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Ein Vogtländer für Ostsachsens Wirtschaft

Lukas Rohleder ist neuer Chef der IHK Dresden. Er will die Kammer neu ausrichten – und so ihr Image aufpolieren.

Lesedauer: 3 Minuten

Lukas Rohleder formuliert die Aufgaben seiner Generation „3D“: Digitalisierung, Demografie, Dekarbonisierung. Foto: Thomas Kretschel

Lukas Rohleder ist neuer Chef der IHK Dresden. Er will die Kammer neu ausrichten – und so ihr Image aufpolieren.

Von Michael Rothe

Auch nach fast 100 Tagen im Amt sieht es im Büro von Lukas Rohleder aus, als sei der neue Chef der Dresdner IHK gerade erst in der obersten Etage der Kammer eingezogen. Oder nicht lange bleiben. Verwaist sind Anbauwand, Vitrine, Sideboard und Fensterbank am Arbeitsplatz des neuen Chefs von 160 Beschäftigten. Weder Fotos von der Ehefrau und seinen drei Kindern, noch Trophäen oder Utensilien, die auf ein Hobby schließen lassen. Nur das Arbeitsmaterial auf dem Schreibtisch belegt: Dort sitzt ein Macher – im Auftrag von 92.000 Mitgliedsunternehmen im Großraum Dresden.

Der moderne Manager hat sein Büro in der Hosentasche. Rohleder hatte den Posten am 1.Juli von Detlef Hamann übernommen, der sich nach 19 Jahren als Hauptgeschäftsführer mit 66 zur Ruhe setzte. „Der Wunsch nach Generationswechsel war wohl sehr stark“, glaubt sein Nachfolger. Der 40-Jährige hatte sich bei der Auswahl für den lukrativen Job unter 70 Bewerbern durchgesetzt.

Die Verjüngungskur findet in den drei sächsischen Kammern mit zusammen gut 250.000 Pflichtmitgliedern fast im Gleichschritt statt. Zeitgleich mit Dresden hatte in Chemnitz Christoph Neuberg (47) Hans-Joachim Wunderlich (67) als Hauptgeschäftsführer beerbt. In Leipzig soll der Wechsel an der Spitze des Hauptamts im nächsten Sommer erfolgen, nachdem Thomas Hofmann (66) dort doch noch ein Jahr dranhängt.

Lukas Rohleder sieht „im Verjüngungsprozess, der nicht nur die Kammern, sondern die gesamte Wirtschaft durchzieht, eine Chance, neue Kontakte aufzubauen“. Die Wendegeneration gehe und Jüngere, mit anderer Philosophie, Wachstumsstrategie, Positionierung innerhalb Europas und in der Welt übernähmen das Steuer, sagt er.

Was hat gereizt am Job? Hat man ihn gezwungen mit Geld? „Ganz und gar nicht“, sagt der Chef und lacht. „Ich hatte schon immer ein gutes Bild von der Kammer“. Geboren in Reichenbach und aufgewachsen in Greiz, habe er nach Abi und Bundeswehr eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann gemacht – nicht klassisch in Deutschland, sondern bei Mercedes in Hongkong. Dass Kammern solche Chancen böten, sei toll, sagt er. Jener Erfahrung in Fernost und einem Jura-Studium hatten sich fast fünf Jahre im Büro des Bundestagsabgeordneten und Ex-Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) angeschlossen, ehe er Energie-Experte wurde und zuletzt die Geschäfte des Netzwerks Energy Saxony führte.

Beste Voraussetzungen

Rohleder ist nach eigenem Bekunden heiß auf die neue Aufgabe. Er spricht von einer „Idealfunktion an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Recht und Politik“ und nennt den Strukturwandel „eine wunderbare Gelegenheit, die Lausitz voranzubringen und bis 2038 Strukturen aufzubauen, um globale Zukunftsfragen regional zu beantworten“. Ostsachsen böte dafür beste Voraussetzungen, wie eine Studie zu Familienunternehmen belege, sagt der Chef. Das geplante Großforschungszentrum könne als Leuchtturm strukturprägend für weitere Ansiedlungen sein“, zieht Rohleder Parallelen zur starken Halbleiterbranche in und um Dresden. „Da ist aber langer Atem wichtig“, weiß der Hobbyläufer.

