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Ende der Ausbeute in der Paketbranche?

Der Bundesrat sieht Deutsche Post, Hermes & Co für ihre Subunternehmen in der Pflicht.

Lesedauer: 3 Minuten

Paketbote ist nicht gerade ein Traumjob – schon gar nicht vor Ostern oder gar zu Weihnachten. Er hat schon mal 200 Pakete und mehr im Laderaum, jedes bis zu 31,5 Kilo schwer. Dreimal angefasst – Laden, Sortieren, Zustellen –, werden Tonnen bewegt. Über Kilometer. Treppauf und, wenn der Kunde nicht da ist, wieder treppab. Erneute Anfahrt. Parkplatzsuche. Zeitdruck. Sechs Tage pro Woche. 55 bis 60 Stunden. Und das für einen Hungerlohn. Dann werden Pakete auch mal vor der Tür abgestellt, ist der Zettel über angebliche Unzustellbarkeit schneller ausgefüllt, als der Weg in den 5. Stock genommen.

Zusteller verdienen weniger als 2007

„Der Grund für solche Erlebnisse ist weniger in der Bequemlichkeit der Zusteller zu suchen, sondern im unmenschlichen Zeitdruck, unter dem die Zusteller ihre Arbeit erledigen müssen – dazu Reallöhne, die oft weit unter dem Mindestlohn liegen, eine mangelhafte soziale Absicherung, ein überzogener Leistungsdruck“, nimmt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) die Zusteller in Schutz. Vor dem Bundesrat zitiert er am Freitag die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag. Danach ist der mittlere Bruttolohn von Kernbeschäftigten in der Post-, Kurier und Expressbranche zwischen 2007 und 2017 um gut 13 Prozent gesunken. 230 000 Beschäftigte, rund die Hälfte, verdienten weniger als zehn Euro pro Stunde. Dabei war die wachsende Schar ausländischer Subunternehmer nicht mal erfasst.

Der Markt ist umkämpft, die Sitten sind verkommen, und der Wettbewerb wird buchstäblich auf dem Rücken und im Geldbeutel vieler der 490000 Zustellerinnen und Zusteller ausgetragen. In Deutschland gibt es fünf große Paketdienste: Neben der Deutschen Post DHL sind das Hermes, eine Tochter der Otto Group, der deutsche Speditionsverbund DPD und die nationalen Ableger der holländischen GLS und der amerikanischen UPS. Alle arbeiten mehr oder weniger mit Subunternehmen, die manchmal selbst noch Subs beauftragen. Das spart Kosten und schafft Risiken vom Hals. Die Entlohnung sei Sache des letztlich Ausführenden, heißt es von den Branchenriesen. Man gehe davon aus, dass sie gesetzeskonform sei, schließlich bekämen die Partner eine marktübliche Vergütung. Alle Großen waschen die Hände in Unschuld und verweisen auf die unternehmerische Eigenverantwortung der Partner.

Viele Zusteller arbeiten befristet, in Teilzeit oder auf Mini-Job-Basis. Andere sind Einzelunternehmer oder besser Scheinselbstständige. Daher fallen sie nicht unter den gesetzlichen Mindestlohn von 9,19 Euro pro Stunde. Die Gewerkschaft Verdi berichtet Ukrainern, Weißrussen und Moldawiern, die, mit falschen Pässen für Stundenlöhne von 4,50 bis sechs Euro arbeiten – bis zu 16 Stunden am Tag. Manche schliefen sogar in ihren Autos.

Solche Zustände sollen nach dem Willen des Bundesrats eingedämmt werden. In einer von Niedersachsen eingebrachten Entschließung rief die Länderkammer die Bundesregierung auf, „die Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten zu sichern“ und per Gesetz die Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge auf die Branche auszuweiten. Dann wäre, wie in der Fleischwirtschaft, der eigentliche Auftraggeber zuständig, dass die Partner die Abgaben zahlen. Solche namhaften Adressen delegierten die Verantwortung bislang über Rechtstreueerklärungen an das nächste Glied in der Kette und behielten so „eine weiße Weste“, heißt es in der Entschließung des Bundesrats. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lehnt eine Nachunternehmerhaftung ab. Er will dafür mehr Kontrollen.

Zoll deckt Mindestlohnverstöße auf

„Wir nehmen die Diskussion über Forderungen nach Einführung einer gesetzlichen Nachunternehmerhaftung für den Bereich der Paketzustellung zur Kenntnis, sehen uns hier allerdings nicht vorrangig betroffen“, heißt es auf Anfrage von Deutsche Post DHL. Die Vergabe von Zustellbezirken an Servicepartner liege im niedrigen einstelligen Prozentbereich, sagt ein Sprecher des deutschen Branchenprimus’ mit rund 19 000 eigenen und nach Tarif bezahlten Paket- sowie 93 000 Brief- und Verbundzustellern. Deutsche Post DHL reklamiert für sich auch, Subunternehmen zu prüfen und sich notfalls zu trennen.

Das Hauptzollamt Dresden, zuständig für die Direktionsbezirke Dresden und Leipzig, hatte im Februar 74 Kurier-, Express- und Paketdienstleister auf Schwarzarbeit und Mindestlohnverstöße überprüft. Ferner hatten 100 Einsatzkräfte erfasst, ob die Mitarbeiter zur Sozialversicherung angemeldet sind, Ausländer illegal beschäftigt, Sozialleistungen zu Unrecht bezogen werden. Ergebnis: Zwölf Mindestlohnverstöße, 20 Mal wurden Sozialleistungen zu Unrecht bezogen. In sechs Fällen arbeiteten befragte Personen schwarz. Das für den Großraum Chemnitz zuständige Hauptzollamt Erfurt hatte bei der zeitgleichen Kontrolle in Westsachsen 14 Unregelmäßigkeiten festgestellt, darunter vier Verstöße gegen den Mindestlohn. Für Sachsens Wirtschaftsminister Dulig besteht „dringender Handlungsbedarf“. Die Branche dürfe „kein Hort der Gesetzlosen bleiben“.

 

Von Michael Rothe

Foto: © Julian Stratenschulte/dpa

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