mehl viel Wasser, was für Haltbarkeit, Frische und Geschmack sorgt. Wichtig ist für Oli auch: Eben nicht mit Maschinen arbeiten, wenn die mit dem feuchten Natursauerteig nicht klarkommen. „Dinkelmehl zum Beispiel bindet viel mehr Wasser als Roggen. Keine Maschine kann so einen weichen Teig aufarbeiten, das geht nur händisch.“
Grund 4: Moderate Strom- und Gaskosten
Die Doppelbrötchen sind rund, die Roggenbrötchen eckig. Denn der feuchte Roggenteig lässt sich nicht so leicht formen wie der aus Weizen. Deshalb nutzt Oli eine Maschine. Der Roggenteig kommt auf eine Platte, auf die er ein Gitter mit brötchengroßen Abständen herunter presst. Voilà, die Teiglinge sind fertig, ohne dass Strom geflossen ist. „Tatsächlich weiß ich noch nicht, was mich beim Gaspreis erwartet“, sagt Oli. Doch wenn er die Preise nach dem kalkuliert, was er aktuell an Strom und Gas zahlt, kommt er auf einen sehr knappen Cent mehr an Herstellungskosten pro Brötchen.
Grund 5: Kein Vollsortiment bis zum Ladenschluss
Vorkassenzone – so heißt die Gegend im Eingangsbereich der Supermärkte, in der oftmals ein Bäcker seine Ware anbietet. Viel Laufkundschaft für den Bäcker und ein Grund mehr für Einkäufer, in den Markt zu kommen – so in etwa lautet die Win-win-Strategie. „Dort unterschreiben die Mieter ganz schlimme Verträge“, schreibt hingegen Olschewsky in seinem Anschlag. Zu ihrer normalen Miete würden die Bäcker auch eine umsatzabhängige Miete zahlen, „und deshalb fordern die Vermieter, dass bis Ladenschluss ein bestimmtes Sortiment vorrätig zu halten ist.“
Auch wenn davon vieles nicht mehr verkauft werden kann – was wiederum auf alle Preise umgelegt wird. In der Dippser Stadtbäckerei sind am frühen Nachmittag die meisten Brötchenkörbe leer und die große Brotauswahl auf zwei, drei Mischbrote und ein Fitnessbrot geschrumpft.
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Einen Schwachpunkt hat Stefan Olschewskys Kalkulation durchaus: Seine eigene Arbeitszeit hat er außen vor gelassen. „Ich arbeite täglich. Und krank werden sollte ich besser nicht“, sagt er. Aber das lässt ihn noch lange nicht mit seinem Beruf hadern.