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Ein Erfinderleben auf der Kippel

Schreiner Hubert Hipp aus Löbau baut Stühle, die das Leben von Schulkindern sicherer machen. Er hat noch andere Ideen.

Lesedauer: 3 Minuten

Ganz hinten, ein bisschen versteckt im Gelände der alten Löbauer Jägerkaserne steht man vor einem Wohnhaus und wähnt sich in eine andere Region Deutschlands versetzt. Eine kunstvoll gedrechselte Fassade aus hellem Naturholz schmückt das Haus. Ein Zaun aus grob bearbeiteten Eichenlatten umfriedet das Anwesen. „Ich habe es mir selbst gebaut wie ein typisches Allgäuer Haus“, sagt Hubert Hipp mit seinem warmen bairischen Zungenschlag. Selbst gebaut. Hubertus Hipp kann so etwas. „Sein Motto lautet: „Der Schreiner, sonst keiner. Der Schreiner kann‘s.“

 

„Schreinermeister – Designer – Erfinder“ steht auf der Visitenkarte des 59-Jährigen. Und Erfinder ist er mehr aus praktischen Erwägungen geworden –, nicht weil es mal sein Berufswunsch gewesen wäre. „Immer wenn ich ein Problem hatte, habe ich ein Patent draus gemacht“, sagt Hubert Hipp. Inzwischen hat er fünf davon. Welche das sind, zeigt er in seiner Werkstatt wenige Meter entfernt auf dem Kasernengelände. In drei ehemaligen Panzerhallen betreibt er seine Stuhlmanufaktur Wohndesign Hipp. 2003 kam er aus dem Allgäu hierher und blieb – auch der Liebe wegen. Zuvor hatte Hipp Spezial-Software für Schreinereien betrieben und auch Kunden in Löbau und Umgebung „Die Menschen sind hier so herzlich. Mittlerweile ist Löbau meine Heimat geworden. Ich bin angekommen“, sagt Hubert Hipp. Im letzten Jahr hat er seine langjährige Partnerin – eine Löbauerin – geheiratet. 2012 musste er mit seinem Vor-Unternehmen Insolvenz anmelden.

 

In seiner Werkstatt stehen viele sogenannte Kippelstühle. Damit löste Hipp ein Problem aus seiner Kindheit. Kippeln macht schlau und ist gesund“, erklärt er. Er selbst habe als Kind oft in der Schule mit dem Stuhl gekippelt. Die Beschäftigung schlauer Kinder ist leider auch gefahrgeneigt. „Jedes Jahr werden in Deutschland 4 500 Unfälle an Schulen gemeldet“, erzählt Hipp. In England habe es gar mal einen tödlichen Kippel-Zwischenfall gegeben, weil ein Kind nach hinten umkippte und unglücklich mit dem Kopf an einen Heizkörper prallte. Beim Kippelstuhl sind die kufenartigen Stuhlbeine hinten abgerundet. Mittlerweile hat er 2 700 kippsichere Stühle an Schulen verkauft. „Weil sie höhenverstellbar sind, wachsen sie mit den Kindern mit“, erklärt er.

 

Er hat auch einen Kippel-Barhocker entwickelt. „Am liebsten würde ich mal eine Kippel-Kneipe betreiben. Das wäre ideal“, sagt Hubert Hipp. Erfahrung als Gastronomie-Einrichter hat er jedenfalls genügend. In der Schweiz gestaltete er eine Cafeteria für ein deutsches Luxus-Modelabel, in Dresden gab er einem bekannten Burger-Restaurant seine urige Holz-Optik. „Und in Berlin richte ich Luxus-Pflegeheime mit Kippel-Bänken ein“, sagt er. So eine steht auch in seinem Wohnzimmer, Liebesbank nennt er sie. „Hast mit’m Partner nix mehr zum Schwätzen, kannst immer noch mit ihm kippeln oder dich mit dem Therapeuten draufsetzen“, scherzt er.

Ein weiteres Patent hält er für seinen Federstuhl. Eine Erfindung, mit der er Rückenprobleme lösen möchte. Auf einer Stahlfeder gelagert erlaubt dieser Stuhl seinem Nutzer Bewegungen in alle Richtungen. Und das habe einen erheblichen gesundheitlichen Vorteil. „Den Menschen tut alles weh und dann gehen sie zum Doktor und bekommen Gymnastik verschrieben. Mit meinem Stuhl haben sie den ganzen Tag Gymnastik“, sagt Hubert Hipp. Seine Devise: „Ich will, dass Menschen wieder Spaß haben am Sitzen.“

Seine jüngste Erfindung ist der „Schreibtisch der Zukunft“. „Ein 84-jähriger Mann aus Erlangen hat mich mit der Konstruktion eines Stehschreibtisches beauftragt“, erzählt Hipp. Er baute einen Prototyp, bei dem man die Neigung und Position der Tischfläche so verstellen kann, dass sie eine integrierte Sitzfläche freigibt. So kann man den Tisch sowohl stehend als auch sitzend nutzen. „Da ist mir die Idee gekommen, das zu einem richtigen Schreibtisch weiterzuentwickeln“, erzählt Hipp. Das Ergebnis ist ein elektrisch höhenverstellbarer Tisch. Vier Höhen sind programmierbar. Auf einer ausklappbaren Fläche unter der Tischplatte kann man eine Tastatur abstellen. Und der besondere Clou: Auf einem Polster unter der Tischplatte kann man im Sitzen seine Beine ablegen. „Ich habe schon einige verkauft. In einer Einrichtung in Siegburg nutzen ihn zwei Kinder, die an der Rückgratverkrümmung Skoliose erkrankt sind“, erzählt er.

 

Von Markus van Appeldorn

Foto: © Matthias Weber

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