Der Neue will die IHK inhaltlich neu ausrichten. Zwar habe er ein von „Zahlen-Mann Hamann“ solide finanziertes Haus übernommen, „aber auch schon manche Baustelle erkannt“, sagt Rohleder. Er sehe die Kammer nicht als Behörde, sondern als modernen und kompetenten Dienstleister für die Wirtschaft.

„Wir wollen nicht nur reagieren, sondern die Stimme der Wirtschaft aktiv nach außen tragen – auch über soziale Netzwerke“, sagt er. Wie es mit den im Bundesvergleich niedrigen Mitgliedsbeiträgen weitergehe, sei offen, der gerichtlich angemahnte Abbau der Millionen- Rücklage aber abgeschlossen.

Wo will die Kammer hin, welche Leistungen anbieten und wofür nach außen stehen? Dies sind für den Hauptgeschäftsführer zentrale Fragen. Dass es Korrektur braucht, belegt eine bundesweite Umfrage des Marktforschungsunternehmens SQC-QualityCert vom Frühjahr. Danach fühlen sich 87 Prozent der 7.500 teilnehmenden Firmen nicht angemessen von ihrer IHK vertreten. Die Zukunftsthemen seiner Generation definiert Rohleder „3 D“: Demografie, Digitalisierung, Dekarbonisierung. Der Verfechter dualer Ausbildung plädiert wegen des Nachwuchsmangels dafür, Fachkräfte im nichteuropäischen Ausland zu suchen: „Vor Ort gezielt anwerben und ausbilden, bei uns weiterqualifizieren und integrieren“, befürwortet er neue Denkansätze der Staatsregierung.

Die Spuren der Energiekrise

Bei der Digitalisierung müsse die Kammer selbst Vorbild sein, so Rohleder. Die derzeit – erstmals online – laufende Wahl zur Vollversammlung sei dafür eine Bewährungsprobe. Allerdings: Fast zwei Monate nach einem bundesweiten Cyberangriff auf die Organisation sind Kammern noch immer offline.

Das dritte „D“ ist Rohleders persönliches Steckenpferd, hat er sich doch jahrelang mit Wasserstoff und alternativen Kraftstoffen für Flugzeuge befasst. Inzwischen lasse sich Kerosin aus Fetten, Abfall, Zucker herstellen, schreite die Diskussion um wasserstoffbasierte Flüssigkraftstoffe voran, so der Experte. „Davon kann auch unsere Region profitieren.“

Zunächst aber plagen Inflation und die Folgen des Kriegs in der Ukraine. „Die Energiekrise hinterlässt bereits tiefe Spuren“, sagt Rohleder. „Wenn wir nicht riskieren wollen, ganze Wirtschaftsbereiche zu verlieren, führt kein Weg daran vorbei, wirklich alle verfügbaren heimischen Energiepotenziale auszunutzen – und zwar umgehend.“ Ohne dieses Zeichen der Entschlossenheit werde man „weder die Preise herunter noch die Spekulation aus dem Markt bekommen“, ist er überzeugt.

Was kann die Politik für die Wirtschaft tun, was besser lassen? „Zuallererst muss sie verstehen, wie Wirtschaft funktioniert“, sagt der Lobbyist. Es sei sein Auftrag „als Interessenvertreter klarzumachen, welche Herausforderungen im Geschäftsleben bestehen“. Dank des Jura-Studiums kenne er die Spielräume von Parlamenten und Verwaltung.

Und woran will der IHK-Chef selbst gemessen werden? „Wenn es gelingt etwa bei der Energie, neue Potenziale zu erschließen und der Wirtschaft überhaupt immer Gehör zu verschaffen, wäre das auch mein Erfolg“, sagt Rohleder. Das klingt nicht so, als wolle er gleich wieder gehen. Trotz seines leeren Büros.

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