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Fabrik für Turbo-Akkus

Der Batteriespezialist Skeleton aus Tallin baut neben dem Standort in Großröhrsdorf ein zweites sächsisches Werk in Markranstädt – eine Superfabrik für Superkondensatoren.

Lesedauer: 3 Minuten

Ein Mann steht in einer Werkhalle.
Linus Froböse hat große Pläne für die neuen Produktionshallen von Skeleton. Foto: kairospress

Von Sven Heitkamp

Leipzig. Im unscheinbaren Gewerbegebiet „GE3 Nord“ in Markranstädt kurz hinter Leipzigs Plattenbauviertel Grünau ist dieses Jahr eine große neue Fabrik in den Himmel gewachsen: Außen eine dunkle Fassade aus nachhaltigen Rohstoffen, innen endlose helle Hallen mit Dachträgern aus Holz, unter denen in den kommenden Monaten mehrere vollautomatische Montagelinien aufgebaut werden. Der estnisch-deutsche Batteriespezialist Skeleton, der schon in Großröhrsdorf zwischen Dresden und Bautzen einen Produktionsstandort betreibt, errichtet hier zwischen Feldern, Wiesen und Seen die nach eigenen Angaben weltgrößte Fabrik für Superkondensatoren. Die Turbo-Akkus können elektrische Energie extrem schnell laden und entladen. Sie schaffen bis zu einer Million Zyklen, ohne an Kapazität zu verlieren, und werden für Autos, Industrieanlagen, Medizin und Energieversorgung benötigt – haben allerdings deutlich weniger Speichervermögen als klassische Akkus und Batterien.
Im November werden die neuen Werkshallen samt Solaranlage auf dem Dach an das Hightech-Unternehmen aus Tallin übergeben, spätestens Ende 2024 soll die Produktion in Markranstädt laufen. Die neue Fabrik soll dann bis zu zwölf Millionen Kondensatorzellen pro Jahr herstellen – ein fast 50-mal höherer Ausstoß als am Standort in Großröhrsdorf, wo etwa 250.000 Kondensatoren im Jahr gebaut werden.

Kohlenstoff aus Kokosnussschalen
Linus Froböse, 36, gelernter Maschinenbauingenieur aus Braunschweig und früherer Manager des Continental-Konzerns, ist heute Technikvorstand bei Skeleton. Er führt durch den Rohbau und erklärt, was zukünftig auf den mehr als 10.000 Quadratmetern Produktionsflächen passieren soll. Wichtigster Rohstoff für die Energiespeicher der Generation 1 seien Kohlenstoffpartikel, die aus Kokosnussschalen aus Asien und Südamerika gewonnen werden, erzählt Froböse. Sie werden säckeweise als feines Pulver angeliefert, mit Bindemitteln und Wasser gemischt und dann mit Elektroden zu Kondensatorzellen verarbeitet. Das Werk habe dabei eine große Fertigungstiefe: Elektroden, Zellen bis hin zu den Ultrakondensator-Modulen würden nicht zugekauft, sondern selbst hergestellt und verbaut. Alleinstellungsmerkmal von Skeleton sind daneben die Kondensatoren der Generation 2, betont Froböse. Sie werden mit dem patentierten Skeleton-Material „Curved Graphene“ – zu deutsch: gekrümmtes Graphen – hergestellt. Graphen ist eine besondere Kohlenstoffstruktur, deren Erfinder 2010 den Nobelpreis für Physik erhielten.

Skeleton produziert den Ausgangsstoff nun in einer eigenen Anlage im Chemiepark Bitterfeld und liefert ihn künftig nach Markranstädt. Die damit produzierten „Supercaps“ versprechen blitzschnelles Auf- und Entladen und sollen vor allem helfen, die Stromnetze aus Wind und Sonne zu stabilisieren.
Während sich klassische Batterien und Akkus eher für eine konstante Versorgung bei längerem Energiebedarf anbieten, liefern Ultrakondensatoren intensive Energieschübe von kurzer Dauer. Sie werden auch dafür genutzt, um zurückgewonnene Energie wie beim Bremsen oder dem Herunterfahren von Aufzügen zu speichern. Eingesetzt werden die Module laut Froböse zum Beispiel in Autos, Lkws, Zügen, Straßenbahnen und Kränen, in medizinischen Geräten wie Computertomografen und in der Energiebranche etwa für Windräder und Solaranlagen. Die kleinsten Modelle von Skeleton seien kaum größer als ein Schuhkarton, die größten etwa so groß wie zwei Bierkästen. Sie können auch zu größeren Einheiten zusammengesetzt werden. Für Superkondensatoren bestehe inzwischen weltweit ein Milliardenmarkt, und Skeleton will dabei vorne mitmischen. „Unsere Kondensatoren können mehr Energie aufnehmen als andere und haben einen geringen Widerstand, sodass sie umso schneller laden und entladen können“, sagt Froböse.
In die neue Fabrik werden insgesamt 220 Millionen Euro investiert. 51 Millionen Euro Fördergelder stammen von der EU und dem Freistaat Sachsen. Einen weiteren hohen zweistelligen Millionenbetrag investiert der japanische Mischkonzern Marubeni, der die Superbatterien von Skeleton in Japan vertreibt. Die Produktion soll allerdings größtenteils automatisch ablaufen. Pro Schicht werden für die gesamte Fabrik nur etwa 30 Mitarbeiter benötigt, sagt Froböse. Produziert werde in drei Schichten, sechs Tage die Woche. Zugleich soll Markranstädt ein großer Entwicklungsstandort mit Laboren und Pilotanlagen werden, der an weiteren Lösungen für Kondensatoren und Batterien tüftelt. Auch an einer Kombination aus Supercaps und Akkus wird gearbeitet, um die besten Eigenschaften aus beiden Welten zu verbinden. Insgesamt sollen am neuen Standort 240 Jobs entstehen, in Großröhrsdorf sind es derzeit 140.
Die vollautomatische, digitale Fertigung entsteht in enger Kooperation mit Siemens Digital Industries. Gemeinsam habe man vor dem Bau einen digitalen Zwilling der Fabrik erstellt, um alle Abläufe, Materialbewegungen und Maschinenflüsse zu simulieren und Engpässe oder Kollisionen in der Produktion zu vermeiden, so Froböse. Künftig soll das selbstlernende System auch dabei helfen, die Produktion weiter zu steigern – und dennoch so nachhaltig wie möglich zu organisieren.

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