Von Michael Rothe
Über Jahrzehnte gab es beim Immobilienkauf nur drei wirklich wichtige Kriterien zur Wertermittlung: 1. die Lage, 2. die Lage, 3. die Lage. Zustand und Ausstattung von Häusern und Wohnungen können verbessert oder erneuert werden – der Standort aber ist von Dauer und die Entwicklung des Umfelds zumindest absehbar.
Doch dieses Mantra gilt nicht mehr uneingeschränkt. Der Wert einer Immobilie hängt zunehmend auch von deren energetischem Zustand ab, ist sich die Branche einig. Die Energieeffizienz ist in den vergangenen Jahren auch wegen stark gestiegener Preise auf der Kriterienliste deutlich nach oben gerückt. Hinzu kommen Anforderungen an Wohnungsbesitzer, die sich aus der im März verabschiedeten EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ergeben. Deren Umsetzung regelt das umstrittene Gebäudeenergiegesetz.
Wer also gleich eine Wohnung mit guter Effizienzklasse A+, A, B, C oder D kauft oder auf diesen Standard saniert, hat entscheidende Vorteile. Zum einen lassen sich laufende Nebenkosten sparen, da die Energiekosten pro Quadratmeter zum Beispiel in der Klasse B nur etwa halb so hoch sind wie in der E. Ferner werden Folgeausgaben für energetische Sanierung eingespart.
Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut hat die Immobilienangebote in den 400 Landkreisen und kreisfreien Städten auf die dort angegebene Energieeffizienz untersucht und die Ergebnisse im Postbank Wohnatlas vorgestellt. Demnach weist im Bundesschnitt etwa jede dritte Eigentumswohnung mindestens eine gute Energieeffizienz aus. Sachsen steht noch besser da. Mit Ausnahme von Leipzig, dem Vogtlandkreis und dem deutlich abfallenden Landkreis Görlitz ist der Freistaat überall besser. Im Länderranking rangieren nur Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen davor.
Ost-Wohnungen deutlich grüner als die im Westen
Überhaupt ist der Osten auf dem Gebiet deutlich weiter als der Westen, sind dort fast die Hälfte der Eigentumswohnungen im wahrsten Wortsinn im grünen Bereich. Die Hauptgründe: der große Bestand an sanierten Plattenbauten und der höhere Anteil an neueren Gebäuden.
Laut Manuel Beermann, verantwortlich für das Immobiliengeschäft der Postbank, liegen die Vorteile energieeffizienter Gebäude auf der Hand. „Eigentümer sparen Heizkosten, müssen in naher Zukunft nicht mehr zwingend sanieren und können mit einem anhaltend hohen Wert ihrer Immobilie rechnen“, so der Experte.
„Doch den Erwerb nur von diesem Kriterium abhängig zu machen, greift zu kurz, denn Käufer zahlen meist einen Aufpreis für den besseren energetischen Standard“, warnen die Autoren der Studie. In 64 Regionen werden mehr als 1.000 Euro je Quadratmeter aufgerufen. Am teuersten ist es in München. Dort macht der Unterschied zwischen Angeboten mit und ohne guter Energieeffizienz im Schnitt 1.727 Euro pro Quadratmeter aus. In Bayerns Landeshauptstadt kostet eine Wohnung mit den schlechteren Standards E, F, G und H im Mittel 8.077 Euro pro Quadratmeter, mit höherer Klasse 9.805 Euro.
Aufpreis von bis zu 500 Euro pro Quadratmeter
In Sachsen sind die Unterschiede mit maximal 504 Euro in Leipzig (2.690 zu 3.194) nicht ganz so groß. Die Vergleichswerte für Dresden: 2.840 und 3.151 Euro. In den meisten Landkreisen bewegt sich der Aufpreis zwischen 100 und 130 Euro. Nur zwölf Euro mehr pro Quadratmeter müssen Käufer im Landkreis Bautzen investieren, im Landkreis Görlitz ist es doppelt so teuer – was im Bundesvergleich immer noch extrem wenig ist. In Mittelsachsen und Meißen sind Liebhaber von Energieeffizienz sogar finanziell im Vorteil. Dort kosten Eigentumswohnungen der Klasse D und besser im Schnitt weniger als welche mit geringerer Wirksamkeit. Das liegt vor allem an der Lage. In vielen Altstädten gibt es kaum Neubauten und die energieeffizienten Gebäude stehen in weniger attraktiven Außenbezirken.
„Trotz der Preisvorteile für Effizienz in diesen Regionen kann sich in einigen Fällen eine weniger energieeffiziente Wohnung selbst mit Aufpreis und Sanierungskosten rechnen, wenn ihre Lage dies rechtfertigt“, sagt Beermann. Eine schöne Eigentumswohnung in zentraler Altstadtlage werde ihren Wert auch künftig halten oder steigern, ist er überzeugt. Eine sehr energieeffiziente Wohnung außerhalb oder in weniger ansprechender Umgebung wird auch mit Geld nicht in eine gute Lage versetzt. Der Tipp des Managers: „Interessenten sollten nie pauschal urteilen, sondern Merkmale wie Lage und Ausstattung prüfen sowie diese mit dem Budget und den persönlichen Anforderungen abgleichen.“
Energieauflagen und ihre Umsetzung
- Laut der im März vom Europäischen Parlament verabschiedeten Richtlinie zur Energieeffizienz von Wohngebäuden soll deren Gesamtenergieverbrauch bis 2030 im Schnitt um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent sinken.
- Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission für Mindeststandards und eine Sanierungspflicht für die ineffizientesten Wohnhäuser eines Landes wurde im Zuge der Verhandlungen gestrichen.
- In Deutschland erfolgt die Umsetzung nach dem Gebäudeenergiegesetz, wonach seit dem 1. Januar dieses Jahres jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss.
- So wird Energieeffizienz eingeteilt:
– Klasse A+: weniger als 30 kWh/m² (Passivhaus, KfW-Effizienzhaus 40);
– Klasse A: 30 bis 50 kWh/m² (3-Liter-Haus, KfW-Effizienzhaus 55);
– Klasse B: 50 bis 75 kWh/m² (Niedrigenergiehaus, meiste Neubauten);
– Klasse C: 75 bis 100 kWh/m² (KfW-Effizienzhaus 100);
– Klasse D: 100 bis 130 kWh/m² Verbrauch (gut sanierter Bestand);
– Klasse E: 130 bis 160 kWh/m²;
– Klasse F: 160 bis 200 kWh/m²;
– Klasse G: 200 bis 250 kWh/m²;
– Klasse H: ab 250 kWh/m² (alt, unsanierte, schlecht gedämmte Häuser); (SZ/mr)